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Der Fall Dutroux
Diskussion um Dauer einer "lebenslangen" Strafe

Seit 1996 sitzt der vierfache Mörder Marc Dutroux im Gefängnis. Jetzt fordert sein neuer Anwalt die Haftentlassung. Doch für viele Belgier stellt der Sexualstraftäter ein Trauma dar - ein Recht auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft wollen sie ihm nicht zugestehen.

Von Karin Bensch | 20.02.2018
    Marc Dutroux bei einer Besichtigung seines Hauses.
    Marc Dutroux bei einer Besichtigung seines Hauses im Jahr 2009. (picture-alliance/ dpa / Belga)
    Marc Dutroux: Sein Name steht in Belgien für ein tiefes Trauma. Er hatte sechs Mädchen entführt, vergewaltigt und gefoltert. Vier von ihnen starben, zwei konnten aus einem selbstgebauten Kellerverlies befreit werden. Seit 1996 sitzt Dutroux dafür im Gefängnis. 2004 war er zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Derzeit befindet sich der Belgier in einem Gefängnis in der Kleinstadt Nivelles, südlich von Brüssel.
    Vor fünf Jahren lehnte die Brüsseler Haftprüfungskammer ab, dass Dutroux vorzeitig entlassen wird und seine restliche Strafe mit einer elektronischen Fußfessel im Hausarrest absitzen darf. Zur Begründung hieß es damals: Die Gefahr, dass der Sexualstraftäter rückfällig werde, sei zu hoch. Zudem habe der landesweit bekannte Mörder wenige Chancen auf einen Job und eine Wohnung. Dutroux habe absolut keine Aussicht darauf, wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. Doch genau dagegen wehrt sich Dutroux’ neuer Anwalt. Er heißt Bruno Dayez und hat gerade ein Buch mit dem provokanten Titel "Warum Dutroux freigelassen werden sollte" veröffentlicht, das derzeit für aufgeregte Diskussionen in Belgien sorgt. Eine lebenslange Haftstrafe muss an der Lebensdauer eines Menschen gemessen werden, meint Dayez. Ein Vierteljahrhundert sei ein beträchtlicher Zeitraum, nach 25 Jahren sei das Maß voll.
    Anwalt Dayez kritisiert Haftbedingungen
    Nach belgischem Recht ist es möglich, dass Verurteilte einen Antrag auf Freilassung stellen, wenn sie ein Drittel der Strafe abgesessen haben. Im Fall des Wiederholungstäters Dutroux wäre das nach 16 Jahren möglich gewesen - also schon im Frühjahr 2013. Dutroux’ Anwalt plädiert dafür, dass ein Häftling, der seine Strafe abgesessen hat, danach ein Recht auf ein neues Leben in der Gesellschaft hat. Das gelte auch für Marc Dutroux. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Häftlinge im Gefängnis resozialisiert werden, anstatt sie in den grauenvollen Haftbedingungen verfaulen zu lassen, kritisiert Bruno Dayez.
    "Wenn ich Marc Dutroux im Gefängnis treffe, sitzt ein Mensch vor mir, kein Monster", erzählt der Anwalt. Doch die Haftbedingungen seien apokalyptisch. Seine Zelle sei nur neun Quadratmeter groß. Durch Tisch, Stuhl und Bett könne man sich kaum im Raum bewegen. "Er befindet sich in Isolationshaft, hat absolut keinen Kontakt zu anderen Häftlingen", sagt Dayez.
    Grauenvolle Haftbedingungen? Eine kleine Zelle? Jean-Denis Lejeune könnte platzen, wenn er das hört. Seine achtjährige Tochter Julie war eines der ersten Opfer. Ihre Leiche wurde im Garten eines Hauses von Dutroux ausgegraben. "Meine kleine Tochter war in einem Wassertank, der weniger als zwei Quadratmeter groß war", sagt der Vater. Insofern könne sich Dutroux nicht über die Größe seiner Zelle beschweren.
    Dutroux freilassen? Das macht für den Vater, dessen kleine Tochter auf grausame Weise gestorben ist, gar keinen Sinn. Ärzte hätten außerdem bestätigt, dass Dutroux ein Psychopath ist, und diese Krankheit nicht heilbar sei. Vielleicht will Dutroux' neuer Anwalt Werbung für sich machen oder öffentlichen Druck auf die Richter ausüben, vermutet Jean-Denis Lejeune.
    Der Fall Dutroux ist ein Trauma für Belgien
    Bruno Dayez versteht, dass die Angehörigen der Opfer Marc Dutroux am liebsten für alle Ewigkeit in der Hölle schmoren sehen würden. Aber die Justiz urteilt nicht im Namen der Angehörigen und die Strafe ist dazu da, symbolisch das Unrecht wiedergutzumachen, das der Gesellschaft zugefügt wurde, sagt der Anwalt.
    Der Fall des Kinderschänders und Serienmörders Marc Dutroux – er ist tief eingeritzt in die belgische Seele. Deshalb fällt es vielen Menschen so unendlich schwer, diesem Täter, ein Recht auf Recht zuzugestehen.