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Der Fall Hypo Alpe Adria

Der Vorstand der BayernLB muss sich bald für den Fehlkauf der österreichischen Hypo Alpe Adria vor vier Jahren vor Gericht rechtfertigen. Mehr zu den Hintergründen des bayerisch-österreichischen Bankendeals erfährt man in zwei Büchern, die sich lesen wie ein Krimi.

Von Daniel Blum | 09.05.2011
    Sie ist nicht die einzige Bank, die in den letzten Jahren beinahe Pleite ging und aus Steuergeldern gerettet werden musste. Aber die österreichische Hypo Alpe Adria ist schon ein besonders spektakulärer Fall. In dem Kärntner Geldinstitut ging es jahrelang zu wie in einer Spielhölle im Rotlichtmilieu: Gierige Männer verzockten entzückt riesige Summen, Ordnungshüter machten beide Augen zu und Unterweltpaten im Hintergrund das dicke Geschäft. Bankmanager wurden zu Kumpanen Krimineller und verkauften ihre weiße Weste. Das Geldinstitut ging hohe Risiken ein – und schließlich in die Knie. Wie dabei auch ihr Mehrheitseigner strauchelte, die BayernLB aus Deutschland, schildert Christoph Rabenstein in seiner Dokumentation "Der große Deal". Doch vorab ein Blick auf den "Tatort Hypo Alpe Adria", wie Richard Schneider sein Buch genannt hat. Jahrelang hat der österreichische Journalist recherchiert und seine Erkenntnisse über die halbseidenen Geschäfte der Hypo auf dem Balkan lesen sich wie ein Krimi:

    "Es ging dabei um die Neuverteilung der Reichtümer aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Dazu brauchten die Kriegsgewinnler der Sezessionskämpfe ein ebenso unauffälliges wie bedenkenloses Geldinstitut, über das sie ungeniert die Millionentransfers ihrer Privatisierungsgewinne abwickeln konnten – und die Kärntner Hypo Alpe Adria entsprach genau diesem Profil."

    Bereits seit den frühen Neunzigern mischte die österreichische Bank im jugoslawischen Bürgerkrieg mit. Wer einen schnellen Kredit wünschte und zahlungskräftig war, wurde bedient. Die Seriosität der Geschäftspartner - ob sie Waffenschieber waren, Embargobrecher, Geldwäscher; was sie mit dem Geld vorhatten und ob sie es zurückzahlen würden – interessierte die Banker nur am Rande – Hauptsache, das Institut konnte wachsen.

    "In den Goldgräberjahren war die scheinbar grenzenlose Expansion unbekümmert vorangetrieben worden. Immer neue Claims wurden abgesteckt, die Millionen flossen auf Teufel komm raus, die Bonität der Kreditnehmer kümmerte niemanden."

    Richard Schneider hat dazu eine verschwenderische Fülle von Geschichten und Geschichtchen zusammengetragen über die Kumpaneien von Bankern und Betrügern. Er hat mit Beteiligten und Zeugen gesprochen, mit unabhängigen Experten und Kriminalermittlern. Wer deren Aussagen und die von Schneider recherchierten Dokumente studiert, begreift, dass der Zusammenbruch der Hypo zwangsläufig kommen musste – und dass er einen Sonderfall darstellt.

    "Mit den Auswirkungen der globalen Finanzkrise haben die Milliardenverluste der Kärntner Hypo nur rudimentär zu tun. Sie sind hauptsächlich hausgemacht. Gleichgültig sahen Aufsichtsorgane und Politiker zu, wie sich die ungestümen Geldjongleure der Hypo auf immer riskantere Geschäftsfelder vorwagten."

    Im Dezember 2009 klappte das fragile Kartenhaus dann zusammen, die Hypo Alpe Adria stand vor der Insolvenz. Was auch bei der Bayerischen Landesbank für lange Gesichter sorgte, denn sie hatte zweieinhalb Jahre zuvor den Mehrheitsanteil an der Hypo erworben. "Der große Deal – Wie die BayernLB beim Kauf der Hypo Group Alpe Adria Milliarden verzockte", heißt ein weiteres Buch zum Thema. Es beleuchtet den deutschen Teil dieses Bankenskandals. Christoph Rabenstein hat es geschrieben, ein SPD-Abgeordneter im bayerischen Landtag. Das Buch hat den Charakter eines Dossiers: Rabenstein hat Zeitungsartikel, behördliche Akten und andere öffentliche Quellen akribisch durchforstet, hat die bekannten Fakten aufgeklaubt, sortiert und übersichtlich gebündelt. Neues hat er dabei nicht entdeckt, aber die weit verstreuten Informationen vorbildlich aufbereitet, in klaren, knappen Sätzen und mit präzisen Quellenangaben. Rabenstein weist nach, dass die BayernLB die Hypo zu einem Zeitpunkt aufkaufte, an dem die Ware offenkundig bereits ein fauler Apfel war. Eine Skandalbank mit vielen Affären und Affärchen. Doch die Spitze der BayernLB, die fast in Gänze dem Freistaat gehört und von Vertretern der Landesregierung im Verwaltungsrat beaufsichtigt wird, die Spitze der Bank wollte auf Teufel komm raus expandieren. Rabenstein schreibt:

    "Der Kauf war für die BayernLB nicht erforderlich und hätte verhindert werden müssen. Wie er dann über die Bühne ging, war quasi ein krimineller Akt. Der Vorstand der BayernLB hatte versagt, Risiken wurden nicht beachtet, der Kaufpreis war viel zu hoch und die Verträge katastrophal. Ein aufmerksamer Verwaltungsrat hätte hier viel unterbinden können und müssen!"

    Im Hauruckverfahren wurde der Kauf der Hypo durchgezogen. Obwohl wichtige Unterlagen über die Solidität des österreichischen Instituts fehlten und die faulen Kredite der Hypo nur stichprobenhaft überprüft wurden, wickelten die Vertragspartner den Deal im Mai 2007 in Schnellverhandlungen ab. Anderthalb Milliarden kostete der teure Spaß. Der bereits im Dezember 2009 wieder vorbei war, als der Hypo das Wasser bis zum Hals stand. Die Bank war so tief in den Strudel missglückter Spekulationen geraten, dass ihr das Eigenkapital ausging. Als der Hypo der Untergang drohte, sprang der österreichische Staat in die Bresche und erwarb das Wrack für den symbolischen Preis von drei Euro. Zuvor mussten die Großaktionäre aber noch einmal einige Hundert Millionen Euro zuschießen. Rabenstein rechnet vor:

    "Das Abenteuer kostete die bayerische Staatsregierung insgesamt die gigantische Summe von 3,7 Milliarden Euro. Jeder Bürger des Freistaates – vom Säugling bis zum Greis – hatte rechnerisch rund 300 Euro nach Klagenfurt überwiesen. Ohne jede Gegenleistung."

    Stilistisch wirkt Rabensteins Buch über weite Strecken weniger wie ein Buch, denn wie ein Aktenordner: Fakten werden hinter Spiegelstrichen präsentiert oder in Listen. Eleganz kann man dem Werk nicht nachsagen, aber es ist wohl geordnet und präsentiert Kompliziertes zugänglich und verständlich. Genau andersherum ist das bei Schneiders Buch "Tatort Hypo Alpe Adria". Auch Schneider formuliert gerne in kurzen Sätzen, doch sind sie ungleich hübscher: Der Text fließt. Die Lektüre ist stets unterhaltsam - doch erhellend ist sie nur bedingt: Die Hypo hatte über ihre Machenschaften ein Tarnnetz geworfen, geknüpft aus Dutzenden von Tochterfirmen, Stiftungen und Teilhaberschaften. Schneider dröselt das zwar in Kleinstarbeit auf, doch in diesem Klein-klein verliert der Leser bisweilen den Überblick. Dazu trägt leider auch die wenig übersichtliche Gliederung bei. Doch für beide Bücher gilt: Sie schlagen allein schon von der Handlung her alle Kriminalromane – weil die Wirklichkeit eben doch spannender ist als jede Fiktion.

    Richard Schneider: Tatort Hypo Alpe Adria. Residenz Verlag, 288 Seiten, 23,90 Euro. ISBN: 978 3 7017 3227 2

    Christoph Rabenstein: Der große Deal. Wie die Bayern LB beim Kauf der Hypo Group Alpe Adria Milliarden verzockte. Volk Verlag, 192 Seiten, 16,90 Euro. ISBN: 978-3-86222-040-3

    Mehr zum Thema bei dradio.de:
    Große Pläne, fauler Deal: Edmund Stoiber, die Bayern LB und die politische Verantwortung (12.10.2010)
    "Der Verwaltungsrat, in dessen Haut möchte ich nicht stecken" - Die Vize-Vorsitzende der bayerischen Landesbank-Kontrollkommission zum Fall Hypo Alpe Adria (15.12.2009)