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Der feine Unterschied
Ist es jemals zu früh für Champagner?

Anfang des 17. Jahrhunderts galt Champagner noch als ungenießbares Gesöff - in der heutigen Zeit unvorstellbar. Kai Nakamura gilt als wahrer Kenner der Materie und kredenzt in seinem Restaurant in Frankreich die besten Tropfen des Landes.

Von Barbara Kostolnik | 04.08.2018
    Zwei Gläser mit Champagner
    Der ehemalige Investment-Banker Kai Nakamura hat nach der Lehman-Pleite die Macht des Champagners entdeckt. (picture alliance / dpa / Pekka Sakki)
    Wo liesse es sich trefflicher über das französischste aller Getränke plaudern als in den Gewölben des Hauses von Jean-Baptiste Poquelin, des französischsten aller Komödien-Dichter. Das heute ein japanisch-französisches Restaurant beherbergt, was Molière möglicherweise mit spitzer Feder karikiert hätte.
    "Der Rahmen ist typisch pariserisch, schwärmt Kai Nakamura, hier hat Molière gewohnt und hier ist er gestorben, wenn sie rauskommen, auf der anderen Seite, steht der Brunnen, der an ihn erinnert."
    Zunächst aber serviert ein Kellner kalten japanischen Tee. Es ist brüllend heiß an diesem Nachmittag und für Champagner noch ein wenig zu früh – wobei, ist es jemals zu früh für Champagner? Kai Nakamura ist der Inhaber des Restaurants, in dem Champagner und Sake die Hauptrollen spielen. Zum Gespräch hat er seine Lieblingsbücher mitgebracht, unverzichtbar für Champagner-Kenner- und Liebhaber, wie Kai einer ist: "Hier ist ein Buch von Richard Juhlin, ein exzellenter Champagner-Kenner aus Schweden übrigens, er hat viele Weingüter und Champagner-Kellereien besucht, erklärt die Verbindungen, analysiert, er vergibt keine richtigen Noten, sondern schreibt über seine Erfahrungen: ein sehr gutes Buch, auf Englisch noch dazu", lacht Kai, und greift nach einem zweiten Buch, "der Bibel", wie er es nennt, von Tom Stevenson, unter der Mitarbeit von Essi Avellan, einer der großen Champagner-Expertinnen.
    "Ich hatte das Glück, Essi Avellan zu treffen, hier hat sie mit Tom Stevenson, auch er Champagner-Fan, dieses Buch über Champagner und Sparklings, also Schaumweine weltweit geschrieben, afrikanische Schaumweine, deutsche, Österreicher. Ein geniales, umfassendes Werk über alles was perlt."
    Arbeit mit "echten Werten"
    Der ehemalige Investment-Banker Kai Nakamura hat nach der Lehman-Pleite die Macht der Bulles, also des Champagners entdeckt. Über einen deutsch-französischen Jugend-Freund, der ein paar Hektar kostbaren Champagner-Bodens besitzt und Kai dort wieder auf die Beine half.
    "Nach dem Lehman-Schock hatten alle alles verloren – und dort hab ich mir gesagt, hey, wir befinden uns auf der Erde, und diese Produkte, Äpfel, Trauben, die sind nicht an dem einen Tag 1000 und am nächsten Null wert, oder weniger als Null. Das hat mir zu denken gegeben, und so habe ich angefangen, mit dem Champagner, mit echten Werten zu arbeiten."
    Zurück in Paris eröffnete er 2012 zunächst das "Muselet", ein Geheimtipp unter Champagner-Freunden, Muselet ist der Draht, der den Korken auf der Flasche hält: "Der Plan war ein Champagner-Atelier in Paris, ich habe 15 kleine Winzer aus der Region ausgewählt, ganz unterschiedliche und dann haben wir Verkostungen gemacht: am Anfang waren das drei Gläser Champagner für neun Euro, wie in der Champagne."
    Im Muselet kredenzte Kai Nakamura Me(t)s Champagne – sprich Menus mit passender Champagnerbegleitung. Es gab ausgesuchte Millésimes, Blancs de Blancs zu Fisch, Fleisch, und nicht nur zum Apéritif.
    "Das ist ja eine Mär, dass Champagner nur zum Aperitif oder zum Dessert getrunken werden kann, er passt ausgezeichnet zum Essen."
    Das Muselet ist mittlerweile – leider, möchte man sagen – geschlossen. Aus Zeitmangel. Da Kai Nakamura in der Zwischenzeit ein weiteres Champagner-Experiment eingeläutet hatte: das Enyaa. Eben jenes japanische Restaurant hinter dem Palais Royal, in dem Sake und, natürlich, Champagner die Menus begleiten. Welchen Champagner er für den besten hält, verrät er natürlich nicht, aber aus welchem Glas trinkt der Kenner den edlen Stoff? Flöte oder Kelch?
    "Weder noch: ein simples Weinglas reicht völlig."