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Der Hamburger Isemarkt
Einkaufen in entschleunigter Atmosphäre

Der Isemarkt in Hamburg ist einer der größten Wochenmärkte Deutschlands. Mehr als 200 Marktstände laden zum Einkaufen und Bummeln ein. Das Besondere sind aber nicht nur die Länge und viele Spezialitäten, sondern auch die komplette Überdachung - oben die Bahn, unten wird eingekauft.

Von Margret Bielenberg | 02.12.2018
    Der Isemarkt in Hamburg, der längste Wochenmarkt in Deutschland. Die U-Bahn-Gleise schützen vor Regen.
    Der Isemarkt in Hamburg, der längste Wochenmarkt in Deutschland (Oscar Gonzalez / NurPhoto)
    Hamburg. Hoheluftchaussee. Cornelia hat gerade ihr Fahrrad geparkt und sich ihre Einkaufstasche umgehängt. Über uns rattert die U-Bahn. Es ist Freitag und wie fast jeden Freitag geht sie auf den Isemarkt. Seit 25 Jahren wohnt sie zwei Straßen weiter. Wir schlendern den Markt entlang. Immer geradeaus. Auf dem schmalen Weg von etwa zwei Metern unter dem Hochbahnviadukt. Rechts und links Marktstände. Wir haben alles im Blick. Rechts gibt es Eier, links Gemüse. Daneben frischen Fisch. Ein paar hundert Meter weiter: die Kräuterhexe.
    "Moin, Moin." - "Moin, ich such Majoran." - "Das haben wir. In welcher Form brauchen Sie das?" - "Getrocknet." - "Mal schauen, einmal die Schublade finden. Da ist sie." - "Ja!"
    Gerrit Sommer hat den Marktstand von seiner Mutter übernommen. Beruflich etwas anderes zu machen, kam nicht in Frage. Schon als kleiner Junge hat er ihr geholfen.
    "Die Frische-Kräuter-Abteilung, wenn man die nur anfasst, die Gerüche verteilen sich über den ganzen Laden, das ist das Schöne mit so was zu arbeiten."
    Rosmarin-, Thymian- und Salbeiduft wehen über den Stand. Cornelia stöbert noch bei den Trockengewürzen.
    Kräuter, Korbtaschen und Käse
    "Gerade gefunden: Eine Gewürzmischung aus Cumin, Muskat und Koriander und zwar weiß ich, dass das hilft gegen Arthrose. Zu Hause mische ich das immer selber zusammen und hier..." - "Das ist Koriander, Kümmel und Kurkuma, nicht?" - "Nee, das ist Cumin, Muskat, Koriander." - "Muskat kann ich nicht ab, das muss ich einzeln kaufen." - "Muskat auch und das ist eine Mischung und das finde ich ganz toll, dass es das hier gibt."
    Wir ziehen weiter. An bunten Korbtaschen vorbei, Sommerblumen in allen Farben, Olivenöle, Kinderspielzeug, Bücher, französischer Käse. Ein bisschen mediterran.
    Eine Holzkutsche fällt ins Auge. Schwedenrot gestrichen. Mit großen Buchstaben darauf: Macky Messer. Herausguckt Christian Stobbe und kümmert sich um eine Kundin.
    "Können Sie das?" - "Ja, selbstverständlich gerne. Schneiden Sie damit Buchs?" - "Ja, auch." - "Ist für mich eine Frage, wenn Sie nur Buchs schneiden, wird sie rattenscharf geschliffen, wenn Sie aber sagen, Sie machen auch kleine Zweige, dann ist sie nicht ganz so scharf, damit sie nicht so schnell wieder stumpf wird. Deswegen die Frage: nur Buchs?" - "Nee, nee." - "Okay!"
    Der Scherenschleifer ist auch in zweiter Generation dabei. Das Geschäft läuft und er macht alles:
    "Von Nagelhautscheren über Spaten über Rosenscheren, Menu-Messer. Es gibt einen Spruch, der heißt: Keramik, Speisen und Lebenspartner, geh ich nicht bei, den Rest mach ich."
    Eine Institution seit 1949
    Macky Messer hat zu tun. Wir gehen weiter geradeaus und kommen an einem portugiesischen Stand vorbei. Hier macht Cornelia gerne mal Kaffeepause, wenn sie eine Freundin trifft. Bei einem leckeren Galao, schwärmt sie. Jetzt wollen wir aber erst einmal weiter.
    In den großbürgerlichen Altbauten entlang der Isestraße wohnen viele Hamburger gern, trotz U-Bahn-Rattern und Marktlärm. Dienstags und freitags laufen rund 6.000 Menschen über den Markt. Er ist eine Institution. Und das schon seit 1949. Begonnen hat alles mit rund 40 Marktständen zwischen den U-Bahn-Haltestellen Hoheluft und Eppendorfer Baum. Mittlerweile sind es über 200. Geschützt lässt es sich hier bei Wind und Wetter einkaufen. Heute scheint die Sonne. Das Viadukt spendet Schatten. Cornelia zeigt auf einen Bürstenstand. Es gibt Bürsten, Besen, Fußmatten, Putzlappen und mittedrin: Gerhard Litzki.
    "Die Struktur der Hamburger Geschäfte ist so dünn geworden. Es gibt nur noch Großkonzerne, Massenkonzerne und das, was die Leute suchen, das finden sie bei mir. Bei mir gibt es noch alles in reiner Baumwolle. Egal was, noch Abwaschbürsten von Lola früher. Wir hatten in Hamburg mal 540 Drogerien- und Haushaltswarengeschäfte. Heute haben wir noch neun."
    Eine Kundin hat sich eine Klobürste samt Halter herausgesucht und will bezahlen.
    "Falls erforderlich und schmutzig unter kochend heißem Wasser abspülen, die kann sogar in die Geschirrspülmaschine. Hört sich doof an, aber passt da rein." - "Hört sich doof an, aber zum Glück hab ich keine. Wie teuer?" - "Dann sind das 8,95 Euro." -Oh. So viel hab ich nicht mit. Ich tu es zurück. Beim nächsten Mal." - "Ja, ja, kein Problem, hab ich immer reichlich da."
    Einkauf ein bisschen wie in früheren Zeiten
    Die ältere Dame wohnt um die Ecke. Auch sie ist regelmäßig auf dem Isemarkt und kauft gern bei Herrn Litzki.
    "Immer wieder. Weil das hier eine entschleunigte Marktatmosphäre ist an diesem Stand, noch wie früher. Man steht, man erzählt, man klönt, man fragt, man vergleicht, der Herr erzählt."
    Fünf Euro ist zwar zu wenig für die Bürste, doch genug für eine paar leckere Süßigkeiten, erzählt die Dame und wir gehen gemeinsam ein paar Stände weiter. Zu Bonbon Pingel: Schokolade in allen Variationen, Lakritz, Zitronenbonbons, kleine Kuchen. Und in rosa Schürze: Hans-Jürgen Pingel.
    "Herr Pingel, ich hab nicht so viel Geld heute mit." - "Das macht doch nichts, Sie können aber naschen!" - "Gerne." - Also, Sie möchten gerne die Walnuss, die Hellen."
    Es ist ein bisschen wie in früheren Zeiten, in denen man in kleinen Läden kaufte und sich von Pläuschchen zu Pläuschchen hangelte. Bevor wir uns verabschieden und über eine Galao-Pause beim Portugiesenstand nachdenken können, schwärmt unsere neue Bekanntschaft noch von Bonbon-Pingel.
    "Hier die Bonbons, die Brausebonbons meiner Kindheit und ich bin 74, aber bei Herrn Pingel gibt es sie noch."