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"Der Fall ist ja relativ einfach"

Im Prozess gegen Klaus Zumwinkel erwartet der Steuerstrafrechts-Experte Wolfgang Joecks eine Bewährungsstrafe und eine hohen Geldauflage für den ehemaligen Postchef. Zumwinkel besitze Auslandsvermögen, dessen Herkunft nicht erklärt wurde. Wenn das Gericht dazu die Unterlagen habe, sei dieser Fall nicht kompliziert, erklärte Joecks.

Wolfgang Joecks im Gespräch mit Silvia Engels | 22.01.2009
    Silvia Engels: Am 14. Februar 2008 bauten sich Fernsehteams vor einer Villa im Kölner Stadtteil Marienburg auf. Sie hatten einen Tipp bekommen und konnten später filmen, wie der damalige Vorstandschef der Post AG Klaus Zumwinkel wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in Liechtenstein von der Staatsanwaltschaft zu einer Vernehmung mitgenommen wurde. Das war der Auftakt zu Hunderten von weiteren Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung. Gestützt wurden die Ermittlungen durch Daten aus Liechtenstein, die die Behörden einem Informanten abgekauft hatten. Heute steht Klaus Zumwinkel in Bochum vor Gericht. Am Telefon ist Professor Wolfgang Joecks. Er Leitet den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an der Universität Greifswald. Guten Morgen, Herr Professor Joecks!

    Wolfgang Joecks: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Wir haben gerade Herrn Beck gehört. Ist denn mittlerweile das Strafmaß für grobe Fälle von Steuerhinterziehung ausreichend überprüft worden, so wie Herr Beck das damals forderte?

    Joecks: Jein. Wir haben einmal zum 1.1.2008 eine Verschärfung insofern, als bei relativem großen Ausmaß ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren gilt, aber ob das funktioniert, ob das jemand abhält davon, zu hinterziehen, ist die nächste Frage.

    Engels: Sie kennen natürlich auch nicht die Einzelheiten des Falls Zumwinkel, wie wir alle nicht, aber für den Laien erstaunlich ist ja, dass nur zwei Prozesstage angesetzt sind. Reicht das denn, um alles aufzuklären?

    Joecks: Der Fall ist ja relativ einfach. Es gibt eben Auslandsvermögen, dessen Einkünfte ja nicht erklärt wurde, und da muss man nicht viel diskutieren, wenn man die Unterlagen hat. Das ist ja nicht kompliziert.

    Engels: Medien berichten - bislang ohne Bestätigung -, es gäbe eine Verständigung zwischen Ankläger und Anwalt, der Ankläger werde maximal zwei Jahre Haft auf Bewährung fordern. Ob das stimmt, wissen wir nicht, aber nehmen wir an, es wäre so, wäre ein solcher Handel typisch und zulässig?

    Joecks: So ein Handel ist typisch und er ist in Grenzen auch zulässig. Entscheidend ist, dass die schuldangemessene Strafe dadurch nicht unterschritten wird, und ich denke, bei den Beträgen, die hier im Raum stehen, ist das in Ordnung.

    Engels: Der Bundesgerichtshof hat ja nun entschieden, dass bei einem Steuerschaden von mehr als einer Million keine Bewährungsstrafe mehr verhängt werden darf, sondern dann der Verurteilte auch ins Gefängnis muss. Nun liegt die Klage gegen Zumwinkel knapp darunter, unter dieser Millionen-Schwelle. Wie ist hier der Spielraum des Gerichts?

    Joecks: Relativ groß, denn der erste Strafsenat hat in seiner Entscheidung vom 2. Dezember eben gar nicht so direkt gesagt, es muss zwingend bei der Million eingesessen werden, sondern gesagt, es kommt auch darauf an, in welchem Verhältnis die hinterzogenen Beträge zu den gezahlten Steuern stehen, und hat auch abgestellt auf die Lebensleistung des Betreffenden. Ob jemand jetzt beispielsweise seit Jahren unerkannt eine Firma betreibt, ohne das Finanzamt zu informieren, oder ob er beispielsweise normalerweise brav seine Steuern bezahlt und seine Rolle in der Gesellschaft erfüllt, das ist ein großer Unterschied, auch in der Bemessung der Strafe.

    Engels: Ursprünglich war ja der Fall Zumwinkel so gestrickt, dass eigentlich dieser Steuerschaden über einer Million lag. Allerdings: weil die Staatsanwaltschaft offenbar Termine versäumte, verjährte ein Teil der Steuerschuld. Kann so etwas denn indirekt trotzdem im Urteil noch gewichtet werden?

    Joecks: Man kann auch verjährte Teile in der Tat berücksichtigen bei der Bemessung der Strafe. Dass die Staatsanwaltschaft da irgendetwas verschlafen hat, glaube ich nicht, denn die sind zügig vorgegangen und es ist eben so, dass nach fünf Jahren, bislang jedenfalls nach fünf Jahren, die Steuerhinterziehung verjährt ist.

    Engels: Nun gibt es ja eine große Debatte um Deals in Steuerstrafverfahren. Gerade gestern erst hat Brigitte Zypries in den Raum gestellt, eine Gesetzesinitiative umsetzen zu wollen, wonach intransparente Deals vor Gericht verhindert werden sollen. Das gilt noch nicht für den Zumwinkel-Prozess. Versprechen Sie sich denn etwas davon?

    Joecks: Nein. Das ist bisher schon geltende Rechtslage, denn der Bundesgerichtshof hat mehrfach klargestellt, dass Deals in Hinterzimmern keine Wirkung haben, es muss in öffentlichen Verhandlungen diskutiert werden. Nur in der Praxis läuft es dann eben so, dass man Vorgespräche führt, der Verteidiger mit dem Staatsanwalt und dann irgendwie mit der entsprechenden Strafkammer, und dann wird noch mal in öffentlicher Verhandlung das ganze protokolliert. Das ist schon geltendes Recht im Prinzip.

    Engels: Aber wie gewichten Sie das? Auf der einen Seite heißt es immer, die Prozessbeteiligten hätten nur Vorteile davon, das mag der Vorteil sein, der Nachteil: die Akzeptanz des Rechts beim Bürger leidet.

    Joecks: Das ist sicherlich richtig, aber das liegt eben daran, dass die Ressourcen der Justiz endlich sind. Man hat da abgespeckt, wo man konnte. Und wenn man wirklich die Sachen konsequent durchziehen will, muss man da entsprechend die Ressourcen verstärken.

    Engels: Kritiker etwa vom Anwaltsverein bemängeln, dass auch das neue Gesetz nicht mehr Offenheit schaffen wird, und was sie auch angemerkt haben: die bekannten Fakten im Prozess liegen dann vielleicht nicht alle vor. Kann man da nicht über diesen Weg etwas regeln?

    Joecks: Ich glaube nicht. Die Praxis wird sich anpassen, weil die Ressourcen wie gesagt endlich sind. Die haben nicht genug Leute, um die Sachen wirklich kunstgerecht abarbeiten zu können.

    Engels: Schauen wir noch einmal auf diesen Prozess, auf den Zumwinkel-Prozess. Sie haben gesagt, da bleibt dem Gericht die Möglichkeit, Haftstrafe/Geldstrafe. Wagen Sie eine Einschätzung über Verlauf und Ausgang des Prozesses?

    Joecks: Ich erwarte, dass er am Montag zu Ende ist, dass es zu einer Bewährungsstrafe kommt und eine hohe Geldauflage im Zusammenhang mit der Bewährung verhängt werden wird.

    Engels: Schauen wir auf die Steuerehrlichkeit, Professor Joecks. Jetzt haben ja die vielen Fälle in Liechtenstein dazu geführt, dass auch unabhängig von möglichen Konten dort in diesem Zusammenhang zunächst mehr Steuerstraftäter sich selbst anzeigen. Denken Sie, da bleibt der Trend stabil?

    Joecks: Davon gehe ich aus, denn durch die Verschärfung der Rechtslage, die wir bekommen haben zum 1.1.2008/2009, wird das Klima durchaus rauer. Wir haben eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Fälle, die ein großes Ausmaß betreffen, auf zehn Jahre und da werden sich viele schon überlegen, ob es nicht Sinn macht, sich zu öffnen und sozusagen wieder der Gesellschaft der Steuerzahler beizutreten, denn mittelfristig wird es zu einer Verschärfung von Bestrafungen kommen.

    Engels: Insgesamt werden ja im Zusammenhang mit den bekannt gewordenen Liechtenstein-Fällen derzeit rund 450 Ermittlungsverfahren behandelt. Mit was für Entwicklungen rechnen Sie? Werden die meisten mit Geldstrafe enden?

    Joecks: Ich denke, die meisten werden mit Geldstrafen und Bewährungsstrafen enden, weil es ist eben so. Wenn sie jetzt einen Fall durchverhandeln, ist es ein großer Aufwand. Im Knast ist noch niemand besser geworden und wenn man dann Leute hat, die halbwegs, was heißt halbwegs, die sozialisiert sind, die ihre Rolle in der Gesellschaft erfüllen, macht es auch keinen Sinn, sie wegzusperren. Es ist besser, sie da zu treffen, wo es am meisten weh tut, nämlich beim Geld.

    Engels: Das heißt aber, dass Sie das durchaus in Ordnung finden, wenn jetzt die Haftstrafen nach wie vor die Ausnahme bleiben und die Gelder belangt werden sollen. Auf der anderen Seite ist das doch genau die Schwelle, die vielleicht auch abschreckend wirken könnte?

    Joecks: Ob Abschreckung funktioniert, darüber diskutieren die Experten seit Jahrzehnten. Klar ist, dass die Leute alle darauf vertrauen, dass sie nicht erwischt werden, und wenn ich abschrecken will, dann muss ich erst mal die Quote derer erhöhen, die erwischt werden, also muss Kontrollmechanismen aufbauen. Sonst funktioniert das sowieso nicht. Sie können die Strafe auf sonst etwas erhöhen; die Leute glauben, dass sie nicht ertappt werden, und machen weiter.

    Engels: Ein Ausblick. Im Zuge der Berichterstattung über die vielen Steuerhinterziehungsfälle in Liechtenstein hatten ja Politiker vor einem Jahr angemahnt Gesetzesverschärfungen sowohl im Steuerstrafrecht als auch die Austrocknung von Steueroasen. Konkrete Gesetze sind bislang daraus nur in den seltensten Fällen geworden. Denken Sie, das kommt noch?

    Joecks: Wir haben ja schon einige Regelungen, die neu gekommen sind, etwa die Verlängerung der Verjährungsfrist zum 1.1.2009 und zum 1.1.2008 eine Verschärfung im Strafrahmen bei der Steuerhinterziehung. Entscheidend ist wie gesagt, dass man präventiv wirkt, das heißt, dass man beispielsweise diese Steueroasen austrocknet, verhindert, dass dort gezielt Leute eingeworben werden, gezielt dafür geworben wird, dort Kapital anzulegen. Nur in einer globalisierten Welt ist das sehr schwierig, dort entsprechende Grenzen aufzubauen.

    Engels: Professor Wolfgang Joecks. Er leitet den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an der Universität Greifswald. Ich bedanke mich für das Gespräch.