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Kommentar zur Champions-League-Reform
Den Druck auf allen Ebenen erhöhen

Während eine Allianz aus Fans, Spielern, Trainern, Funktionären und Politikern die Super League verhinderte, beschloss die UEFA eine Reform der Champions League, die in ihren Grundzügen der Super League ähnelt. Die Allianz der Super-League-Gegner sollte ihren Protest weiterführen, kommentiert Klaas Reese.

Von Klaas Reese |
Fußball: Fußball: Champions League, Rückspiel im Achtelfinale, Borussia Dortmund - FC Sevilla am 09.03.2021 Die Dortmunder Fans fordern auf einer Choreografie Stop UCL Reforms. UEFA REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO. *** Football Champions League, second leg in the round of 16, Borussia Dortmund FC Sevilla on 09 03 2021 The Dortmund fans demand on a choreography Stop UCL Reforms UEFA REGULATES PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI VIDEO Copyright: xChristopherxNeundorf/Kirchner-Mediax
Ein Banner mit der Aufschrift "Stop UCL Reforms" auf der Südtribüne des Dortmunder Stadions. (IMAGO / Kirchner-Media)
Als der siegreiche König Pyrrhos I. von Epirus aus der Schlacht bei Asculum zurückkehrte, soll er gesagt haben: "Wenn wir die Römer in einer weiteren Schlacht besiegen, werden wir gänzlich verloren sein."
Ähnlich müssen sich Fußballfans fühlen, die aus dem zweitägigen Fiebertraum namens "Super League" erwachten und nun begreifen, welche tiefgreifenden Veränderungen die UEFA während des Kampfes für die Champions League beschlossen hat.
Die Gründer der "Super League" wollten ihre Gewinne maximieren und unternehmerische Planungssicherheit, indem sie einen Wettbewerb ohne Wettbewerb schufen, weil ihre Startplätze und ihre Einnahmen garantiert werden sollten.
Mit der Champions League Reform bekommen sie jetzt ein Turnier, das von 32 auf 36 Mannschaften aufgeblasen wird und jedem Teilnehmer zehn statt bisher sechs Spiele garantiert. Dazu gibt es für zwei Mannschaften eine Art Rettungsschirm, wenn sie einmal in der Liga keinen Qualifikationsplatz für die Königsklasse erreichen und trotzdem in der nächsten Saison wieder in der Champions League dabei sein können. Das ist ungefähr so, als dürfte der FC Schalke 04 auch in der nächsten Saison in der Bundesliga spielen, weil sie in der vorletzten Saison schließlich noch Vizemeister waren. Absurd.

Verhältnisse in den meisten Ligen zementiert

Dass diese Wildcards für die Top-Clubs oft gebraucht werden, ist allerdings unwahrscheinlich, denn dank der Zahlungen aus der Champions League haben sich in den meisten europäischen Ligen eh die Verhältnisse zementiert. Die Champions-League-Teilnehmer sind den anderen Vereinen ihrer Ligen meist entrückt, weil die Ungleichheit auf der Einnahmenseite jedes Jahr wächst. Bayern München hat im letzten Jahr allein in der Champions League 130 Millionen Euro verdient. So hoch ist ungefähr der Marktwert des kompletten Kaders des SC Freiburg.
Chelsea Fans protestieren in London am 20.04.2021 gegen die Pläne einer europäischen Super League. 
Die Superreichen wollen den Fußball besitzen
Die European Super League sei der Versuch einiger Superreicher gewesen, den Fußball unter ihre Kontrolle zu bringen, kommentiert Constantin Eckner.
Die UEFA, die sich in diesen Tagen als Retter des Fußballs geriert, hat den Forderungen der Großklubs in den letzten Jahren immer mehr nachgegeben. Das wurde nicht belohnt, denn hinter ihrem Rücken hat das "dreckige Dutzend" auf eigene Rechnung versucht das Leistungsprinzip auszuhebeln. UEFA-Präsident Čeferin sagt, bei der "Super League" "gehe es nur ums Geld", bei der UEFA hingegen um die "Entwicklung des Fußballs". Doch für wen wird der Fußball eigentlich entwickelt? Aktuell hauptsächlich für die Top-Clubs, denn während Deutschland, Spanien oder England gleich mehrere Startplätze für die Königsklasse erhalten, gucken Vereine etwa aus Osteuropa seit Jahren in die Röhre und dürfen jetzt in der neu geschaffenen "Conference League" die Brotkrumen aus den Kassen des europäischen Fußballs einsammeln.
Die UEFA könnte die Champions-League-Pläne jetzt neu verhandeln, denn die Drohkulisse der bekanntesten Clubs Europas ist zusammengebrochen. Konnten sie bisher stets drohen, dass sie einen eigenen Wettbewerb ohne den Verband starten, wenn die Champions League nicht nach ihren Wünschen verändert wird, so hat das Luftschloss "Super League" diesen Gebärden die Kraft genommen.
Natürlich braucht die UEFA Europas bekannteste Vereine, um ein attraktives Turnier der Champions ausspielen lassen zu können, aber die vergangene Woche hat gezeigt, dass der Verband ein größeres Selbstbewusstsein an den Tag legen kann und sich nicht mehr am Nasenring durch die Manege führen lassen muss.

Fans, Spieler, Trainer und Politik haben Super League verhindert

Zu verdanken hat die UEFA das nicht den eigenen Kampfansagen, das Profis aus der "Super League" nicht mehr an Europameisterschaften teilnehmen dürfen, sondern vor allem den Protesten von Fans, von Spielern und Trainern und dem Druck aus der Politik. Sie waren es, die klargemacht haben, dass es keine Aushebelung des Leistungsprinzips und damit eine Art Vollkaskoversicherung für die Super-League-Clubs geben soll.
Und es waren jetzt auch Spieler wie İlkay Gündoğan, die sich gegen eine Reform der Champions League aussprechen, die 225 statt bisher 125 Spiele vorsieht. Spieler und Trainer klagen schließlich seit Jahren über eine zu hohe Belastung der Sportler, die zu Verletzungen und Qualitätsverlusten führen. Die neue Königsklasse ignoriert diese Sorgen.
Die UEFA sollte allerdings besser auf Spieler, Trainer und Fans hören und in einem Dialog den Fußball wirklich weiterentwickeln, ohne dabei nur die Gewinnmaximierung im Blick zu haben. Hierzu braucht es ein gerichtsfestes Financial Fairplay und eine breitere Verteilung der Fernsehgelder, sodass der Wettbewerb in den Ligen wieder geschützt wird und nicht nur Vereine, die Investoren aufnehmen, Chancen auf Erfolg haben.
Und wenn die UEFA nicht in einen Dialog tritt? Dann sollten Fans die Corona-Zeit nutzen, um sich international zusammenzuschließen und einen Protest organisieren. In den Farben getrennt, in der Sache vereint. Insbesondere in Deutschland haben Fans schon öfter nach diesem Prinzip gehandelt und sie können vielerorts stolz darauf sein, dass sie es geschafft haben die 50+1-Regel zu erhalten, die die potenziellen Teilnehmer aus Deutschland nun resistenter gegen die Teilnahme an der "Super League" gemacht haben. So wussten der FC Bayern München und Borussia Dortmund auch stets, was die eigenen Fans von einer "Super League" halten und hatten Sorge, dass eine Teilnahme mit Liebesentzug bestraft worden wäre, was eine Beschädigung der eigenen "Marke" bedeutet hätte.

Funktionäre mit eigenen Waffen schlagen

Dieses Pfund sollten die Fußballfans jetzt einsetzen. Nachdem die Vereine ihre leidenschaftliche Bindung in den letzten Jahren immer wieder ausgenutzt haben, ist es jetzt an der Zeit die Fußballfunktionäre mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, denn nichts fürchten die Funktionäre mehr als eine Beschädigung des eigenen "Produkts".
Die Corona-Krise zeigt, wie langweilig Fußballspiele ohne Zuschauer im Stadion sind. Es zeigt sich wie sehr die emotionale Verstärkung des Spiels auf dem Rasen durch die Zuschauer auf den Tribünen den Fußball ausmacht.
Am 21.04.21 an der Stamford Bridge in London: Chelsea-Fans protestieren gegen die geplante Super League.
"UEFA ist nicht Retter des Fußballs"
Die Gründung einer Super League ist vorerst Geschichte. Beim europäischen Fußball liege dennoch viel im Argen, findet Anna-Maria Hass vom Fan-Bündnis "Zukunft Profifußball" im Dlf-Gespräch.
Mit diesem Wissen braucht es ein kollektives, gemeinschaftliches Bemühen der Fanszenen, um das Kulturgut Fußball vor dem kompletten Ausverkauf zu schützen.
Jetzt ist die Öffentlichkeit für eine Auseinandersetzung da, die die Fanzusammenschlüsse schon seit Monaten führen. Im Zusammenspiel mit Spielern, mit Trainern und der Politik sollten die UEFA-Funktionäre dazu gebracht werden ihre Veränderungen am Modus der Champions League zurückzunehmen, weil sonst der Fußball zwar globales Entertainment sein könnte, die Entkopplung der Fans von den Vereinen vor Ort aber weiter voranschreiten würde und das schöne Spiel in den ewig gleichen Duellen seinen Reiz verlieren würde. Dazu muss der Protest politischer werden und der Druck auf allen Ebenen erhöht werden.
Und alle Fußballliebhaber sollten hoffen, dass die Fans mit ihren Bemühungen erfolgreich sind, damit der Vergleich zum Pyrrhussieg nicht mehr gezogen werden muss und das Kulturgut Fußball wieder begeistern kann mit einem Wettbewerb, bei dem man vorher nicht weiß, wer am Ende gewinnt.