Jasper Barenberg: Spezialisten der CIA steuern eine ferngelenkte Rakete in einen Geländewagen im Jemen. Sechs Männer sterben, Terroristen, sagen die Amerikaner. Sieben Jahre ist das her, es bleibt nicht die einzige Kommandoaktion der USA. Doch erst jetzt nehmen wir Notiz davon. Welche Bedeutung hat das kleine Land mit den großen Konflikten für den organisierten islamistischen Terror? Wie stark ist die Filiale von El Kaida in diesem Teil der arabischen Halbinsel? – Antworten auf diese Fragen erhoffen wir uns jetzt von Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er beschäftigt sich intensiv mit dem islamistischen Terrorismus in diesem Teil der Welt und mit dem Netzwerk El Kaida. Einen schönen guten Morgen, Herr Steinberg.
Guido Steinberg: Guten Morgen!
Barenberg: Neben dem Irak und Afghanistan ist dieser Tage von der dritten Front der USA in ihrem Kampf gegen den Terrorismus die Rede mit Blick auf den Jemen. Wie müssen wir uns diesen Kampf Amerikas dort vorstellen?
Steinberg: Das ist ein mittlerweile schon sehr, sehr lang anhaltender Kampf, wie Sie ja auch in der Anmoderation gesagt haben, der aber weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Wir können im Grunde sehen, dass der Jemen seit den 90er-Jahren schon so eine Art Logistikdrehscheibe für die El Kaida gewesen ist, wo sie vor allem sehr, sehr viele Kämpfer rekrutiert hat, wo sie aber auch ganz, ganz aufsehenerregende Anschläge schon verübt hat. Ein Beispiel ist einer der wichtigsten El-Kaida-Anschläge überhaupt, der auf den amerikanischen Zerstörer USS Cole im Oktober 2000. Der Jemen ist in seiner Bedeutung für die Geschichte dieses Terrornetzwerks überhaupt nicht zu überschätzen.
Barenberg: Der Jemen ist von inneren Konflikten zerrissen. Welche Rolle spielt das für dieses Thema? Ist das ein guter Nährboden für den islamistischen Terrorismus?
Steinberg: Wir können in den letzten Jahren immer wieder feststellen, dass El Kaida besonders dort erfolgreich operiert, wo ihre Gegner sehr, sehr schwach sind, und das sind vor allem die Staaten der Region. Wir sehen das in Pakistan oder Afghanistan, wir haben das im Irak gesehen, in Algerien, aber besonders auch im Jemen. Das Besorgniserregende ist, dass sich der Abwärtstrend des Staates Jemen in den letzten Jahren verstärkt hat. Es gibt drei große innenpolitische Probleme für die jemenitische Regierung. Wir haben zum Einen einen Bürgerkrieg, der seit 2004 schwelt, zwischen der Regierung und saiditischen Rebellen im Norden des Landes. Wir haben zweitens eine sehr, sehr starke separatistische Bewegung im Süd-Jemen, die auch in den letzten Jahren erstarkt ist. Und wir können seit 2006 beobachten, dass die Dschihadisten im Land, die immer stark waren, die immer aktiv waren, sich neu organisiert haben und sich vor allem verstärkt haben mit Kämpfern aus Saudi-Arabien und jetzt eben eine der wichtigsten sozusagen Regionalfilialen der El Kaida in der arabischen Welt darstellen.
Barenberg: Wie stark ist dieser Ableger von El Kaida im Jemen? Es gibt ja unterschiedliche Angaben dieser Tage darüber, wie stark El Kaida überhaupt ist als Netzwerk, und auch darüber, wie stark eben El Kaida im Jemen ist.
Steinberg: Ja und das sind notwendigerweise nur grobe Schätzungen, weil diese Herren ja insgesamt im Verborgenen agieren. Für den Jemen müssen wir von einigen Hundert Kämpfern ausgehen. Es gibt da allerdings auch widerstreitende Zahlen. Einige sprechen von 300, andere eher von 500 bis 600 Kämpfern. Irgendwo dazwischen wird wahrscheinlich die Wahrheit liegen.
Das Problem ist allerdings nicht die Stärke der Organisation, also die zahlenmäßige Stärke, sondern dass sie eben seit Jahren immer wieder trotz aller Bekämpfungsmaßnahmen in der Lage ist, sich zu regenerieren. Das zeigt, dass eben die bisherige Bekämpfung nicht erfolgreich ist. Darüber hinaus müssen wir davon ausgehen, dass El Kaida in Pakistan und in Afghanistan auch noch über mehrere Hundert, wahrscheinlich aber mehr als 300 Kämpfer verfügt. Dann haben wir eben die Filialen im Irak, in Algerien, sodass wir davon ausgehen müssen, dass wir es hier mit einer vierstelligen Zahl von El-Kaida-Kämpfern zu tun haben.
Barenberg: Präsident Obama, der US-Präsident, hat nun angeordnet, die Camps im Jemen mit unbemannten Drohnen anzugreifen. Wir kennen ähnliche Vorgehensweisen auch aus Pakistan. Die jemenitische Regierung hat sich offenbar einverstanden erklärt mit dieser Vorgehensweise. Richard Barrett, der Terrorexperte der Vereinten Nationen, sagt, viele Schlüsselfiguren haben sich im Jemen festgesetzt. Ihre Einschätzung: In welchem Maße werden die USA ihre Operationen jetzt in Zukunft dort ausweiten, verstärken?
Steinberg: Zunächst einmal ist diese Nutzung von unbemannten Drohnen gegen Terrorverdächtige auch im Jemen nichts Neues. Der damalige Fall, den Sie bereits in der Anmoderation genannt hatten, Ali al-Harisi, der im November 2002 gemeinsam mit seinen Begleitern getötet wurde, war der erste große Angriff einer Drohne auf Terrorverdächtige und diese Politik haben die Amerikaner im Grunde auch in den folgenden Jahren fortgesetzt. Wir haben es am 17. Dezember bereits erlebt, dass wahrscheinlich auch Amerikaner beteiligt waren bei Angriffen auf Lager der El Kaida im Süd-Jemen, und es ist davon auszugehen, dass die amerikanische Regierung jetzt unter Druck steht, das auch fortzusetzen. Dabei ist diese Nutzung von Drohnen ein sehr zweischneidiges Schwert. Zum einen kann man beobachten, dass es die stärkste Waffe im Kampf gegen El Kaida in Pakistan ist, wahrscheinlich die einzige, die die Amerikaner im Moment überhaupt haben, weil die pakistanische Regierung eben doch nicht hinreichend kooperiert. Andererseits muss man feststellen, dass bei diesen Angriffen immer wieder Angehörige, Zivilisten zu Tode kommen und der jeweiligen Regierung große Probleme geschaffen werden. Nach dem Angriff vom November 2002 konnte man beobachten, dass die jemenitische Regierung in ihrer Kooperation mit den Amerikanern sehr viel zurückhaltender wurde, weil natürlich hier der Eindruck bestand und der für die Regierung verheerende Eindruck bestand, dass sie mit den USA in einer Art und Weise kooperierte, die große Teile der Bevölkerung nicht mittrug. Insofern wird sich zeigen, inwieweit das im Jemen eine kluge Strategie ist. Eine langfristige, zielgerichtete Strategie ist das meines Erachtens nicht.
Barenberg: Wir haben über einige Filialen von El Kaida gesprochen, Sie haben einige erwähnt. Nicht erwähnt haben wir bisher Nigeria, ein Land, auf das sich derzeit auch alle Blicke richten, das Herkunftsland des mutmaßlichen Attentäters vom ersten Weihnachtstag. Welche Rolle spielt Nigeria in diesem ganzen Ensemble?
Steinberg: Bisher hat Nigeria in diesem Thema keine Rolle gespielt. El Kaida ist ja auch eine arabische Organisation, die mittlerweile verstärkt mit Pakistanis kooperiert und der es auch in den letzten Jahren gelungen ist, andere Ethnien zu rekrutieren. Wir haben beispielsweise erlebt, dass junge Türken, junge Kurden aus Deutschland in die Trainingslager gezogen sind, Pakistanis aus Großbritannien. Insofern kann man da schon eine Erweiterung der sozialen Basis der islamistischen Terroristen beobachten. Schwarzafrikaner waren nicht vertreten bisher, wenn überhaupt, dann nur solche vom Horn von Afrika, also aus Somalia beispielsweise oder Eritrea. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Rekrutierung eines jungen Nigerianers Teil eines größeren Trends ist. Es gibt sicherlich viele junge Leute in Nigeria, die Sympathien für El Kaida und andere dschihadistische Organisationen haben, aber es gibt bisher noch nicht diesen Trend hin zur Rekrutierung in dschihadistischen Organisationen. Ich bin auch der Meinung, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem Einzelfall zu tun haben. Es wird ja auch berichtet, dass die Mutter dieses Herrn Omar Farouq aus dem Jemen stammen soll. Das wäre vielleicht eine Erklärung für die Verbindung hier zwischen Nigeria und der El Kaida im Jemen.
Barenberg: Um zum Schluss noch einmal auf den Jemen zu sprechen zu kommen: US-Senator Josef Lieberman, ein einflussreicher Politiker in den USA, hat gesagt, der Jemen wird das neue Zentrum der El-Kaida-Terroristen werden. Rechnen Sie damit, dass die internationale Gemeinschaft, nicht nur die USA ihren Blick auch in der nächsten Zeit, auch auf lange Sicht verstärkt auf diesen Konfliktherd richten werden, richten werden müssen?
Steinberg: Ich denke, dass man schon seit dem letzten Jahr beobachten kann, dass auch die europäische Politik dort aktiver wird. Die Europäische Union hat ihre Vorgehensweise überarbeitet, und zwar vor allem auf Grund des Konfliktes im Nord-Jemen. Das Interesse ist also da. Ich befürchte allerdings, dass diese missglückte Anschlagsplanung jetzt eher dazu führen wird, dass es wieder darum geht, kurzfristige Sicherheitsgewinne zu erzielen, dass die Amerikaner vor allem dazu übergehen, jetzt die El Kaida dort zu bekämpfen, dass aber die zu Grunde liegenden Ursachen all dieser Konflikte im Land, die weit über El Kaida hinausgehen, nicht gelöst werden. Es geht im Jemen tatsächlich darum, das Abrutschen eines Staates in das vollkommene Scheitern zu verhindern. Es ist durchaus möglich, dass der Jemen in zehn Jahren so aussieht wie Somalia heute, und dafür gibt es keine Ansätze. Ich denke, dass die richtige Vorgehensweise eine grundlegende Reform dieses Staates an Haupt und Gliedern wäre, aber dafür gibt es keine Ansätze und ich glaube auch, dass westliche Politik da in den letzten Jahren gezeigt hat, dass sie doch nicht in der Lage ist, solche scheiternden Staaten tatsächlich zu retten, und das ist das große Problem.
Barenberg: Heute Morgen im Gespräch im Deutschlandfunk Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke schön!
Steinberg: Danke sehr.
Guido Steinberg: Guten Morgen!
Barenberg: Neben dem Irak und Afghanistan ist dieser Tage von der dritten Front der USA in ihrem Kampf gegen den Terrorismus die Rede mit Blick auf den Jemen. Wie müssen wir uns diesen Kampf Amerikas dort vorstellen?
Steinberg: Das ist ein mittlerweile schon sehr, sehr lang anhaltender Kampf, wie Sie ja auch in der Anmoderation gesagt haben, der aber weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Wir können im Grunde sehen, dass der Jemen seit den 90er-Jahren schon so eine Art Logistikdrehscheibe für die El Kaida gewesen ist, wo sie vor allem sehr, sehr viele Kämpfer rekrutiert hat, wo sie aber auch ganz, ganz aufsehenerregende Anschläge schon verübt hat. Ein Beispiel ist einer der wichtigsten El-Kaida-Anschläge überhaupt, der auf den amerikanischen Zerstörer USS Cole im Oktober 2000. Der Jemen ist in seiner Bedeutung für die Geschichte dieses Terrornetzwerks überhaupt nicht zu überschätzen.
Barenberg: Der Jemen ist von inneren Konflikten zerrissen. Welche Rolle spielt das für dieses Thema? Ist das ein guter Nährboden für den islamistischen Terrorismus?
Steinberg: Wir können in den letzten Jahren immer wieder feststellen, dass El Kaida besonders dort erfolgreich operiert, wo ihre Gegner sehr, sehr schwach sind, und das sind vor allem die Staaten der Region. Wir sehen das in Pakistan oder Afghanistan, wir haben das im Irak gesehen, in Algerien, aber besonders auch im Jemen. Das Besorgniserregende ist, dass sich der Abwärtstrend des Staates Jemen in den letzten Jahren verstärkt hat. Es gibt drei große innenpolitische Probleme für die jemenitische Regierung. Wir haben zum Einen einen Bürgerkrieg, der seit 2004 schwelt, zwischen der Regierung und saiditischen Rebellen im Norden des Landes. Wir haben zweitens eine sehr, sehr starke separatistische Bewegung im Süd-Jemen, die auch in den letzten Jahren erstarkt ist. Und wir können seit 2006 beobachten, dass die Dschihadisten im Land, die immer stark waren, die immer aktiv waren, sich neu organisiert haben und sich vor allem verstärkt haben mit Kämpfern aus Saudi-Arabien und jetzt eben eine der wichtigsten sozusagen Regionalfilialen der El Kaida in der arabischen Welt darstellen.
Barenberg: Wie stark ist dieser Ableger von El Kaida im Jemen? Es gibt ja unterschiedliche Angaben dieser Tage darüber, wie stark El Kaida überhaupt ist als Netzwerk, und auch darüber, wie stark eben El Kaida im Jemen ist.
Steinberg: Ja und das sind notwendigerweise nur grobe Schätzungen, weil diese Herren ja insgesamt im Verborgenen agieren. Für den Jemen müssen wir von einigen Hundert Kämpfern ausgehen. Es gibt da allerdings auch widerstreitende Zahlen. Einige sprechen von 300, andere eher von 500 bis 600 Kämpfern. Irgendwo dazwischen wird wahrscheinlich die Wahrheit liegen.
Das Problem ist allerdings nicht die Stärke der Organisation, also die zahlenmäßige Stärke, sondern dass sie eben seit Jahren immer wieder trotz aller Bekämpfungsmaßnahmen in der Lage ist, sich zu regenerieren. Das zeigt, dass eben die bisherige Bekämpfung nicht erfolgreich ist. Darüber hinaus müssen wir davon ausgehen, dass El Kaida in Pakistan und in Afghanistan auch noch über mehrere Hundert, wahrscheinlich aber mehr als 300 Kämpfer verfügt. Dann haben wir eben die Filialen im Irak, in Algerien, sodass wir davon ausgehen müssen, dass wir es hier mit einer vierstelligen Zahl von El-Kaida-Kämpfern zu tun haben.
Barenberg: Präsident Obama, der US-Präsident, hat nun angeordnet, die Camps im Jemen mit unbemannten Drohnen anzugreifen. Wir kennen ähnliche Vorgehensweisen auch aus Pakistan. Die jemenitische Regierung hat sich offenbar einverstanden erklärt mit dieser Vorgehensweise. Richard Barrett, der Terrorexperte der Vereinten Nationen, sagt, viele Schlüsselfiguren haben sich im Jemen festgesetzt. Ihre Einschätzung: In welchem Maße werden die USA ihre Operationen jetzt in Zukunft dort ausweiten, verstärken?
Steinberg: Zunächst einmal ist diese Nutzung von unbemannten Drohnen gegen Terrorverdächtige auch im Jemen nichts Neues. Der damalige Fall, den Sie bereits in der Anmoderation genannt hatten, Ali al-Harisi, der im November 2002 gemeinsam mit seinen Begleitern getötet wurde, war der erste große Angriff einer Drohne auf Terrorverdächtige und diese Politik haben die Amerikaner im Grunde auch in den folgenden Jahren fortgesetzt. Wir haben es am 17. Dezember bereits erlebt, dass wahrscheinlich auch Amerikaner beteiligt waren bei Angriffen auf Lager der El Kaida im Süd-Jemen, und es ist davon auszugehen, dass die amerikanische Regierung jetzt unter Druck steht, das auch fortzusetzen. Dabei ist diese Nutzung von Drohnen ein sehr zweischneidiges Schwert. Zum einen kann man beobachten, dass es die stärkste Waffe im Kampf gegen El Kaida in Pakistan ist, wahrscheinlich die einzige, die die Amerikaner im Moment überhaupt haben, weil die pakistanische Regierung eben doch nicht hinreichend kooperiert. Andererseits muss man feststellen, dass bei diesen Angriffen immer wieder Angehörige, Zivilisten zu Tode kommen und der jeweiligen Regierung große Probleme geschaffen werden. Nach dem Angriff vom November 2002 konnte man beobachten, dass die jemenitische Regierung in ihrer Kooperation mit den Amerikanern sehr viel zurückhaltender wurde, weil natürlich hier der Eindruck bestand und der für die Regierung verheerende Eindruck bestand, dass sie mit den USA in einer Art und Weise kooperierte, die große Teile der Bevölkerung nicht mittrug. Insofern wird sich zeigen, inwieweit das im Jemen eine kluge Strategie ist. Eine langfristige, zielgerichtete Strategie ist das meines Erachtens nicht.
Barenberg: Wir haben über einige Filialen von El Kaida gesprochen, Sie haben einige erwähnt. Nicht erwähnt haben wir bisher Nigeria, ein Land, auf das sich derzeit auch alle Blicke richten, das Herkunftsland des mutmaßlichen Attentäters vom ersten Weihnachtstag. Welche Rolle spielt Nigeria in diesem ganzen Ensemble?
Steinberg: Bisher hat Nigeria in diesem Thema keine Rolle gespielt. El Kaida ist ja auch eine arabische Organisation, die mittlerweile verstärkt mit Pakistanis kooperiert und der es auch in den letzten Jahren gelungen ist, andere Ethnien zu rekrutieren. Wir haben beispielsweise erlebt, dass junge Türken, junge Kurden aus Deutschland in die Trainingslager gezogen sind, Pakistanis aus Großbritannien. Insofern kann man da schon eine Erweiterung der sozialen Basis der islamistischen Terroristen beobachten. Schwarzafrikaner waren nicht vertreten bisher, wenn überhaupt, dann nur solche vom Horn von Afrika, also aus Somalia beispielsweise oder Eritrea. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Rekrutierung eines jungen Nigerianers Teil eines größeren Trends ist. Es gibt sicherlich viele junge Leute in Nigeria, die Sympathien für El Kaida und andere dschihadistische Organisationen haben, aber es gibt bisher noch nicht diesen Trend hin zur Rekrutierung in dschihadistischen Organisationen. Ich bin auch der Meinung, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem Einzelfall zu tun haben. Es wird ja auch berichtet, dass die Mutter dieses Herrn Omar Farouq aus dem Jemen stammen soll. Das wäre vielleicht eine Erklärung für die Verbindung hier zwischen Nigeria und der El Kaida im Jemen.
Barenberg: Um zum Schluss noch einmal auf den Jemen zu sprechen zu kommen: US-Senator Josef Lieberman, ein einflussreicher Politiker in den USA, hat gesagt, der Jemen wird das neue Zentrum der El-Kaida-Terroristen werden. Rechnen Sie damit, dass die internationale Gemeinschaft, nicht nur die USA ihren Blick auch in der nächsten Zeit, auch auf lange Sicht verstärkt auf diesen Konfliktherd richten werden, richten werden müssen?
Steinberg: Ich denke, dass man schon seit dem letzten Jahr beobachten kann, dass auch die europäische Politik dort aktiver wird. Die Europäische Union hat ihre Vorgehensweise überarbeitet, und zwar vor allem auf Grund des Konfliktes im Nord-Jemen. Das Interesse ist also da. Ich befürchte allerdings, dass diese missglückte Anschlagsplanung jetzt eher dazu führen wird, dass es wieder darum geht, kurzfristige Sicherheitsgewinne zu erzielen, dass die Amerikaner vor allem dazu übergehen, jetzt die El Kaida dort zu bekämpfen, dass aber die zu Grunde liegenden Ursachen all dieser Konflikte im Land, die weit über El Kaida hinausgehen, nicht gelöst werden. Es geht im Jemen tatsächlich darum, das Abrutschen eines Staates in das vollkommene Scheitern zu verhindern. Es ist durchaus möglich, dass der Jemen in zehn Jahren so aussieht wie Somalia heute, und dafür gibt es keine Ansätze. Ich denke, dass die richtige Vorgehensweise eine grundlegende Reform dieses Staates an Haupt und Gliedern wäre, aber dafür gibt es keine Ansätze und ich glaube auch, dass westliche Politik da in den letzten Jahren gezeigt hat, dass sie doch nicht in der Lage ist, solche scheiternden Staaten tatsächlich zu retten, und das ist das große Problem.
Barenberg: Heute Morgen im Gespräch im Deutschlandfunk Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke schön!
Steinberg: Danke sehr.