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Der Hafen von Rotterdam (2/5)
Tanken wie die Großen

Auch die größten Schiffe können die Terminals des Rotterdamer Hafens anlaufen, denn das Hafengebiet ist immer weiter ins Meer gewachsen. Für ihre Weiterfahrt benötigen die Megafrachter jede Menge Treibstoff. Kein Problem in Rotterdam.

Von Kerstin Schweighöfer | 16.01.2018
    Spezielle Tankschiffe, die die Frachter "bebunkern", wie es im Fachjargon heißt. Kerstin Schweighöfer wollte wissen, wie diese mobilen Tankstellen funktionieren und Kapitän Cees de Kaijzer hat sie zu einem Unternehmen mit einer Flotte von Bunkerschiffen geführt.
    Sie freuen sich über das Wiedersehen: Cees de Keijzer, der alte Kapitän, und Carla, gute Seele und Mädchen für alles bei der "Verenigde Tankrederij" , kurz VT-Groep genannt.
    Die Reederei liegt im Rotterdamer Waalhaven, nur rund sieben Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, und hat sich ganz auf das "Bunkern" spezialisiert, sprich: Ihre Flotte versorgt die großen Seeschiffe, die 40 Kilometer weiter westlich bei Hoek van Holland einlaufen, mit Treibstoff. Genauergesagt, mit Schweröl, erklärt Kapitän de Keijzer:
    Ein großes Containerschiff verbrauche pro Tag gut und gerne 200 Tonnen an Schweröl, also 200.000 Liter, rechnet Cees de Keijzer vor. 1.000 Liter Schweröl haben Anfang des Jahres um die 350 Dollar gekostet. Macht bei 200.000 Litern 70.000 Dollar pro Tag.
    Wenn das Containerschiff von Singapur aus über den Suezkanal nach Rotterdam unterwegs ist, eine der Hauptschifffahrtsrouten, dann braucht es für diese Reise 20 Tage. Macht 20 mal 70.000 Dollar.
    Öltanks im Hafen von Rotterdam, wo auch alle großen Raffinerien ihren Sitz haben
    Das Geschäft mit dem Öl

    Öl ist der wichtigste Warenstrom im Rotterdamer Hafen. Alle großen Raffinerien haben hier ihren Sitz. Das Containergeschäft macht 27 Prozent, Schüttgut wie Erz oder Kohle 17 Prozent - und Rohöl 48,5 Prozent. Jedes Jahr treffen 100 Millionen Tonnen Rohöl ein. Gut die Hälfte wird exportiert, die andere Hälfte bleibt in Rotterdam und wird von der dortigen Chemie-Industrie zu Halbfertig-Endprodukten verarbeitet. Darüber hinaus ist Rotterdam auch der größte Bunkerhafen Europas: Frachtschiffe lassen sich hier mit Treibstoff "bebunkern". Dafür sorgen 21 Unternehmen, die mit 180 Tankschiffen im Hafen unterwegs sind.
    "Größte mobile Tankstelle in Nordwesteuropa"
    1,4 Millionen Dollar Treibstoff-Kosten, erklärt der alte Kapitän, als Niels Groenewold erscheint, der Vorstandsvorsitzende der VT-Groep. Großgewachsen, ruhig, sachlich. 2009, nach dem Tod seines Vaters, hat der heute 43-Jährige die Leitung der Reederei übernommen. Seine Flotte ist 26 Tankschiffe stark. "Wir sind die größte mobile Tankstelle für Schiffe in Nordwesteuropa", sagt er.
    Treibstoffkosten von 1,4 Millionen Dollar seien nur auf den ersten Bick eine große Summe, stellt Groenewold klar: "Es gibt inzwischen Schiffe mit 20.000 Containern an Bord. Und in einen einzigen Container - wieviele Fernsehgeräte, Sportschuhe oder Sonnenbrillen passen da rein! Wenn man die Treibstoffkosten auf die Anzahl der Produkte an Bord umlegt, dann geht es pro Produkt um noch nicht einmal einen Cent!" Nicht umsonst kennen die Niederländer als alte Handelsnation das Sprichwort "Masse macht Kasse".
    Das Schweröl zum Bebunkern der Schiffe kommt hauptsächlich aus Russland. Schweröl ist ein Restprodukt der Erdölverarbeitung. In Westeuropa sind die Ölraffinerien modern, dort fällt Schweröl kaum noch an. Ganz anders in Russland mit seinen veralteten Anlagen. Das macht russisches Schweröl zu einem wichtigen Exportprodukt.
    2016 haben 57 Mammuttanker mit jeweils 260.000 Tonnen Schweröl an Bord in Rotterdam Kurs auf Singapur genommen. Und auch hier gilt: "Massa is kassa", denn 1.000 Liter Schweröl sind in Singapur teurer als in Rotterdam – Anfang des Jahres betrug der Preisunterschied 25 Dollar.
    Schmutziger Treibstoff
    Aber: Schweröl ist einer der schmutzigsten Treibstoffe überhaupt. Vor allem aufgrund seiner Schwefelemissionen. Ein Kreuzfahrtschiff zum Beispiel, so der Naturschutzbund Deutschland NABU, stößt an einem einzigen Tag so viele Schadstoffe aus wie eine Million PKW.
    Deshalb werden die Umweltvorschriften für Schiffe auf See 2020 verschärft: Dann dürfen weltweit nur noch Treibstoffe eingesetzt werden, die höchstens 0,5 Prozent Schwefel enthalten. Viele Schiffsschornsteine wurden deshalb bereits mit speziellen Filtern ausgerüstet. Eine Alternative für Schweröl wäre LNG – Liquid Natural Gas, verflüssigtes Erdgas. Oder Marinediesel. Der ist zwar weniger umweltschädlich als Schweröl, aber immer noch hundertmal dreckiger als Straßendiesel.
    Doch Marinediesel ist sehr viel teurer als Schweröl. Und bei LNG ist die Umrüstung teuer und die Verfügbarkeit ungewiss, erklärt Niels Groenewold, als er per SMS erfährt, dass die Vorstenbosch endlich eingelaufen ist. Mit dem Auto geht es Richtung Hafen. Es stürmt. Und es hat angefangen zu schneien.
    Zu stürmisch zum bebunkern
    Die Vorstenbosch liegt fünf Kilometer entfernt in zweiter Reihe im Prins-Johan-Friso-Hafen. Der Weg führt über ein kleineres und niedrigeres Schiff. Als Niels darauf wartet, dass jemand eine Leiter nach unten an Deck reicht, damit wir die gut drei Meter nach oben an Bord der Vorstenbosch klettern können, sieht er, dass etwas nicht stimmt: Die Vorstenbosch liegt viel zu tief im Wasser, das heißt sie ist immer noch voller Schweröl – also unverrichteter Dinge von den Terminals der Maasebene bei Hoek van Holland zurückgekehrt.
    Stirnrunzelnd läuft Niels über Deck zur Brücke. Dort steht Kapitän Bas Hobbel und berichtet, was passiert ist:
    "Wir haben vergeblich auf das Schiff gewartet, das wir bebunkern sollten. Doch wegen des Sturmes konnte es nicht in den Hafen einlaufen. Da haben wir kehrt gemacht, das passiert schon mal, vor allem im Winter."
    Und weil das Schweröl im Schiffsbauch trotzdem nach wie vor für dieses Containerschiff bestimmt ist, wird es jetzt zurück ins Tanklager gebracht. Damit die Vorstenbosch leer ist für den nächsten Auftrag.