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"Der individuelle Autobesitz ist mit hohen Kosten verbunden"

Es sei dringend notwendig über neue Konzepte für Mobilität nachzudenken, sagt der Leiter der Abteilung Verkehr und Lärm beim Umweltbundesamt, Uwe Brendle. Statt mit einem eigenen Auto zu fahren, sollen Reisende vor allem Bahn, Fahrrad und Carsharing miteinander kombinieren.

Uwe Brendle im Gespräch mit Jule Reimer | 29.04.2013
    Jule Reimer: Autos und der Verkehr insgesamt produzieren Lärm, Feinstaub und das Treibhausgas CO2. Und auch wenn sich einzelne Automobilhersteller redlich bemühen, die schädlichen Abgase ihrer Flotte deutlich zu reduzieren – allein der schiere numerische Zuwachs an Autos macht dann alle Fortschritte bei der Umweltfreundlichkeit wieder zunichte. So bleibt der Verkehr beim Klimaschutz das große Sorgenkind. Uwe Brendle leitet die Abteilung Verkehr und Lärm beim Umweltbundesamt. Herr Brendle, wir werden ja auf der Welt ja eher mehr Menschen, die Auto fahren wollen. Gibt es da überhaupt einen Ausweg aus dem Dilemma?

    Uwe Brendle: Guten Tag, Frau Reimer. Es wird schwierig werden, das muss man ganz deutlich sagen. Die Bedürfnisse der Menschen, sich zu bewegen, wachsen im internationalen Bereich massiv. Sie haben es angesprochen: Wir haben bei den spezifischen CO2-Emissionen im Verkehrsbereich Reduzierungen, die allerdings überkompensiert werden durch das Wachstum des Verkehrs. Es ist dringend notwendig, über andere Formen nachzudenken, wie wir unsere Mobilität, wie wir den Verkehr organisieren. Es gibt dort Ansätze, multimodale Verkehre in den Städten zu unterstützen.

    Reimer: Was heißt das?

    Brendle: Das heißt, dass wir unsere Mobilität verteilen auf möglichst viele Verkehrsträger, und zwar auf diejenigen Verkehrsträger, die die Umwelt am wenigsten belasten, die am meisten in Städten zur Erhaltung der Lebensqualität beitragen, das heißt ganz konkret, Verkehrsträger, die weniger Lärm produzieren, die weniger CO2-Emissionen produzieren, die weniger Luftschadstoffe ausstoßen.

    Reimer: Das heißt, alle Deutschen, alle Chinesen aufs Fahrrad? Zurück aufs Fahrrad?

    Brendle: Das heißt es nicht, denn Multimodalität heißt, dass wir ein intelligentes Nebeneinander der verschiedenen Verkehrsträger fordern und auch forcieren wollen. Alle Verkehrsträger haben entsprechend der jeweiligen Bedürfnisse, die wir haben, ihren Platz, in Zukunft auch das Auto – ob es der individuelle Autobesitz sein muss, das zeigen unsere Studien, ist nicht der Fall, wir können sehr gut Schiene, also öffentlichen Nahverkehr, Fußverkehr, Radverkehr kombinieren mit Autoverkehr über Carsharing-Modelle beispielsweise.

    Reimer: Dann sagen Sie mir mal, ich habe einen Termin beispielsweise in Fulda und komme aus Köln. Wie würde ich das sozusagen modern organisieren?

    Brendle: Ja, modern … Sie fahren mit dem Fahrrad zum nächsten Bahnhof, der hoffentlich in Ihrer Nähe ist, wenn nicht, fahren Sie mit dem Fahrrad zu einer S- oder U-Bahn-Station, von dort aus zum Bahnhof, benutzen die Bahn und vor Ort in Fulda, da Sie dort vermutlich kein Fahrrad stehen haben werden, können Sie das Taxi benutzen oder aber einen Mietwagen sich nehmen, um zu dem Ort, zu dem Sie wollen, hinzukommen.

    Reimer: Jetzt abgesehen davon, dass ich jetzt noch mal die Anbindung an Fulda von Köln aus ein bisschen infrage stellen würde, wie teuer wird das denn dann überhaupt? Die Idee ist ja häufig, dass das Auto, abgesehen davon, dass es mir eine individuellere Planung erlaubt, ja, letztendlich im Augenblick noch die günstigste Variante ist. So ein Mietwagen kostet ja auch Geld.

    Brendle: Die Studien, die wir in Auftrag gegeben haben, haben sich zum Ziel gesetzt, genau dieser Frage nachzugehen, und das Ergebnis ist ziemlich deutlich. Der individuelle Autobesitz ist mit hohen Kosten verbunden – bis zu 5.000 Euro im Jahr kostet uns ein Pkw, jetzt gesprochen für ein mittleres Mittelklassefahrzeug. Das kann, wenn man das umrechnet auf die Verkehrsleistung, auf die Mobilität, die wir individuell pro Jahr zurücklegen wollen oder zurücklegen müssen, dann sind die anderen Verkehrsträger günstiger. Das haben die Forschungsvorhaben deutlich gezeigt.

    Reimer: Wie steht es mit dem öffentlichen Personennahverkehr, ist der dann noch bezahlbar, oder wird er dann dadurch auch bezahlbarer, ganz kurz noch?

    Brendle: Ja, der öffentliche Personennahverkehr ist heute schon bezahlbar, das zeigen ja die Untersuchungen. Die Untersuchungen fordern einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, und unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten zeigt sich durch die Studien, dass dies einen positiven Effekt auslöst. Das heißt, wir haben nicht weniger Beschäftigung, sondern wir schaffen sogar mehr Beschäftigung durch einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.

    Reimer: Neue Verkehrskonzepte für mehr Klimaschutz – danke an Uwe Brendle vom Umweltbundesamt!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.