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Der Glättekiller

Die European Salt Company GmbH, kurz esco, betreibt in Deutschland drei Salzbergwerke, darunter das in Rheinberg-Borth. 1,4 Millionen Tonnen werden dort jedes Jahr gefördert, genug für Kommunen und Autobahnmeistereien in der Region, die damit das Eis auf den Straßen auftauen.

Von Mirko Smiljanic |
    Salzbergwerk Borth, zehn Uhr vormittags. Ein kleiner Trupp weiß gekleideter Männer mit gelben Helmen scharrt sich um eine ebenfalls weiß gekleidete junge Frau. Antje Bräunig, 31, ist Markscheiderin beziehungsweise Vermessungsingenieurin bei esco, der European Salt Company.

    "Wir sind hier am Schacht zwei, das ist der Personen- und Transportförderschacht, und wir warten jetzt auf den Korb, um ins Bergwerk einzufahren."

    Drei Mal drei Meter misst der rundum vergitterte Korb, in rasanter Fahrt transportiert er uns auf die 720-Meter-Sohle. Es ruckelt und schüttelt, nach einer halben Minute sind die Ohren zu, Schlucken für den Druckausgleich helfe, rät Antje Bräunig.

    Ankunft in 720 Metern Tiefe. Wer unvorbereitet einfährt, erlebt spätestens hier einen kleinen Schock: Beim Einstieg in den Fahrstuhl herrschte bitterer Frost, ein paar Minuten später plus 38 Grad Celsius:

    "Wir fahren jetzt direkt ins Abbaurevier und gucken uns da Kammern an und die verschiedenen Fahrzeuge, die notwendig sind, um unter Tage Salz zu gewinnen."

    Schneeweißes Salz, so weit das Auge reicht, glitzernde Kristalle an den Wänden und auf dem Boden, fast wie Schnee, wären da nicht die schweißtreibenden Temperaturen. Nach zehn Minuten sind wir am Ziel: Kammer 501, die geografisch unter dem Naturschutzgebiet Bislicher Insel liegt.

    "Hier wird mit einer Streckenbreite von 17 Metern und einer Streckenhöhe von sieben Metern Abbau betrieben, ein Abschlag, eine Dicke von sieben Metern, die rein gewonnen wird. Und gerade war der Lader da, um vom letzten Schichtwechsel abzuladen und zum Brecher zu transportieren."

    Eine Ladung gleich 20 Tonnen, nicht kleckern, sondern klotzen, Salzabbau ist ein Massengeschäft.

    "Wir sehen hier gerade das Besetzen von Strosse, so heißt das unter Tage. Das heißt, hier war ein Bohrwagen, hat das Bohrschema abgebohrt und jetzt wird es durch die Mitarbeiter durch Sprengstoff besetzt und verschiedenen Zündern noch, um dann eine Sprengung zu bewirken."

    60 Bohrlöcher, gefüllt mit rosarotem Pulversprengstoff, der eine mächtige Lücke in die Abbauwand reißt.

    Die European Salt Company GmbH, kurz esco, ist eine 100-prozentige Tochter der K+S-Aktiengesellschaft. Esco hat ihren Sitz in Hannover, betreibt in Deutschland drei Salzbergwerke und bedient drei Geschäftsbereiche:

    "Der eine Geschäftsbereich ist der Bereich Salz, da befinden wir uns zurzeit. Dann haben wir noch einen Geschäftsbereich Kali- und Magnesium-Düngemittel. Kalirohsalze sind artverwandt mit normalem Salzstein, insofern beziehen wir dadurch Synergien. Und wir haben noch einen kleineren Geschäftsbereich namens ergänzende Geschäftsbereiche, wo wir zum Beispiel Entsorgung, Recycling und Logistikgeschäft betreiben."

    Michael Wudonig, Pressesprecher. Weltweit beschäftig der Konzern 14.000 Mitarbeiter, in Deutschland sind es 10.000, im Salzbergwerk Rheinberg-Borth knapp 300. 1,4 Mio. Tonnen Steinsalz werden jedes Jahr am Niederrhein gefördert, bei gleichbleibender Produktion ist die Lagerstätte in 30 Jahren erschöpft. Trotzdem gibt es genug Salz für Kommunen und Autobahnmeistereien. Weite Transportwege vermeide man, sagt Wudonig, Salz sei ein lokales Geschäft:

    "Genau, denn die Nähe zum Kunden ist entscheidend. Gerade was das Auftausalzgeschäft angeht, muss man in Spitzenzeiten in der Wintersaison mitunter nachliefern. Und da ist es von großem Vorteil, wenn man nahe am Kunden ist, entweder mit Zwischenlagern oder mit richtigen Produktionsstätten."

    Auftausalz ist vergleichsweise preiswert, abhängig von Nachfrage und Saison kostet eine Tonne zwischen 50 und 80 Euro. Es gibt aber noch viele weitere Anwendungsfelder. Salz wird eingesetzt,

    "bei der Glasproduktion, bei vielen chemischen Prozessen, bei der Elektrolyse, bei der Kunststoffproduktion, bei der PVC-Produktion, Papier beispielsweise, also in unzähligen Anwendungen wird Salz gebraucht, was der Normalbürger mitunter gar nicht weiß."

    Hochbetrieb in Borth, viele Kommunen haben Auftausalz nachbestellt. Riesigen, urtümlichen Insekten gleich pendeln die Lader zwischen der Abbaukammer und den Brechern:

    "Hier sieht man eine unserer Brecheranlagen, in denen das Salz auf eine förderfähige Größe heruntergebrochen wird und wird dann über eine Bandanlage zum Schacht beziehungsweise zum Zwischenbunker gebracht. Hier staubt es sehr, weil das Salz kommt in diesem Abbau durch ein zehn Meter hohes Förderrollloch, wird nach unten geworfen, und wenn das unten auftrifft, dann staubt es, und schmeckt ja auch gut salzig."

    Auffahrt von der 720-Meter-Sohle. Es ruckelt und schaukelt und wird von Sekunde zu Sekunde kühler: unten 38 Grad Celsius, oben minus fünf Grad.

    "Jetzt sind wir wieder oben, über Tage, im Sonnenschein."