Müller: Überrascht war fast jeder, auch die meisten in der Union. Ruprecht Polenz hat überraschend den Hut als Generalsekretär der CDU nach nur sechs Monaten im Amt genommen. Dabei hatten sich die Christdemokraten in den Sommermonaten wieder politisch aufgerafft, gegenüber rot/grün Punkte gut gemacht: dank hoher Ölpreise und der Ökosteuer. Doch bereits die laufende Auseinandersetzung um die Zuwanderung hat parteiintern wieder für heftigen Wirbel gesorgt. Nicht zuletzt die Vorstöße von Fraktionschef Friedrich Merz sind in den eigenen Reihen umstritten, und nun der Rücktritt von Polenz. Der neue Mann soll es nun richten, Laurenz Meyer wie sein Vorgänger aus Nordrhein-Westfalen. Wo steht die Union? Wie geht es weiter in der Partei? Darüber wollen wir uns nun unterhalten mit Alois Glück, Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag. Guten Morgen!
Glück: Guten Morgen.
Müller: Herr Glück, "ich bin eher jemand, der Brücken baut" sagte gestern Ruprecht Polenz zum Abschied. War er damit der falsche Mann für die CDU?
Glück: Er hat sich glaube ich selbst in der Rolle nicht wohl gefühlt, denn natürlich ist ja auch die Aufgabe des Generalsekretärs, neben dem internen Management auch nach außen die Politik zu verkörpern und zuzuspitzen. Der Generalsekretär muss auch der Mann der Campagnen sein. Das war wohl weniger seine Welt. Das lag ihm nicht so sehr. Insofern finde ich hat er sehr souverän eine Entscheidung getroffen.
Müller: War er zu wenig konfrontativ?
Glück: Ja. Die Zuspitzung gehört natürlich gerade in der heutigen Medienlandschaft, in der die Jagd nach der Schlagzeile nach der Nachricht die Aufmerksamkeit erregt, ganz wesentlich dazu, leider kann man hinzufügen, aber es ist so, wo die Frage immer sehr relevant ist, wer ist gegen wen und all diese Personalisierungen. In einer solchen Medienlandschaft sind auch solche Eigenschaften für einen Generalsekretär unverzichtbar.
Müller: Spielten dabei auch die politischen Inhalte der Union eine Rolle?
Glück: Das glaube ich weniger, denn ich habe nirgendwo festgestellt, dass es hier Differenz gegeben hat, sondern dass es in dem Fall wohl mehr um das organisieren nach außen und um diese Fragen ging. Dazu muss man sehen, dass die CDU insgesamt natürlich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess ist und von daher gesehen sicher auch die Aufgabe des Generalsekretärs in einer Situation, in der die ganze Führungsebene fast ausgewechselt wurde, die schon ohne Parteispendenaffäre, also in Normalzeiten eine tiefe Zensur für eine Partei ist, natürlich auch die Situation für einen Generalsekretär sicher besonders schwierig ist.
Müller: Nun war, Herr Glück, Polenz ein Mann von Frau Merkel. Hat die Union das falsche Personal?
Glück: Nein. Natürlich hat Frau Merkel letztlich diese Entscheidung getroffen, aber das heißt ja noch nicht, dass deswegen irgendwo Fehlentscheidungen größeren Ausmaßes getroffen worden wären. So etwas ist jetzt damit korrigiert worden. Da sehe ich also kein Führungsproblem von Seiten der Vorsitzenden. Im übrigen glaube ich, dass mit Laurenz Meyer eine sehr, sehr gute Entscheidung getroffen wurde für dieses Amt mit diesen speziellen Anforderungen. Ich kenne ihn aus der Zeit des Fraktionsvorsitzenden in Düsseldorf. Er war ein starker Oppositionsführer. Insofern bringt er vielleicht schon ganz spezifische Erfahrungen mit für die Aufgaben, die er auch als Generalsekretär vor sich hat.
Müller: Er bringt also spezifische Aufgaben mit sich. Das heißt Polenz hat die damals vor einem halben Jahr, als er angetreten ist, nicht gehabt?
Glück: Möglicherweise hat ihm dieser Teil der Erfahrung gefehlt. Er war in einer Bundestagsfraktion, die in der Regierung war. Es ist etwas anderes, aus der Opposition heraus agieren zu müssen. Das sagt aber nichts gegen die Qualitäten des Politikers Polenz. Er hat sich aber offenbar selbst in der Rolle nicht wohl gefühlt, die er als Generalsekretär auszufüllen hatte. Das ist einfach zu respektieren, ohne dass man das besonders dramatisieren müßte.
Müller: Zahlreiche Kommentatoren, Herr Glück, haben heute Morgen in den Tageszeitungen geschrieben, Polenz war ein Bauernopfer. Haben die Recht?
Glück: Nein, das kann ich überhaupt nicht sehen. Das ist halt der Versuch ständig ein Personalspiel weiterzutreiben. Der Journalismus neigt ja immer zu personellen Aufgeregtheiten. Da ist gar der deutsche Fußball in der Krise, wenn der Herr Daum in der Krise ist. Da ist gleich die CDU in der Krise oder wird weis Gott wieder was vermutet, wenn solch eine Entscheidung getroffen wurde. Das sind dann die journalistischen Selbstläufer, genauso wie es war mit der Äußerung von Friedrich Merz zur Leitkultur. Da hat keiner mehr gefragt, was hat er denn eigentlich gesagt in dem Interview, sondern jeder hat ohne Kenntnis seiner Aussage über Merz und seine Äußerung geredet. Das ist unglaubliche Oberflächlichkeit ich sage mal von beiden Seiten, von Seiten der Politiker, die sich in der Weise äußern, und von Seiten der Journalisten, die nicht die primitivste Form der Recherche dabei praktizieren, was hat er denn eigentlich gesagt, sondern sich ein Wort greifen und dann zum großen Hammer greifen. So laufen leider Gottes weitgehend die ganzen politischen Debatten gegenwärtig.
Müller: Herr Glück, was Sie jetzt den Medien unterstellen müssen Sie vermutlich, wie Sie es gerade angedeutet haben, auch den Politikern in den eigenen Reihen unterstellen.
Glück: Ich sagte ja, ich schiebe es gar nicht einseitig auf die Medien. Es ist manchmal ein unheilvolles Zusammenspiel. Man kriegt dann im Interview einen Brocken hingeworfen, was sagen sie denn zu den Äußerungen von Herrn Merz. Da sagt aber keiner, was hat er denn eigentlich gesagt, und so läuft halt leider Gottes die Maschinerie.
Müller: Das heißt die eigenen Parteifreunde haben die Äußerung von Merz auch nicht richtig gelesen und verstanden?
Glück: Es scheint so, aber die Journalisten dürfen sich das genauso an den Hut stecken. Es ist unglaubliche Oberflächlichkeit in unseren politischen Debatten.
Müller: Reden wir über eine Aussage Ihres Parteifreunds Günther Beckstein, Innenminister in Bayern. Der sagt, was die strategischen Fähigkeiten von Herrn Merz betrifft gehöre ich offen gesagt nicht zu seinen glühendsten Bewunderern. Sie auch nicht?
Glück: Diese Meinung von Beckstein wird bei uns nicht geteilt. Das hat auch der Parteivorsitzende Stoiber deutlich zum Ausdruck gebracht und ich habe auch persönlich eine andere Einschätzung. Günther Beckstein hat im selben Interview Friedrich Merz gelobt. Das ist seine Meinung, die kann er haben, aber die wird von uns nicht geteilt.
Müller: Haben Sie das Steuerdebakel vergessen?
Glück: Das Steuerdebakel hat Friedrich Merz souverän in der Sache agiert. Was am Schluss im Bundesrat war, war ein tiefer Riss in die CDU hinein auch gegenüber den anderen Ministerpräsidenten. Das war doch nicht ein Alleingang von Friedrich Merz. Man hat in der CDU vereinbart, wenn sich ein Regierungschef nicht mehr in der Lage sieht, aufgrund verlockender Angebote in der Position zu bleiben, wird das rechtzeitig mitgeteilt und dann gibt es eine erneute Präsidiumssitzung. Von anderen sind die Spielregeln dann nicht eingehalten worden. Die Ministerpräsidenten Vogel, Biedenkopf, Teufel und Koch haben sich genauso brüskiert gefühlt wie andere.
Müller: Ist, Herr Glück, ein Riss, wie Sie es beschrieben haben, ein tiefer Riss in der CDU keine Krise?
Glück: Es war ein tiefer Riss in Zusammenhang mit der Steuerfrage, nicht generell. Das habe ich nicht gesagt. Es war damals im Bundesrat aber in der Tat dann ein tiefer Vertrauenskonflikt da in der Art, wie es gelaufen ist. Ich denke aber, das ist mittlerweile aufgearbeitet. Ansonsten kann ich nicht erkennen, dass in der CDU ein tiefer Riss wäre. Es gibt jedoch einige Themen, wo sich die Partei erneut erst zusammendiskutieren muss, nachdem halt in den letzten Jahren inhaltliche Weiterentwicklungen und Klärungen kaum mehr stattgefunden haben.
Müller: Auch Ihr Parteifreund Glos sagt, Merz leidet unter Autoritätsverlust in der eigenen Fraktion. Sieht er das falsch?
Glück: Natürlich hat jemand, den man in der Weise versucht zu attackieren, wie in den letzten acht Tagen, Blessuren. Deswegen ist er nach meiner Einschätzung nicht nachhaltig irgendwo getroffen. Solche Phasen wird fast jeder von uns erleben, der in einem exponierten Führungsamt ist. Friedrich Merz hat auf jeden Fall aus meiner Sicht die Substanz, um ein guter Fraktionsführer zu sein.
Müller: Die Konstellation, die jetzt im Personalkarussell ist, Merkel/Merz/Meyer, ist das die richtige Konstellation für den Wahlkampf?
Glück: Ich glaube es ist die richtige Konstellation für die CDU. Wie dann die Personalentscheidungen für den Wahlkampf einmal aussehen werden, das ist ein Thema, das Anfang 2002 zu entscheiden ist, mit welchen Themen, mit welcher Art von Organisation und mit welcher Spitzenkandidatur. Ich glaube, dass gegenwärtig die CDU auch personell richtig aufgestellt ist.
Müller: Das heißt die CDU-Chefin ist nicht automatisch auch Kanzlerkandidatin?
Glück: Automatisch ist es niemand.
Müller: Wer spielt denn dann noch eine Rolle?
Glück: Das ist alles eine Frage, die wir Anfang 2002 entscheiden müssen und wo es keinen Sinn gibt, jetzt Personalüberlegungen und Spekulationen anzustellen. Wir haben momentan in der Tat eben andere Aufgaben, nämlich inhaltlicher Art die Politik zu formulieren. Jede Personaldebatte lenkt ab von dem, was inhaltlich zu tun ist. Deswegen sind diese Selbstläufer letztlich ja auch so schädlich und so bequem für die Regierung.
Müller: Herr Glück, Sie haben auch von Zuspitzung gesprochen. Zuspitzung gab es bei der Steuerreform. Das ist dann in einem Debakel gemündet. Wir haben es eben angesprochen. Der nächste umstrittene inhaltliche Punkt, der für viel Wirbel sorgt, ist die Rente. Wird man dort auch diese Konfrontationshaltung durchhalten oder Zugeständnisse machen?
Glück: Wir haben überhaupt keine Konfrontationshaltung. Wo haben wir denn eine Konfrontationshaltung? Wir haben der Regierung, denselben Leuten, die sich im Wahljahr 1998 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik geweigert haben, in einer Zusammenarbeit von Regierung und Opposition die Rentenfragen zu beschließen, was immer Tradition war in Deutschland, keine Konfrontation entgegengehalten. Schröder und Co. Haben sich geweigert aus wahltaktischen Gründen. Gleichwohl haben die damaligen Parteivorsitzenden Schäuble und Stoiber der neuen Regierung angeboten, in der Rentenfrage zusammenzuarbeiten. Entsprechende Gespräche haben stattgefunden. Die Bundesregierung hat mittlerweile eine ganze Reihe von Vorschlägen der Union übernommen, weil sie gesehen haben, dass dies die besseren sind. Wir haben immer erklärt - und das gilt nach wie vor -, wir sind grundsätzlich bereit, in der Rentenreform mitzuwirken und mit Verantwortung zu übernehmen, unter der Voraussetzung, dass wesentliche inhaltliche Themen aus unserer Sicht auch richtig entschieden werden. Davon wird es am Schluss abhängen. Es gibt eine außerordentlich kooperative und ebenso kompetente Opposition in der Rentenpolitik. Wir haben jetzt in den letzten Monaten die Entwicklungen der Rentendiskussion geprägt und nicht der Herr Riester.
Müller: Alois Glück war das, Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.
Link: Interview als RealAudio
Glück: Guten Morgen.
Müller: Herr Glück, "ich bin eher jemand, der Brücken baut" sagte gestern Ruprecht Polenz zum Abschied. War er damit der falsche Mann für die CDU?
Glück: Er hat sich glaube ich selbst in der Rolle nicht wohl gefühlt, denn natürlich ist ja auch die Aufgabe des Generalsekretärs, neben dem internen Management auch nach außen die Politik zu verkörpern und zuzuspitzen. Der Generalsekretär muss auch der Mann der Campagnen sein. Das war wohl weniger seine Welt. Das lag ihm nicht so sehr. Insofern finde ich hat er sehr souverän eine Entscheidung getroffen.
Müller: War er zu wenig konfrontativ?
Glück: Ja. Die Zuspitzung gehört natürlich gerade in der heutigen Medienlandschaft, in der die Jagd nach der Schlagzeile nach der Nachricht die Aufmerksamkeit erregt, ganz wesentlich dazu, leider kann man hinzufügen, aber es ist so, wo die Frage immer sehr relevant ist, wer ist gegen wen und all diese Personalisierungen. In einer solchen Medienlandschaft sind auch solche Eigenschaften für einen Generalsekretär unverzichtbar.
Müller: Spielten dabei auch die politischen Inhalte der Union eine Rolle?
Glück: Das glaube ich weniger, denn ich habe nirgendwo festgestellt, dass es hier Differenz gegeben hat, sondern dass es in dem Fall wohl mehr um das organisieren nach außen und um diese Fragen ging. Dazu muss man sehen, dass die CDU insgesamt natürlich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess ist und von daher gesehen sicher auch die Aufgabe des Generalsekretärs in einer Situation, in der die ganze Führungsebene fast ausgewechselt wurde, die schon ohne Parteispendenaffäre, also in Normalzeiten eine tiefe Zensur für eine Partei ist, natürlich auch die Situation für einen Generalsekretär sicher besonders schwierig ist.
Müller: Nun war, Herr Glück, Polenz ein Mann von Frau Merkel. Hat die Union das falsche Personal?
Glück: Nein. Natürlich hat Frau Merkel letztlich diese Entscheidung getroffen, aber das heißt ja noch nicht, dass deswegen irgendwo Fehlentscheidungen größeren Ausmaßes getroffen worden wären. So etwas ist jetzt damit korrigiert worden. Da sehe ich also kein Führungsproblem von Seiten der Vorsitzenden. Im übrigen glaube ich, dass mit Laurenz Meyer eine sehr, sehr gute Entscheidung getroffen wurde für dieses Amt mit diesen speziellen Anforderungen. Ich kenne ihn aus der Zeit des Fraktionsvorsitzenden in Düsseldorf. Er war ein starker Oppositionsführer. Insofern bringt er vielleicht schon ganz spezifische Erfahrungen mit für die Aufgaben, die er auch als Generalsekretär vor sich hat.
Müller: Er bringt also spezifische Aufgaben mit sich. Das heißt Polenz hat die damals vor einem halben Jahr, als er angetreten ist, nicht gehabt?
Glück: Möglicherweise hat ihm dieser Teil der Erfahrung gefehlt. Er war in einer Bundestagsfraktion, die in der Regierung war. Es ist etwas anderes, aus der Opposition heraus agieren zu müssen. Das sagt aber nichts gegen die Qualitäten des Politikers Polenz. Er hat sich aber offenbar selbst in der Rolle nicht wohl gefühlt, die er als Generalsekretär auszufüllen hatte. Das ist einfach zu respektieren, ohne dass man das besonders dramatisieren müßte.
Müller: Zahlreiche Kommentatoren, Herr Glück, haben heute Morgen in den Tageszeitungen geschrieben, Polenz war ein Bauernopfer. Haben die Recht?
Glück: Nein, das kann ich überhaupt nicht sehen. Das ist halt der Versuch ständig ein Personalspiel weiterzutreiben. Der Journalismus neigt ja immer zu personellen Aufgeregtheiten. Da ist gar der deutsche Fußball in der Krise, wenn der Herr Daum in der Krise ist. Da ist gleich die CDU in der Krise oder wird weis Gott wieder was vermutet, wenn solch eine Entscheidung getroffen wurde. Das sind dann die journalistischen Selbstläufer, genauso wie es war mit der Äußerung von Friedrich Merz zur Leitkultur. Da hat keiner mehr gefragt, was hat er denn eigentlich gesagt in dem Interview, sondern jeder hat ohne Kenntnis seiner Aussage über Merz und seine Äußerung geredet. Das ist unglaubliche Oberflächlichkeit ich sage mal von beiden Seiten, von Seiten der Politiker, die sich in der Weise äußern, und von Seiten der Journalisten, die nicht die primitivste Form der Recherche dabei praktizieren, was hat er denn eigentlich gesagt, sondern sich ein Wort greifen und dann zum großen Hammer greifen. So laufen leider Gottes weitgehend die ganzen politischen Debatten gegenwärtig.
Müller: Herr Glück, was Sie jetzt den Medien unterstellen müssen Sie vermutlich, wie Sie es gerade angedeutet haben, auch den Politikern in den eigenen Reihen unterstellen.
Glück: Ich sagte ja, ich schiebe es gar nicht einseitig auf die Medien. Es ist manchmal ein unheilvolles Zusammenspiel. Man kriegt dann im Interview einen Brocken hingeworfen, was sagen sie denn zu den Äußerungen von Herrn Merz. Da sagt aber keiner, was hat er denn eigentlich gesagt, und so läuft halt leider Gottes die Maschinerie.
Müller: Das heißt die eigenen Parteifreunde haben die Äußerung von Merz auch nicht richtig gelesen und verstanden?
Glück: Es scheint so, aber die Journalisten dürfen sich das genauso an den Hut stecken. Es ist unglaubliche Oberflächlichkeit in unseren politischen Debatten.
Müller: Reden wir über eine Aussage Ihres Parteifreunds Günther Beckstein, Innenminister in Bayern. Der sagt, was die strategischen Fähigkeiten von Herrn Merz betrifft gehöre ich offen gesagt nicht zu seinen glühendsten Bewunderern. Sie auch nicht?
Glück: Diese Meinung von Beckstein wird bei uns nicht geteilt. Das hat auch der Parteivorsitzende Stoiber deutlich zum Ausdruck gebracht und ich habe auch persönlich eine andere Einschätzung. Günther Beckstein hat im selben Interview Friedrich Merz gelobt. Das ist seine Meinung, die kann er haben, aber die wird von uns nicht geteilt.
Müller: Haben Sie das Steuerdebakel vergessen?
Glück: Das Steuerdebakel hat Friedrich Merz souverän in der Sache agiert. Was am Schluss im Bundesrat war, war ein tiefer Riss in die CDU hinein auch gegenüber den anderen Ministerpräsidenten. Das war doch nicht ein Alleingang von Friedrich Merz. Man hat in der CDU vereinbart, wenn sich ein Regierungschef nicht mehr in der Lage sieht, aufgrund verlockender Angebote in der Position zu bleiben, wird das rechtzeitig mitgeteilt und dann gibt es eine erneute Präsidiumssitzung. Von anderen sind die Spielregeln dann nicht eingehalten worden. Die Ministerpräsidenten Vogel, Biedenkopf, Teufel und Koch haben sich genauso brüskiert gefühlt wie andere.
Müller: Ist, Herr Glück, ein Riss, wie Sie es beschrieben haben, ein tiefer Riss in der CDU keine Krise?
Glück: Es war ein tiefer Riss in Zusammenhang mit der Steuerfrage, nicht generell. Das habe ich nicht gesagt. Es war damals im Bundesrat aber in der Tat dann ein tiefer Vertrauenskonflikt da in der Art, wie es gelaufen ist. Ich denke aber, das ist mittlerweile aufgearbeitet. Ansonsten kann ich nicht erkennen, dass in der CDU ein tiefer Riss wäre. Es gibt jedoch einige Themen, wo sich die Partei erneut erst zusammendiskutieren muss, nachdem halt in den letzten Jahren inhaltliche Weiterentwicklungen und Klärungen kaum mehr stattgefunden haben.
Müller: Auch Ihr Parteifreund Glos sagt, Merz leidet unter Autoritätsverlust in der eigenen Fraktion. Sieht er das falsch?
Glück: Natürlich hat jemand, den man in der Weise versucht zu attackieren, wie in den letzten acht Tagen, Blessuren. Deswegen ist er nach meiner Einschätzung nicht nachhaltig irgendwo getroffen. Solche Phasen wird fast jeder von uns erleben, der in einem exponierten Führungsamt ist. Friedrich Merz hat auf jeden Fall aus meiner Sicht die Substanz, um ein guter Fraktionsführer zu sein.
Müller: Die Konstellation, die jetzt im Personalkarussell ist, Merkel/Merz/Meyer, ist das die richtige Konstellation für den Wahlkampf?
Glück: Ich glaube es ist die richtige Konstellation für die CDU. Wie dann die Personalentscheidungen für den Wahlkampf einmal aussehen werden, das ist ein Thema, das Anfang 2002 zu entscheiden ist, mit welchen Themen, mit welcher Art von Organisation und mit welcher Spitzenkandidatur. Ich glaube, dass gegenwärtig die CDU auch personell richtig aufgestellt ist.
Müller: Das heißt die CDU-Chefin ist nicht automatisch auch Kanzlerkandidatin?
Glück: Automatisch ist es niemand.
Müller: Wer spielt denn dann noch eine Rolle?
Glück: Das ist alles eine Frage, die wir Anfang 2002 entscheiden müssen und wo es keinen Sinn gibt, jetzt Personalüberlegungen und Spekulationen anzustellen. Wir haben momentan in der Tat eben andere Aufgaben, nämlich inhaltlicher Art die Politik zu formulieren. Jede Personaldebatte lenkt ab von dem, was inhaltlich zu tun ist. Deswegen sind diese Selbstläufer letztlich ja auch so schädlich und so bequem für die Regierung.
Müller: Herr Glück, Sie haben auch von Zuspitzung gesprochen. Zuspitzung gab es bei der Steuerreform. Das ist dann in einem Debakel gemündet. Wir haben es eben angesprochen. Der nächste umstrittene inhaltliche Punkt, der für viel Wirbel sorgt, ist die Rente. Wird man dort auch diese Konfrontationshaltung durchhalten oder Zugeständnisse machen?
Glück: Wir haben überhaupt keine Konfrontationshaltung. Wo haben wir denn eine Konfrontationshaltung? Wir haben der Regierung, denselben Leuten, die sich im Wahljahr 1998 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik geweigert haben, in einer Zusammenarbeit von Regierung und Opposition die Rentenfragen zu beschließen, was immer Tradition war in Deutschland, keine Konfrontation entgegengehalten. Schröder und Co. Haben sich geweigert aus wahltaktischen Gründen. Gleichwohl haben die damaligen Parteivorsitzenden Schäuble und Stoiber der neuen Regierung angeboten, in der Rentenfrage zusammenzuarbeiten. Entsprechende Gespräche haben stattgefunden. Die Bundesregierung hat mittlerweile eine ganze Reihe von Vorschlägen der Union übernommen, weil sie gesehen haben, dass dies die besseren sind. Wir haben immer erklärt - und das gilt nach wie vor -, wir sind grundsätzlich bereit, in der Rentenreform mitzuwirken und mit Verantwortung zu übernehmen, unter der Voraussetzung, dass wesentliche inhaltliche Themen aus unserer Sicht auch richtig entschieden werden. Davon wird es am Schluss abhängen. Es gibt eine außerordentlich kooperative und ebenso kompetente Opposition in der Rentenpolitik. Wir haben jetzt in den letzten Monaten die Entwicklungen der Rentendiskussion geprägt und nicht der Herr Riester.
Müller: Alois Glück war das, Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.
Link: Interview als RealAudio