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Der König der bewegten Feder

Seit sein berühmtester Cartoon "Der bewegte Mann" 1994 fürs Kino verfilmt wurde, ist der Name des Comiczeichners Ralf König untrennbar mit der deutschen Schwulenbewegung verbunden. Eine Tatsache, durch die sich der nun 50-Jährige mitunter reduziert fühlt.

Von Gisa Funck |
    "Ich langweilte mich dann irgendwann auch selber. Ich merkte: Also gut, diese Schwulenszene, ich habe da alles gesagt und mir fällt da nicht mehr viel Neues mehr ein, jede Idee, die ich da habe, die habe ich dann schon mal frischer gehabt und fing dann an so zu denken: ist jetzt ein bisschen Wiederkäuen. Und fing dann an zu denken: Was bin ich denn noch als schwul?"

    Nein, Ralf König kann es eigentlich wirklich nicht mehr hören: die Rede von ihm als Comic zeichnendem Vorzeige-Homosexuellen. Dabei ist sein Name natürlich trotzdem spätestens, seit sein berühmtester Cartoon "Der bewegte Mann" 1994 von Sönke Wortmann fürs Kino verfilmt wurde, untrennbar mit der deutschen Schwulenbewegung verbunden. Mit einem neuen, hedonistischen Selbstwertgefühl der Szene, die in den 80er/90er-Jahren ebenso stolz wie sinnenfreudig öffentlich auslebte, was vorher als strikt verpönt galt. König, streng katholisch in der westfälischen Kleinstadt Soest aufgewachsen, kann sich selbst noch gut an die Zeit davor erinnern, als "schwul" in der Provinz immer ein Schimpfwort war:

    "Da war Schwulsein einfach noch eher ein Problemfall. Und da gab es noch Psychoanalysen und trockene Literatur drüber, aber überhaupt nichts, was zeigte, dass Schwulsein auch Spaß machen kann und dass es ein ganz normales Leben ist, nur mit gewissen Unterschieden. Und da bin ich wohl mit den Comics ganz unbewusst reingeschliddert. Ich hatte das gar nicht vor, es war nur das, was mich damals beschäftigt hat, ich habe das gezeichnet und war dann ziemlich schnell der Geheimtipp."

    Ralf König machte nach der Hauptschule zunächst eine Tischlerlehre, bevor er an die Kunstakademie nach Düsseldorf ging. Mit 19 hatte er das Versteckspiel dann satt. Und heftete kurzerhand einen Zettel an seine Hobelbank, auf der für alle lesbar stand: "Schwul zu sein bedarf es wenig, ich bin schwul, und heiß' Ralf König!"

    "Da wollte ich unbedingt mit dem Kopf durch die Wand. Ich sah, dass es ein Coming Out geben muss und ich wollte das so machen wie ein Heftpflaster abreißen, ich wollte das sofort hinter mich bringen, innerhalb weniger Tage, damit der Stress nicht so lange dauert. Und das kann ich auch nur jedem wirklich empfehlen, wirklich mit dem Kopf durch die Wand und das Coming Out möglichst radikal zu machen, nicht so lange rumzudoktern."

    Provokation durch Humor: dieses altbekannte Satiremotto wurde für Ralf König auch künstlerisch zum Erfolgsrezept. Kein anderer deutscher Cartoonist zeichnete ab Mitte der 80er-Jahre den schwulen Alltag so frech und frivol wie er. Kein anderer war schon bald so beliebt beim Lesepublikum, auch bei Heteros. Denn Königs Comics mit so verheißungsvollen Titeln wie "Bullenklöten", "Beach Boys", "Safere Zeiten" oder "Kondom des Grauens" gewährten eine Schlüsselloch-Perspektive, bei der man sich nicht wie ein pornografischer Voyeur fühlen musste. Das liegt zum einen an der berühmten Knollennase, mit der König ähnlich wie vor ihm schon die Genre-Großmeister Loriot oder Mordillo seine Figuren ausstattet, was ihnen eine rotzig-kindliche Unschuld verleiht.

    Selbst härteste Lederschwule verlieren so ihren Schrecken. Darüber hinaus umflort alle Comichelden des bekennenden Peanuts- und Woody-Allan-Fans König stets der Charme leicht tölpeliger Großstadtneurotiker. Sei es nun der häusliche Konrad, der unter den Eskapaden seines umtriebigen Freundes Paul leidet. Oder der schöngeistige Norbert Brommer aus "Der bewegte Mann", der sich unglücklich in seinen Hetero-Nachbarn Axel verliebt:

    "Da hockt ein nackter Hetero auf deinem Wohnzimmertisch und grunzt. Könntest du mir vielleicht andeuten, was der hier macht?"

    "In so einer Comic-Geschichte kommt es mir eher darauf an, was um den Sex herum passiert. Also, das ganze Sehnen vorher, dass es doch bitte passieren möge mit diesem Typen. Und dann passiert es, und dann ist es vielleicht enttäuschend, oder man macht sich da zum Affen, um überhaupt mit dem und dem ins Bett zu kommen. Und dann passieren Pannen. Und dann ist man danach entzaubert und meint irgendwie: das war es doch jetzt gar nicht wert. Also, das interessiert mich mehr: dies Zwischenmenschliche, nicht der Akt an sich."

    Unverkrampft die eigenen Lüste fernab der bürgerlichen Moralzwänge ausleben: danach sehnen sich alle Comichelden von Ralf König. Und auch wenn sie dabei oft tragikomisch scheitern: das macht sie nicht nur zu Galionsfiguren der deutschen Schwulenbewegung, sondern auch zu amüsanten Vertretern der postmodernen Spaßgesellschaft eines sexuell befreiten Anything Goes:

    "Lutschi!"

    "Nenn mich nicht Lutschi! Ich heiße Luigi. Luigi! Es gibt keinen Lutschi mehr."

    "Ich werde dich immer "Lutschi" nennen. In unserer Nacht hat es dich verrückt gemacht, wenn ich dich Lutschi nannte. Aber daran willst du dich wohl nicht mehr erinnern?"

    "Genau. Und du solltest das auch tun, Bob. Denk nicht mehr darüber nach."

    "Ich denke immerzu darüber nach, Lutschi – wir müssen reden!"
    Nachdem die Schlachten der Schwulenemanzipation inzwischen geschlagen sind, sieht König die freie Selbstentfaltung des Einzelnen allerdings nun schon länger durch andere Gesellschaftstendenzen bedroht: nämlich vor allem durch einen wieder erstarkten religiösen Fanatismus. 2005 brachte er nach dem Karikaturen-Streit den Islamkritischen Comic "Dschinn Dschinn" heraus. 2007 folgte mit "Prototyp" der erste Band einer Bibel-Trilogie, in der König den alttestamentarischen Schöpfergott spöttisch aufs Korn nimmt:

    "Ich bin ja nicht nur schwul so, ich habe ja auch ein Interesse an der Welt und an dem, was um mich herum passiert, und da war eigentlich schnell klar – das, was mich am meisten aufregt und aufbringt und ärgert ist die zunehmende Dreistigkeit von Religion, jeder Art Religion. Und dass ich finde, dass diese Aufklärung und diese Trennung von Kirche und Staat durchaus wieder ein Thema ist. Und da bin ich gerade dran, so meine Statements zu geben mit verschiedenen Bibelinterpretationen."

    Der Schöpfergott als eitler Egokünstler, der keine Kritik Adams verträgt. Noah als griesgrämiger Spaßverderber, der freiwillig um die Sintflut bittet. Im September wird der dritte Bibelband, ein Paulus-Comic von König erscheinen, bei dem der Apostel höchstwahrscheinlich auch eine anfechtbare Witzfigur abgibt. Seine Helden sind nun öfter heterosexuell, ihre Probleme philosophischer geworden. Von einsetzender Altersmilde des Autors, der am Sonntag 50 Jahre alt wird, aber glücklicherweise keine Spur, der in seinen Geschichten weiterhin wohltuend respektlos die Untiefen sozialer Konventionen auslotet.