Hans-Joachim Wiese: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist offenbar ein Mensch, der durch Schaden nicht klug wird. Aber vielleicht will er das auch gar nicht. Kürzlich erst hat er die Tilgung Israels von der Landkarte gefordert und damit eine Welle der Empörung ausgelöst. Jetzt hat er noch draufgesattelt, zunächst einmal bezweifelte er, dass es den Holocaust überhaupt gegeben hat. Falls es ihn aber doch gegeben habe, dann sollten die Täterländer Deutschland und Österreich Platz bei sich für eine Verlagerung Israels schaffen. So könne das Nahostproblem gelöst werden. Politische Unerfahrenheit, Kalkül oder schlicht Dummheit? Am Telefon begrüße ich Omid Nouripour, in Teheran geborenes Vorstandsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen.
Omid Nouripour: Guten Morgen.
Wiese: Herr Nouripour, glaubt der iranische Präsident den Schwachsinn, den er da verbreitet? Oder will er von irgendetwas ablenken?
Nouripour: Ich glaube, es glaubt das. Ich glaube, der ist Überzeugungstäter. Sie müssen einfach auf seine Biografie schauen. Er kommt von einer Generation, die als Studenten die Revolution gerade in den 80er Jahren am Anfang und im Krieg sehr stark getragen haben, in der Verwaltung, in der Armee, in der Justiz, bei den Revolutionsrechtlern. Und sehr viele von ihnen haben sich mittlerweile enttäuscht abgewandt vom System. Es gibt aber auch welche, und er gehört definitiv dazu, sie haben ein sehr, sehr schweren ideologischen Rucksack. Und sie sind der Meinung, dass sie die letzten Bewahrer sind des Erbes, der Revolution und des Ayatollah Khomeini. Und zu diesem Erbe gehört in Anführungsstrichen "selbstverständlich" auch die Zerstörung des Staats Israel.
Wiese: Wenn Sie meinen, Herr Nouripour, er glaubt, was er da sagt, wie weit geht dann der Radikalismus Ahmadinedschads? Würde er seinen Worten im Zweifelsfalle auch Taten folgen lassen?
Nouripour: Ich habe einen kleinen Trost mitgebracht. Dieser furchterregende Fanatiker ist in Anführungsstrichen "nur" Staatspräsident. Im Iran gibt es Wichtigeres, nämlich religiöse Führung, die wirklich die entscheidenden Fragen auch klärt. Aber das ist alles andere als zu verharmlosen, was der Mann da gemacht hat. Und es ist keine Ablenkung. Ich glaube nicht, dass er mit diesen Ausfällen ablenken wollte von irgendwelchen Problemen im Lande, weil das geht nicht. Und das ist exakt das Gegenteil, weil die Iraner wollen ihre Ruhe haben. Und er hat das Gegenteil jetzt bewirkt.
Wiese: Aber das Sagen über das Nuklearprogramm, das hat nicht der Präsident, sondern die geistliche Führung?
Nouripour: Ja, es ist definitiv so, dass die geistliche Führung, wobei man da nicht groß unterscheiden kann, weil das mehr oder minder zwar eine sehr zerstrittene aber trotzdem eine Clique ist, aber das Atomprogramm unterliegt direkt dem religiösen Führer.
Wiese: Herr Nouripour, Ahmadinedschad steht ja unter erheblichem Druck, Sie sagten es selber gerade, nicht nur innen- sondern auch außenpolitisch. Im Inneren wird die Kritik an ihm immer schärfer, weil er seine Wahlversprechen nicht eingehalten hat, und es den Menschen nicht besser sondern schlechter geht. Außenpolitisch steht er wegen der iranischen Atompolitik unter Beschuss. Finden denn solch anti-israelische und antisemitische Ausfälle in der iranischen Bevölkerung auch breite Zustimmung?
Nouripour: Also, was ich den letzten Tage erlebt habe - ich habe sehr viele Gespräche geführt - war in erster Linie Verzweifelung und Schamgefühl. Nicht unbedingt aus Sympathie gegenüber Israel, sondern aus Sorge um das eigene Land. Die Leute haben das Gefühl, das Land wird gespalten, das Volk wird gespalten. Und sie haben das Gefühl, dass gerade denjenigen, die eine militärische Intervention gegenüber dem Iran befürworten, jetzt neue Munition geliefert wird. Es geht bis dahin, dass die Menschen Angst haben, dass die iranische Fußballnationalmannschaft von der Fußballweltmeisterschaft ausgeschlossen wird. Wenn man weiß, welchen Stellenwert diese WM für die Iraner hat, dann kann man sich nicht vorstellen, wie tief dann die Demütigung ist, die diese Menschen gerade fühlen.
Wiese: Vielleicht spekuliert Ahmadinedschad ja auch auf die Zustimmung der arabischen Welt. Da ist ja die Meinung weit verbreitet, die Palästinenser müssten für die Untaten der Nazis büßen, ohne die es einen Staat Israel überhaupt nie gegeben hätte.
Nouripour: Ja, das ist definitiv so, dass er gewusst hat, welche Reaktionen er mit seinen Aussagen gerade in der arabischen Welt auslösen wird. Und ich bin ziemlich sicher, dass er den Iran als die kompromissloseste Führungskraft der islamischen Welt gegenüber Israel etablieren wollte. Ich weiß auch, dass er, wenn man sich die Reaktionen anschaut, dies ist sehr deutlich, ich weiß, dass er auch die arabischen Führer damit in Schwierigkeiten bringen wollte. Das hat er definitiv geschafft. Der Punkt aber ist, dass ihm das im Iran und auch im Rahmen der Machtauseinandersetzungen, die es innerhalb der Konservativen gibt, überhaupt nichts bringt.
Wiese: Wie beurteilen Sie denn überhaupt das iranische Atomprogramm, Herr Nouripour? Verfolgt die Regierung in Teheran tatsächlich rein friedliche Ziele, wie sie immer behauptet, oder strebt sie doch nach der Atombombe?
Nouripour: Naja, das Programm ist ja älter als die iranische Revolution. Das ist ja über 30 Jahre alt. Und wenn es nur die zivile Nutzung anstreben würde, dann würde das so, wie es gerade angelegt ist, überhaupt keinen Sinn machen. Das Ding ist komplett auf dual use - also auf zivile wie militärische Nutzung - angelegt. Der Iran muss Uran nicht selbst anreichern. Es ist allerdings gleichzeitig zu sagen, dass auch für eine militärische Nutzung meines Wissens im Iran eine Mehrheit existiert in der Bevölkerung, weil die Menschen der Meinung sind, es gibt mindestens drei andere Staaten in der Region mit Indien, Pakistan und Israel, die auch die Bombe haben, dann müsste der Iran aus defensiven Gründen auch die Bombe haben. Das ist natürlich Quark und das ist natürlich nicht hinzunehmen, weil eine Proliferationsspirale losginge, auch in Richtung Ägypten, Türkei und Saudi-Arabien. Das Programm ist brandgefährlich, das kann man alles andere als vernachlässigen. Und man muss alles, was uns zur Verfügung steht, wirklich auch alle Mittel ergreifen, um dieses Programm zu stoppen.
Wiese: Welche Mittel, Herr Nouripour stehen uns denn zur Verfügung. Wie sollte die internationale Gemeinschaft reagieren, den Iran isolieren, ihn im UNO-Sicherheitsrat verurteilen, eventuell sogar mit militärischen Maßnahmen drohen?
Nouripour: Ich glaube, dass militärische Maßnahmen überhaupt keinen Sinn machen, zumal sie überhaupt nicht glaubwürdig sind. Niemand kann mir jetzt bisher erklären, dass gezielte Bombenangriffe vielversprechend wären, militärische nicht, und eine Invasion ist einfach lächerlich zu denken. Weil die USA sind komplett eingebunden im Irak. Und der Iran ist auch ein ganz anderes, deutlich größeres Land als der Irak. Wir müssen selbstverständlich im Spiel bleiben, was die Vereinten Nationen betrifft. Wir müssen aber natürlich die Verhandlungen fortführen. Es ist richtig, dass die EU-3 jetzt mit dem Iran noch einmal von vorne sprechen wollen. Wir müssen bis zum letzten Augenblick versuchen, zu verhandeln. Allerdings muss man sich auch überlegen, ob man im Iran nicht andere Ansprechpartner sucht, denen man klar machen kann, dass ein ökonomisch reizvolles Paket, wie es bisher vorliegt, ihnen doch sehr viel bringen würde. Ich denke da beispielsweise an die religiösen Stiftungen, die im Iran mittlerweile mehr Geld umsetzen als der gesamte Staat jährlich. Und die hätten, zumindest glaube ich, dass man sie davon überzeugen kann, die hätten sicher einen großen Gewinn davon, wenn der Iran in die WTO aufgenommen werden würde und wenn der Iran ganz andere Handelspartner finden könnte.
Wiese: Das war in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk Omid Nouripour, Vorstandsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen Dank, Herr Nouripour, und auf Wiederhören.
Omid Nouripour: Guten Morgen.
Wiese: Herr Nouripour, glaubt der iranische Präsident den Schwachsinn, den er da verbreitet? Oder will er von irgendetwas ablenken?
Nouripour: Ich glaube, es glaubt das. Ich glaube, der ist Überzeugungstäter. Sie müssen einfach auf seine Biografie schauen. Er kommt von einer Generation, die als Studenten die Revolution gerade in den 80er Jahren am Anfang und im Krieg sehr stark getragen haben, in der Verwaltung, in der Armee, in der Justiz, bei den Revolutionsrechtlern. Und sehr viele von ihnen haben sich mittlerweile enttäuscht abgewandt vom System. Es gibt aber auch welche, und er gehört definitiv dazu, sie haben ein sehr, sehr schweren ideologischen Rucksack. Und sie sind der Meinung, dass sie die letzten Bewahrer sind des Erbes, der Revolution und des Ayatollah Khomeini. Und zu diesem Erbe gehört in Anführungsstrichen "selbstverständlich" auch die Zerstörung des Staats Israel.
Wiese: Wenn Sie meinen, Herr Nouripour, er glaubt, was er da sagt, wie weit geht dann der Radikalismus Ahmadinedschads? Würde er seinen Worten im Zweifelsfalle auch Taten folgen lassen?
Nouripour: Ich habe einen kleinen Trost mitgebracht. Dieser furchterregende Fanatiker ist in Anführungsstrichen "nur" Staatspräsident. Im Iran gibt es Wichtigeres, nämlich religiöse Führung, die wirklich die entscheidenden Fragen auch klärt. Aber das ist alles andere als zu verharmlosen, was der Mann da gemacht hat. Und es ist keine Ablenkung. Ich glaube nicht, dass er mit diesen Ausfällen ablenken wollte von irgendwelchen Problemen im Lande, weil das geht nicht. Und das ist exakt das Gegenteil, weil die Iraner wollen ihre Ruhe haben. Und er hat das Gegenteil jetzt bewirkt.
Wiese: Aber das Sagen über das Nuklearprogramm, das hat nicht der Präsident, sondern die geistliche Führung?
Nouripour: Ja, es ist definitiv so, dass die geistliche Führung, wobei man da nicht groß unterscheiden kann, weil das mehr oder minder zwar eine sehr zerstrittene aber trotzdem eine Clique ist, aber das Atomprogramm unterliegt direkt dem religiösen Führer.
Wiese: Herr Nouripour, Ahmadinedschad steht ja unter erheblichem Druck, Sie sagten es selber gerade, nicht nur innen- sondern auch außenpolitisch. Im Inneren wird die Kritik an ihm immer schärfer, weil er seine Wahlversprechen nicht eingehalten hat, und es den Menschen nicht besser sondern schlechter geht. Außenpolitisch steht er wegen der iranischen Atompolitik unter Beschuss. Finden denn solch anti-israelische und antisemitische Ausfälle in der iranischen Bevölkerung auch breite Zustimmung?
Nouripour: Also, was ich den letzten Tage erlebt habe - ich habe sehr viele Gespräche geführt - war in erster Linie Verzweifelung und Schamgefühl. Nicht unbedingt aus Sympathie gegenüber Israel, sondern aus Sorge um das eigene Land. Die Leute haben das Gefühl, das Land wird gespalten, das Volk wird gespalten. Und sie haben das Gefühl, dass gerade denjenigen, die eine militärische Intervention gegenüber dem Iran befürworten, jetzt neue Munition geliefert wird. Es geht bis dahin, dass die Menschen Angst haben, dass die iranische Fußballnationalmannschaft von der Fußballweltmeisterschaft ausgeschlossen wird. Wenn man weiß, welchen Stellenwert diese WM für die Iraner hat, dann kann man sich nicht vorstellen, wie tief dann die Demütigung ist, die diese Menschen gerade fühlen.
Wiese: Vielleicht spekuliert Ahmadinedschad ja auch auf die Zustimmung der arabischen Welt. Da ist ja die Meinung weit verbreitet, die Palästinenser müssten für die Untaten der Nazis büßen, ohne die es einen Staat Israel überhaupt nie gegeben hätte.
Nouripour: Ja, das ist definitiv so, dass er gewusst hat, welche Reaktionen er mit seinen Aussagen gerade in der arabischen Welt auslösen wird. Und ich bin ziemlich sicher, dass er den Iran als die kompromissloseste Führungskraft der islamischen Welt gegenüber Israel etablieren wollte. Ich weiß auch, dass er, wenn man sich die Reaktionen anschaut, dies ist sehr deutlich, ich weiß, dass er auch die arabischen Führer damit in Schwierigkeiten bringen wollte. Das hat er definitiv geschafft. Der Punkt aber ist, dass ihm das im Iran und auch im Rahmen der Machtauseinandersetzungen, die es innerhalb der Konservativen gibt, überhaupt nichts bringt.
Wiese: Wie beurteilen Sie denn überhaupt das iranische Atomprogramm, Herr Nouripour? Verfolgt die Regierung in Teheran tatsächlich rein friedliche Ziele, wie sie immer behauptet, oder strebt sie doch nach der Atombombe?
Nouripour: Naja, das Programm ist ja älter als die iranische Revolution. Das ist ja über 30 Jahre alt. Und wenn es nur die zivile Nutzung anstreben würde, dann würde das so, wie es gerade angelegt ist, überhaupt keinen Sinn machen. Das Ding ist komplett auf dual use - also auf zivile wie militärische Nutzung - angelegt. Der Iran muss Uran nicht selbst anreichern. Es ist allerdings gleichzeitig zu sagen, dass auch für eine militärische Nutzung meines Wissens im Iran eine Mehrheit existiert in der Bevölkerung, weil die Menschen der Meinung sind, es gibt mindestens drei andere Staaten in der Region mit Indien, Pakistan und Israel, die auch die Bombe haben, dann müsste der Iran aus defensiven Gründen auch die Bombe haben. Das ist natürlich Quark und das ist natürlich nicht hinzunehmen, weil eine Proliferationsspirale losginge, auch in Richtung Ägypten, Türkei und Saudi-Arabien. Das Programm ist brandgefährlich, das kann man alles andere als vernachlässigen. Und man muss alles, was uns zur Verfügung steht, wirklich auch alle Mittel ergreifen, um dieses Programm zu stoppen.
Wiese: Welche Mittel, Herr Nouripour stehen uns denn zur Verfügung. Wie sollte die internationale Gemeinschaft reagieren, den Iran isolieren, ihn im UNO-Sicherheitsrat verurteilen, eventuell sogar mit militärischen Maßnahmen drohen?
Nouripour: Ich glaube, dass militärische Maßnahmen überhaupt keinen Sinn machen, zumal sie überhaupt nicht glaubwürdig sind. Niemand kann mir jetzt bisher erklären, dass gezielte Bombenangriffe vielversprechend wären, militärische nicht, und eine Invasion ist einfach lächerlich zu denken. Weil die USA sind komplett eingebunden im Irak. Und der Iran ist auch ein ganz anderes, deutlich größeres Land als der Irak. Wir müssen selbstverständlich im Spiel bleiben, was die Vereinten Nationen betrifft. Wir müssen aber natürlich die Verhandlungen fortführen. Es ist richtig, dass die EU-3 jetzt mit dem Iran noch einmal von vorne sprechen wollen. Wir müssen bis zum letzten Augenblick versuchen, zu verhandeln. Allerdings muss man sich auch überlegen, ob man im Iran nicht andere Ansprechpartner sucht, denen man klar machen kann, dass ein ökonomisch reizvolles Paket, wie es bisher vorliegt, ihnen doch sehr viel bringen würde. Ich denke da beispielsweise an die religiösen Stiftungen, die im Iran mittlerweile mehr Geld umsetzen als der gesamte Staat jährlich. Und die hätten, zumindest glaube ich, dass man sie davon überzeugen kann, die hätten sicher einen großen Gewinn davon, wenn der Iran in die WTO aufgenommen werden würde und wenn der Iran ganz andere Handelspartner finden könnte.
Wiese: Das war in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk Omid Nouripour, Vorstandsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen Dank, Herr Nouripour, und auf Wiederhören.