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Der Gipfel der Erwartungen

Nicht nur Scheinlösungen, sondern gute Perspektiven: Das wünschen sich viele europäische Jugendliche vom Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs, die in Berlin über Jugendarbeitslosigkeit beraten. Auf dem zeitgleich stattfindenden alternativen Jugendgipfel wird vor allem ein Ende der Sparpolitik gefordert.

Von Verena Herb | 03.07.2013
    Sie machen Krach. Wollen aufmerksam machen auf die Situation in ihren Nationen – die rund 300 Jugendlichen, die vor dem Bundeskanzleramt demonstrieren. Schilder, auf denen deutlich die Initialen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu lesen sind, werden hochgehoben. Es wird getrommelt und gepfiffen. Benedict ist Mitglied der DGB-Jugend in Rheinland-Pfalz. Er ist extra heute angereist, um Flagge zu zeigen:

    "Wir erwarten ein starkes Signal an die Politik, die sich ja hier vor Ort trifft. Richtig gute Perspektiven zu geben und nicht nur solche Scheinlösungen, wie sie Merkel und Hollande anbieten. Wir erwarten mehr als die sechs Milliarden Euro – die sind bei Weitem nicht genug, um allen Jugendlichen in Europa ne faire Chance zu geben."

    Benedict war schon am Vormittag beim alternativen Jugendgipfel dabei, zu dem der Deutsche Gewerkschaftsbund ins Tipi, einem Veranstaltungszelt, gleich neben dem Kanzleramt geladen hatte. Jugendliche aus Polen und Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich und Irland sind gekommen, um zu erzählen, wie es aussieht in ihrem Land. Die Arbeitslosenquoten der Menschen zwischen 16 und 25 Jahren sind erschreckend: Rund 27 Prozent in Frankreich, Irland und Polen haben keine Arbeit – schlimmer ist die Situation in Italien und Portugal: Über 40 Prozent suchen einen Job.

    "Die Jugend in Portugal hat keine Hoffnung in die Zukunft. Wir können keine Familien aufbauen, wir können nicht von Zuhause ausziehen. Tagtäglich suchen wir Arbeit – wir klopfen an jede Tür und finden einfach keine Arbeit."

    Erzählt Bruno aus Lissabon. Barry aus Irland steht neben ihm auf der Bühne und nickt zustimmend. In seinem Land sind 26,5 Prozent der jungen Iren ohne Arbeit. Viele von ihnen bleiben länger im College, weil sie sonst nicht wissen was sie tun sollen. Die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse wächst, berichtet er:

    "Wir sind das fünft ärmste Land in Europa. Und das liegt alleine an den Sparmaßnahmen, die wir von der EU aufgezwungen bekommen. Sie wirken nicht. Es werden keine Jobs geschaffen, es gibt auch keine Aussicht auf neue Jobs. Das ist doch Wahnsinn. Immer mehr Leute werden aus dem Land gedrängt. Klar: Man braucht auch keine neue Arbeit, wenn keine jungen Leute mehr da sind, um sie zu tun."

    Emigration ist ein großes Thema, nicht nur in Irland – immer mehr Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren, besonders aus Südeuropa, verlassen ihre Heimat. Salvatore, ein Vertreter der Gewerkschaftsjugend aus Italien:

    "Es gibt eine Menge Misstrauen in Italien momentan. Wir trauen der Politik nicht, wir trauen der Gesellschaft nicht. Es gibt einfach einen Mangel an Zuversicht, an den Glauben an die Grundprinzipien der Europäischen Union."

    Die Politik versucht gegenzusteuern: Bereits im Februar haben die EU-Arbeitsminister eine sogenannte Jugendgarantie beschlossen. So, wie es sie bereits in Finnland oder auch Österreich gibt. Sie besagt, dass junge Leute unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten nach Ende ihrer Ausbildung oder nach einem Jobverlust eine neue Stelle, einen neuen Ausbildungsplatz oder zumindest ein Praktikum angeboten bekommen sollen.

    Beim EU-Gipfel letzte Woche beschlossen die EU-Staats- und Regierungschefs ein Maßnahmenpaket, um diese Jobgarantie umzusetzen. 6 Milliarden Euro sind zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im EU-Budget bis 2020 eingeplant. Heute soll darüber beraten werden, wie man sie am sinnvollsten einsetzt. Sechs Milliarden - eine lächerlich kleine Summe, meinen die Jugendlichen - verglichen mit den Summen, die für die Stabilisierung der europäischen Banken ausgegeben wurden.

    Doch mit einer Jobgarantie alleine ist es nicht getan, findet etwa Neil Warner aus Irland. Die Politik müsse die Wirtschaft wieder ankurbeln, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Durch die Bank weg wird die Sparpolitik, wie Kanzlerin Merkel und die Europäische Kommission sie proklamieren, äußerst kritisch gesehen.

    "Wir finden, Europas Politiker tun nicht genug. Sie bemühen sich, aber letztendlich sind das nur Lippenbekenntnisse. Stattdessen setzen sie den Fokus auf Austerität – was die Lage aber nur noch verschlechtert."

    So sieht es auch der junge Grieche John aus Athen. Er freut sich über finanzielle Hilfen aus der EU:

    "Wir bekommen Geld. Aber wir geben es auch wieder zurück. Da bleibt nichts übrig, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Wirtschaftliche Entwicklung ist ein Witz für uns, ein schlechter Witz geradezu."