Zagatta: Herr Neumann, macht es Sinn, unter diesen Umständen Franz Müntefering jetzt schon in Ihrem Ausschuss anzuhören?
Neumann: In normalen Zeiten würde man das vielleicht nicht machen, aber wir stehen unter Zeitdruck: Der Untersuchungsausschuss beendet seine Tätigkeit mit Ende der Periode. Wir müssen dem Plenum einen Bericht vorlegen und das Plenum des Bundestages hat die letzte Sitzung vor den Sommerferien Juni, erste Juliwoche. Also müssen wir alles, was wir noch ermitteln können, möglichst frühzeitig ermitteln. Wir könnten zwar theoretisch später noch einen ergänzenden Bericht machen - vielleicht werden wir das sogar auch machen -, aber der erreicht nicht mehr das Plenum des Deutschen Bundestages. Deshalb diese Eile, und Franz Müntefering und Herrn Schartau werden wir deshalb hören, weil einer unserer Aufträge lautet: Wer hatte Kenntnis von rechtswidrigen Parteifinanzierungen? Um diesem Vorwurf nachzugehen, werden wir diese beiden Herren jetzt hören.
Zagatta: Nun haben aber beide schon erklärt, Sie wissen von nichts. Wird das für Ihre Arbeit nicht ein ganz schönes Stochern im Nebel?
Neumann: Nun gut, das sind wir ja gewohnt, denn wir stochern sozusagen bereits eineinhalb Jahre im Nebel herum, weil natürlich viele Dinge nicht belegbar sind und Aussageverweigerungsrechte gibt und Zeugen, die einfach nicht erscheinen. Aber in diesem Fall sind wir, die Sozialdemokraten an unserer Ehre gepackt. Wir wollen hier bei der SPD schneller und auch sorgfältiger vorgehen als das in den anderen Fällen möglich war - einfach aus Zeitgründen. Wir hatten ja einen Wust von Themen. Hier ist es ein, wie wir auf jeden Fall hoffen, eng begrenzter Bereich, der Kölner Bereich, und wir hoffen, dass uns da die Ermittlungen der Partei weiterhelfen, und das wird in den nächsten Wochen sicher auch den Ausschuss beschäftigen.
Zagatta: Gehen Sie denn tatsächlich davon aus, dass da etwas herauskommt? Welche Unterlagen wollen Sie denn da heranziehen? Meinen Sie, dass es Ihnen gelingt, dieses Steuergeheimnis zu lüften?
Neumann: Wir haben ja zunächst heute schon Beschlüsse zu fassen. Wir werden alle Unterlagen beiziehen, die bisher erkennbar sind. Dazu gehören die Unterlagen der Staatsanwaltschaft und der Steuerbehörden. Im übrigen sind alle Behörden zur Amtshilfe verpflichtet, das heißt sie sind verpflichtet, uns die Unterlagen, allerdings unter Wahrung des Steuergeheimnisses, herauszugeben - Unterlagen werden bei uns auch vertraulich eingestuft werden -, aber natürlich bekommen wir die Unterlagen. Die Frage ist nur, wie schnell wir sie bekommen, was wiederum von der Ermittlung der Behörden abhängt. Da haben wir leider in anderen Bundesländern nicht so gute Erfahrungen gemacht. Deshalb kann ich Ihnen leider nicht sagen, wie lange das dauern wird.
Zagatta: Sie haben angedeutet, dass der Ausschuss bisher ja schon große Schwierigkeiten bei der Aufklärung der CDU-Spendenaffäre gehabt. Sind sie jetzt, wenn die SPD noch dazukommt, nicht völlig überfordert?
Neumann: Den Teil der CDU haben wir ja weitgehend abgeschlossen, es sei denn es gibt noch einige Nachfragen bei einigen Leuten, aber wir sind eigentlich dabei, den Bericht zu schreiben. Der Entwurf des Berichts, soweit es den Verfahrens- und Feststellungsteil anbelangt, wird am Ende dieser Woche fertig sein. Dann geht er in die Fraktion und es ergibt Ergänzungen. Also, insofern ist dieses weitgehend abgeschlossen, soweit nicht neue Tatsachen hinzukommen. Aber der Kölner Fall muss von uns noch angegriffen werden und so gut es in der Zeit möglich ist untersucht werden.
Zagatta: Was kommt da noch alles auf Sie zu? Wir haben gelesen, dass nun von der SPD sogar gefordert wird, die Spendenpraxis der CSU zu überprüfen, möglicherweise sogar Edmund Stoiber vorzuladen. Steht das für Sie ernsthaft zur Debatte?
Neumann: Also, es ist so: Wir haben zu untersuchen, wenn es konkrete und tatsächliche Anhaltspunkte für Verstöße gibt. Jedem ist bekannt, dass der Stern dort einige Vorwürfe erhoben hat. Wir haben dazu auch schon Dokumente beigezogen oder versuchen sie beizuziehen. Ob es da noch zu einer weiteren Untersuchung kommt, das halte ich eher für ausgeschlossen, denn wir haben ja gar nicht mehr die Zeit. Das Kölner Verfahren wird uns jetzt für die letzten Wochen in Anspruch nehmen, und ich bin fest entschlossen, den Auftrag zu erfüllen, den Bericht vorzulegen, und sei es zunächst eben nur ein Teilbericht.
Zagatta: Also Stoiber vor Ihrem Ausschuss, das ist unwahrscheinlich?
Neumann: Ich kann es nicht ausschließen, aber im Augenblick sehe ich das nicht, weil es andere Zeugen gibt, die im Augenblick wichtiger sind.
Zagatta: Herr Neumann, wenn Sie realistisch sind: Was erwarten Sie denn, dass da am Ende dieser Ausschuss-Arbeit herauskommt? Wird das nicht wieder ein Musterbeispiel dafür, dass nicht sehr viel von solchen Ausschüssen zu erwarten ist?
Neumann: Ich denke, da täuschen sich viele Leute. Natürlich will ich die Bewertung der Feststellung des Ausschusses nicht vorwegnehmen. Das müssen die Fraktionen machen. Das ist auch nicht im Einzelnen bisher besprochen. Aber: die Gesamtschau dessen, was wir untersucht haben und was dabei herausgekommen ist, was manchmal aus dem Gedächtnis der Leute schon wieder weg ist, weil es einfach Tagesereignisse sind, wird zeigen, dass hier eine Fortsetzung einer rechtswidrigen Parteifinanzierung nach Flick, nach staatsbürgerlicher Vereinigung erfolgt ist, mit den selben Leuten, und zwar in einem Umfang, den sich keiner nach den vielen Strafverfahren der 80-er und Anfang der 90-er Jahre in diesem Zusammenhang hätte vorstellen können. Also, ich denke und hoffe jedenfalls, dass die Gesamtschau, die in diesem Bericht da sein wird, wo sicher auch diese Kölner Geschichte hinzukommen wird, den Verantwortlichen sagen wird: So kann es nicht weitergehen.
Zagatta: Volker Neumann, der Vorsitzende des Parteispenden-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Herr Neumann, vielen Dank für das Gespräch.
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