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Der innerparteiliche Sieg von Ariel Scharon

Spengler: Wir beschäftigen uns mit dem innerparteilichen Sieg des israelischen Premierministers Ariel Scharon und seiner Ankündigung, Vergeltung für den Terroranschlag üben zu wollen. Darüber wollen wir mit Salmon Shaval, dem außenpolitischen Sprecher des konservativen Likud-Blocks sprechen. Guten Tag, Herr Shaval.

    Shoval: Guten Tag, Herr Spengler.

    Spengler: Ariel Scharon hat gestern Abend bei der Urwahl der Likud-Partei 55,8 Prozent der Stimmen erhalten, rund 15 Prozent mehr als sein innerparteilicher Rivale, Benjamin Netanjahu. Haben Sie eine Erklärung für den großen Vorsprung Scharons?

    Shoval: Ja. Der Vorsprung ist wirklich groß, aber kleiner als die Rundfrage es prophezeit haben. Ich glaube zweifellos, dass Scharon die Unterstützung bekam, weil man daran denkt, dass man sich auf Scharon verlassen kann, dass er vielleicht mehr Erfahrung hat, dass er die Sachen vorsichtiger behandelt, und es ist vielleicht auch etwas Nutzvolles dabei für Parteileute, denn es ist sehr klar, dass Scharon in den nationalen Wahlen, also in den allgemeinen Wahlen am 28. Januar auch sehr viele Stimmen vom politischen Zentrum, sogar vom linken Flügel bekommen wird, während das mit Netanjahu etwas zweifelhafter war.

    Spengler: Davon gehen ja alle Beobachter aus, dass Scharon die Wahlen im Januar, auch gegen die Arbeitspartei, gewinnen wird. Wie erklären Sie dann den merkwürdigen Widerspruch, dass die große Mehrheit der Israelis für Scharon stimmen will, aber zugleich auch für eine Räumung der Siedlungen ist.

    Shoval: Ja, die Frage ist natürlich so formuliert worden ohne zu sagen: welche Siedlungen, wo und wie? Es gibt sehr wenige Israelis, die von einer allgemeinen Räumung der Siedlungen sprechen, aber es gibt sehr viele Leute, die sich sagen: Es gibt da verstreute Siedlungen in dicht besetzten arabischen Gebieten, die keine strategischen und vielleicht auch nicht biologischen Werte haben, und wenn es eventuell mit der Zeit zu einem palästinensischen Staat oder etwas weniger oder zu einem Commonwealth oder wie das auch heißen mag kommen sollte, ist das eventuell sowieso irgendwie ein Problem. Aber man muss hinzufügen, dass die sehr große Mehrheit der Israelis sagt: Ja, aber sogar wenn Siedlungen annulliert werden sollen, dann sollte das nicht irgendwie einseitig sein, sondern nur im Rahmen eines eventuellen Abkommens mit den Palästinensern, also nicht mehr der Fehler und der Fehlschlag von Oslo, wo Israel eigentlich nur gibt und nichts von der anderen Seite bekommt.

    Spengler: Man hat ja den Eindruck, dass es im Prinzip so einen Dialog, der ja Voraussetzung für ein Abkommen mit den Palästinensern wäre, im Augenblick gar nicht gibt, oder täuscht das von hier aus?

    Shoval: Schauen Sie, es gibt keine Partner. Wir haben leider keine Partner. Die offizielle palästinensische Führung unter Jassir Arafat will keinen Kompromiss. Das wurde zu Zeiten unseres früheren Premierministers Baraks ganz klar, als er ihnen eigentlich mehr oder weniger alles vorgeschlagen hat, was sie offiziell forderten: 98 Prozent der Gebiete, inklusive Ost-Jerusalem und 3 Prozent von Israel selbst. Deshalb gab es auch diesen Umschwung in der öffentlichen Meinung in Israel. Mit der heutigen Führung der Palästinenser haben wir eigentlich nichts zu diskutieren, weil die Leute Israel vernichten wollen, während die Israelis, ob es rechts, links oder Zentrum ist, zu einem Kompromiss bereit sind.

    Spengler: Herr Shoval, glauben Sie der heutigen Führung der Palästinenser, die sagt: Wir haben mit den Anschlägen in Kenia nichts zu tun haben. Das ist eine nicht-palästinensische Gruppe, auch wenn sie sich Armee Palästinas nennt?

    Shoval: Schauen Sie, all die Terrororganisationen von El Kaida bis zur Fatah-Organisation, die gestern den furchtbaren Mordanschlag in Beit Schean ausgeführt hat, sind ideologisch und vielleicht auch programmatisch miteinander verbunden. Wir haben auch im Mittleren Osten, und nicht nur im Mittleren Osten sondern auch in Bali zum Beispiel gesehen, dass eine Terrororganisation als Kontraktor für eine andere Terroristenorganisation funktionieren könnte. Es ist zweifellos, dass jedenfalls in Israel selbst die Verantwortung auf den Schultern Jassir Arafats liegt und deshalb sind die meisten Israelis - vielleicht nicht alle, aber die meisten - seit dem gestrigen Anschlag davon überzeugt, dass in erster Linie zu einer Änderung der palästinensischen Führung kommen muss, um dem Frieden wirklich eine Chance zu geben. Und es gibt einige Leute dort, wie Abu Masen und vielleicht andere, die erst vor ein, zwei Tagen erklärt haben, dass die Intifada von der palästinensischen Seite aus eigentlich nicht nur gescheitert ist, sondern auch eine Katastrophe für die Palästinenser war. Um so mehr Leute diese Meinung teilen werden um so besser sind die Chancen für einen Frieden.

    Spengler: Danke Ihnen für das Gespräch. Das war Salmon Shoval, außenpolitischer Sprecher des konservativen Likud-Blocks.