Donnerstag, 25. April 2024

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"Der gefühllose Konservative"

"Wie immer wird es vermutlich so sein, dass man Romney relativ wenig glaubt", prognostiziert der Politologe Christian Hacke zur anstehenden Nominierungsrede von US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. Romneys Spitzname "Flip Flop" stehe dafür, dass "er eigentlich wie eine Wetterfahne zu den Sachfragen steht".

Christian Hacke im Gespräch mit Silvia Engels | 30.08.2012
    Christian Hacke: Also wie wir gelesen und gehört haben, hat die Regie des Parteitages das versucht, eben auszumerzen, um es mal so zu sagen. Aber so was taucht immer mal auf bei Parteitagen. Hier war es vielleicht etwas extrem. Man darf nicht vergessen, dass auch andere Mitbewerber sich kritisch geäußert haben. Das ist, glaube ich, jetzt nicht entscheidend. Jetzt muss man nach vorne schauen, die wichtigen Reden sehen und dann eben abwarten, wie die Gesamtbilanz ausfallen wird.

    Silvia Engels: Wenn wir bei den Republikanern bleiben, hat Mitt Romney ja tatsächlich auch noch Gegner im eigenen Lager, aber die sind vor allen Dingen im ultrakonservativen Lager. Muss er in seiner anstehenden Rede also vor allem diesen Flügel bedienen?

    Hacke: Das wird schwierig zu sagen sein. Ich vermute mal, dass Romney es allen recht machen will, wie er es bisher immer getan hat. Er kann eine Parteitagsrede jetzt und die Nominierungsrede jetzt nach Antritt nicht nur auf das innerparteiliche Lager konzentrieren. Er wird vor allem versuchen, die Amerikaner anzusprechen, also außerhalb des Parteitages, und da wird er alles abzudecken versuchen: innerhalb der Partei natürlich die Konservativen, auch die Moderaten und wie gesagt auch die ganzen verschiedenen Aspekte der amerikanischen Bevölkerung. Es wird ein Rundumschlag werden und wie immer wird es vermutlich so sein, dass man Romney relativ wenig glaubt, denn der Spitzname Flip-Flop, den er sich eingehandelt hat seit vielen Monaten, der steht ja dafür, dass er eigentlich wie eine Wetterfahne zu den Sachfragen steht.

    Engels: Das ist sein eines Problem. Zum anderen hat er immer in Umfragen, aber auch in seinem republikanischen Lager damit zu hadern, dass er als zu abgehoben und als zu hölzern empfunden wird. Muss er in seiner Rede auch darauf eingehen, oder kann er das ignorieren, weil ja seine Ehefrau, Ann Romney, sehr für ihn geworben hat, was diesen Aspekt angeht?

    Hacke: Ich denke, es gibt einen Begriff, der auf ihn zutrifft: Das ist der gefühlslose Konservative, und das wird er so schnell nicht los werden. Das zeigt sich in all seinen Stellungnahmen, eben auch zur Sozialpolitik, zu Frauenfragen und vielem mehr, dass er nun nicht gerade eine soziale Ader hat, ist deutlich geworden. Und gefühlloser Konservatismus ist schon gefährlich in dieser Situation, wo die Schere zwischen Arm und Reich größer geworden ist, insgesamt die Polarisierung in den USA zugenommen hat. Ich glaube, dass er große Schwierigkeiten haben wird, diese Beschreibung von sich zu weisen.

    Engels: So oder so werden in jedem Fall innenpolitische Themen auf diesem Parteitag eine zentrale Rolle spielen. Da fällt fast ein bisschen aus dem Blick, dass die Republikaner ja schon ein Wahlprogramm verabschiedet haben, wo beim Stichwort Außenpolitik vor allen Dingen auffällt, dass Europa gedrängt wird, mehr Geld für Militär auszugeben, der Vormachtsanspruch der USA in der Welt bekräftigt wird. Gibt das ernsthafte Hinweise auf eine mögliche Außenpolitik eines möglichen Präsidenten Romney, oder ist das alles politische Folklore?

    Hacke: Sie haben zurecht gesagt, Frau Engels, dass die Außenpolitik keine zentrale Rolle spielt im Wahlkampf. Das ist richtig. Aber für den Rest der Welt ist es interessant, und hier muss man sagen, das ist die Achillesferse von Mitt Romney. Das ist paradox, denn Republikaner haben traditionell in der Außenpolitik im Wahlkampf immer mehr gepunktet. Aber hier ist es umgekehrt: erstens, weil Präsident Obama sich kaum eine Blöße gegeben hat in der Außenpolitik, und zum zweiten, weil Mitt Romney sowohl bei seinen Auslandsreisen nicht besonders punkten konnte, sondern sehr hölzern wirkte beziehungsweise wenn er frei sprechend auftrat oder irgendwas versuchte, Passendes zu sagen wie in London bei den Olympischen Spielen, war es nachher unpassend. Also er wirkt nicht überzeugend in der Außenpolitik. Und vergessen wir nicht: Es ist auch symptomatisch, dass kein renommierter außenpolitischer Berater oder kein renommierter Außenpolitiker des pragmatischen Flügels der Republikaner sich positiv über Romney geäußert hat. Das gilt übrigens insgesamt für das Establishment und zeigt, wie umstritten auch Romney in der eigenen Partei ist, und das könnte die Achillesferse werden, wenn der eigene Apparat nicht voll hinter ihm steht, und das wirkt sich natürlich auch negativ im Wahlkampf aus.

    Engels: Dann schauen wir nach vorne auf das bevorstehende Ringen zwischen Präsident Obama und seinem nun feststehenden Herausforderer Romney. Sie haben es selbst angesprochen: Eine Polarisierung des Wahlkampfs, die sich weiter zuspitzt, ist zu erwarten. Hat an dieser Lagerbildung vor allen Dingen Romney, oder Obama das stärkere Interesse?

    Hacke: Die Lagerbildung ist von den Republikanern forciert worden. Ich glaube, dass der Rechtsruck der Republikaner ganz gefährlich ist für die politische Kultur der USA. Die Republikaner haben durch ihre Blockadepolitik seit Jahren das politische System gelähmt. Zweitens glaube ich auch, dass Romney und andere durch die außenpolitischen Vorstellungen nicht in der internationalen Politik gepunktet haben und Amerikas Rolle, glaube ich, eher gefährden – Stichwort Militarisierung. Und drittens, dass sie indirekt natürlich hier auch Staat und Gesellschaft in einer Weise gefährden, dass hier die Modernisierung nicht vorankommt – Stichwort Modernisierung und Reformen. Das ist im Wahlkampf der Republikaner nicht zu sehen. Der Wahlkampf ist deshalb, finde ich, kein Wettstreit bisher um die besten Ideen, um das Land voranzubringen, sondern es sind vor allem die Republikaner, die die Spaltung vertieft haben in links und rechts, Arm und Reich, wenn Sie so wollen, Stadt und Land. Hier sind wirklich Dinge passiert, die in der amerikanischen Kultur, in der politischen Kultur zwar schon mal waren, wir haben auch harte Wahlkämpfe gehabt, aber jetzt, glaube ich, haben wir einen Negativwahlkampf erreicht und das haben weitgehend die Republikaner zu verantworten. Es wird einen landslide victory für Obama geben, denke ich, aber vielleicht ist da auch zu viel Wunschdenken von mir dabei.

    Schulz: Der US-Kenner Christian Hacke im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Silvia Engels.


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