Nach der Abschiebung von Sami A. deuten sich gleich drei Auseinandersetzungen an:
Es dürfte erstens ein langes juristisches Tauziehen zwischen den deutschen Gerichten folgen, ob Sami A. wieder zurückkommen muss.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte verhindern wollen, dass der Tunesier abgeschoben wird und sieht sich wegen der raschen Ausreise übergangen, so Sprecher Wolfgang Thewes:
"Hier entsteht der Eindruck, dass der Rechtsstaat vorgeführt worden ist. Das Gericht hat gesagt, dass entgegen der Ansicht des Bundesamtes die Verhältnisse in Tunesien noch nicht so sich entwickelt haben, dass man eine Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung des Antragsstellers ausschließen kann."
NRW-Ministerium hat Beschwerde eingelegt
Nun hat das nordrhein-westfälische Ministerium für Flüchtlinge zusammen mit der Ausländerbehörde Bochum Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen eingelegt, nach dem Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden muss. Sie möchten, dass der Tunesier in seiner Heimat bleibt.
Der Sprecher des Uno-Flüchtlingshilfswerks, UNHCR, Chris Melzer betonte deshalb noch einmal, dass alle - auch Asylsuchende - Recht auf ein angemessenes Verfahren haben. Trotz der Debatte sieht er im Interview mit dem Deutschlandfunk den Rechtsstaat gestärkt:
"Das zeigt ja auch die Qualität des Rechtsstaates, dass die selbst in diesen Fällen sagen, das muss überprüft werden, ob das den rechtstaatlichen Kriterien entspricht, dass dieser Mensch abgeschoben werden kann, ob er in dieses Land abgeschoben werden kann. Man muss zwei Mal drüber nachdenken, aber man kommt dann doch drauf, dass es für die Qualität des Asylsystems spricht."
Rückführung zwischen Tunesien und Deutschland strittig
Die Frage der Rückführung von Sami A. in die Bundesrepublik ist - das ist die zweite Auseinandersetzung - außerdem zwischen Tunesien und Deutschland strittig.
Laut "Bild"-Zeitung haben die tunesischen Behörden Zweifel geäußert, ob sie Sami A. wieder nach Deutschland ausreisen lassen. Aufgrund der Vorwürfe sei es kaum vorstellbar, dass Sami A. so einfach nach Deutschland zurück könne.
Und der dritte Konflikt deutet sich zwischen Bund und dem Land NRW an. Denn das Land ist eigentlich für die Abschiebung zuständig, doch der politische Druck aus der Bundespolitik war zuletzt gewaltig, der Fall Sami A. galt als Symbol für mangelnde Konsequenz bei Abschiebungen.
Angela Merkel: "Dann können wir uns mit einem solchen Zustand nicht abfinden. Genauso wenig wie mit einem Zustand, dass Leibwächter von Bin Laden jahrelang sich aufhalten können."
Horst Seehofer: "Mein Ziel ist es, die Abschiebung zu erreichen. Auch in den diesem Fall: Leibwächter Bin Laden."
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer Ende Juni.
Rechtsstaatliche Prinzipien und ein Gefährder
Wurde das Land NRW unter Druck gesetzt, Sami A. loszuwerden um jeden Preis? Das ist eine Frage, die die Grünen in Nordrhein-Westfalen aufwerfen - Berivan Aymaz, flüchtlingspolitische Sprecherin, sagte im WDR:
"Das geht absolut nicht, dass wir uns hier von einem Populismus treiben lassen. Das ist inakzeptabel. Recht und Ordnung muss eingehalten werden. Die rechtstaatlichen Prinzipien sind ein hohes Gut. Und der Boden der Verfassung darf zu keinem Zeitpunkt verlassen werden."
Abgeordnete anderer Oppositionsparteien befürworten die Abschiebung, wie der Sozialdemokrat Serdar Yüksel im ZDF:
"Sami A.s Abschiebung war längst überfällig gewesen. Es handelt sich bei ihm um einen islamistischen Gefährder. Der Leibwächter von Osama bin Laden, der hier auch agiert hat. Er steht für Radikalisierung von vielen Jugendlichen in Bochum und Umgebung. Deswegen bin ich froh, dass die Abschiebung vollzogen ist."
Der Fall Sami A. muss jetzt diplomatisch, innenpolitisch sowie juristisch aufgearbeitet werden.