"Der erste Anfang war der, dass ich mit einem Teller kassieren gehen musste. Das habe ich mir nicht lange gefallen lassen, sondern habe bald selbst eine Gesellschaft gegründet, und wir spielten mit 30 und 50 Pfennig Entree. Und wir kamen sehr schnell vorwärts."
Als sich Otto Reutter 1930 im Radio an seine Anfänge als Humorist erinnert, steht er bereits über 40 Jahre auf der Bühne und hat vor Millionen Menschen gesungen. Eigentlich sollte der Junge aus der Altmark, der als Otto Pfützenreuter am 24. April 1870 im Städtchen Gardelegen geboren wurde, Kaufmann werden. Säcke schleppen und Heringe putzen war jedoch so gar nicht nach seinem Geschmack. Stur und zu frechen Scherzen neigend, lief er der Arbeit immer wieder davon:
Als sich Otto Reutter 1930 im Radio an seine Anfänge als Humorist erinnert, steht er bereits über 40 Jahre auf der Bühne und hat vor Millionen Menschen gesungen. Eigentlich sollte der Junge aus der Altmark, der als Otto Pfützenreuter am 24. April 1870 im Städtchen Gardelegen geboren wurde, Kaufmann werden. Säcke schleppen und Heringe putzen war jedoch so gar nicht nach seinem Geschmack. Stur und zu frechen Scherzen neigend, lief er der Arbeit immer wieder davon:
"Kaufmann gelernt. – Heimlich entfernt. Schlich zum Theater – Zwist mit dem Vater! Mutter versöhnlich – wie das gewöhnlich."
Seine Liebe galt der Bühne
Seine Leidenschaft fürs Schauspiel treibt den noch nicht Volljährigen bald nach Berlin, wo er zunächst als Bühnenarbeiter und Statist darbt. Seine erste "Rolle" gibt er in einer sogenannten Lachhalle, dem "American-Theater" – als grimassierender Vollmond, der ein Liebespaar beobachtet. Schon besser läuft es in Karlsruhe, wo ihm ein Buchhändler Logis bietet und ein monatliches Salär zahlt. Reutter schreibt ihm als Dank volkstümliche Nachdichtungen von klassischen Theaterstücken. Von Karlsruhe aus schafft er den Sprung zum satirischen Coupletsänger mit eigenem Repertoire und ist 1896 bereits Hauptattraktion im Berliner Apollo-Theater.
"Es wird alle Tage schöner in diesem Jammertal, wer heut’ noch nicht verrückt ist, der ist nicht ganz normal. Doch wenn auch manches heute die Sinne uns verwirrt, 's gibt Gott sei Dank noch Leute, die sagen unbeirrt: ‚Es geht vorwärts, es geht vorwärts!‘"
Carl Martin Spengler vom Theater im Palais in Berlin, der immer wieder mit einer Reutter-Revue auf der Bühne steht, erklärt das Erfolgsrezept des Humoristen: O-Ton Carl Martin Spengler "Er war sehr interessiert, hat Zeitungen nach allen Richtungen gelesen, hat sich erkundigt, war immer sehr nah am Zeitgeschehen dran, musste das ja auch sein, weil er damit reagierte. Es gibt ja von vielen Couplets unendlich viele Strophen, weil immer wieder neu gedichtet und umgedichtet wurde und aktualisiert wurde, und das machte natürlich für die Zeitgenossen auch den großen Reiz aus."
Von Publikum und Presse gefeiert
Das Talent des jungen Sängers spricht sich herum, die Bühnen werden größer und seine Gagen erhöhen sich stetig, wie er in Briefen an Freunde oder Verwandte gerne betont. "König der Humoristen" nennt die Presse den Mann, der schließlich im damals führenden Varieté-Theater, dem Berliner "Wintergarten" an der Friedrichstraße, ein dauerhaftes Engagement bekommt.
"Er war der Star des Couplets."
Varieté, das bedeutet Nummernprogramm mit Jongleuren, Akrobaten, Tänzerinnen, mit Tierdressur und Lassowerfen – und mittendrin, mit lakonischem Sprachwitz und Grazie, singt Otto Reutter: von der großen Stadt Berlin, neuen Erfindungen, Politik, Alltag und natürlich der Liebe:
"Wie reizend sind die Frauen, fast jede mir gefällt Sie sind vom Manne abgesehen, das Schönste auf der Welt.
Besonders so ein Bräutchen, Was kann wohl süßer sein. Doch wenn man se geheirat hat, da fällt man manchmal rei, rei,
Rein und lieblich ist so'n junges Weibchen. Auf dem Schoß hast Du Dein Turteltäubchen. Jedoch das Glück das Große hält ein Jahr allenfalls Erst. hast'se offen Schoße, dann hast'se offen Hals."
Besonders so ein Bräutchen, Was kann wohl süßer sein. Doch wenn man se geheirat hat, da fällt man manchmal rei, rei,
Rein und lieblich ist so'n junges Weibchen. Auf dem Schoß hast Du Dein Turteltäubchen. Jedoch das Glück das Große hält ein Jahr allenfalls Erst. hast'se offen Schoße, dann hast'se offen Hals."
Carl Martin Spengler: "Was mich interessiert hat, was die Leute, glaube ich auch, vielleicht überrascht, dass das so ein Mann aus dem Volke war, der berühmt geworden ist. Der hatte natürlich auch nicht nur – von heute aus gesehen – gute Seiten: es war vieles kleinbürgerlich, das Frauenbild ist manchmal sehr überholt und so. Aber er hat eben den Leuten aus dem Herzen gesprochen, und sie haben ihn deshalb auch geliebt."
Am Ende eines rastlosen Lebens
Als der kleine Mann aus Gardelegen im März 1931 an einem Herzinfarkt stirbt, hat er ein rastloses Leben aus dem Koffer hinter sich: Er arbeitet unablässig, wird Millionär, verliert sein Vermögen in der Inflationszeit und, schlimmer, seinen Sohn bei Verdun. Was von ihm bleibt, sind Klassiker wie "Der Überzieher", die aus seinem riesigen Werk von über 1.500 Couplets herausstechen.
"Bis ich näh'r das erklär. Dazu drängt die Zeit zu sehr. Das Malheur kommt vorher. Ich hab' den Gang nicht nötig mehr. Zieh' ich, ach, gibt's nen Krach. Da hilft gar kein Weh und Ach – Ich hab'n Schreck und 'n Dreck. Und den Überzieher weg!"