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Der Kompetenzwahlkampf beginnt

Durak: Kennt er den Osten wie seine Westentasche? Vielleicht. Auf jeden Fall aber weiß er aus eigener Erfahrung mit Sicherheit mehr als mancher aktive Politiker von den Problemen in den neuen Bundesländern, die sie so weit noch immer zurückliegen lassen gegenüber dem Westen. Hans Apel, SPD. Seit über zehn Jahren in den neuen Bundesländern in verschiedenen Wirtschaftsfunktionen aktiv, dazu auch noch ein Lehrauftrag für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Rostock, und vielleicht hat er ja auch eine Antwort auf die Frage "Kompetenzwahlkampf der SPD - wann geht's denn los?" Guten Tag Herr Apel!

    Apel: Ich grüße Sie! - Ich denke beide großen Parteien - von der FDP will ich gar nicht mal reden - werden sich sehr hüten, in diesen Wettstreit einzutreten, weil dann müssten ja beide dem deutschen Wähler sehr unangenehme Wahrheiten sagen, erklären wieso wir auf allen Tabellen internationaler Art Schlusslicht sind oder ganz hinten rangieren. Man wird versuchen das fortzusetzen, was man jetzt begonnen hat, nämlich den Wahlkampf so weit zu personalisieren, dass die Bürger sich dann zwischen Mannschaftsangeboten entscheiden müssen. Im übrigen glaube ich, das wollen die Wähler eigentlich auch. Wer liest schon Wahlprogramme und hört genau zu.

    Durak: Es kommt ja darauf an, wie es verkauft wird, Herr Apel, aber meinen Sie denn, dass der Wähler für unangenehme Wahrheiten nicht gut genug ist?

    Apel: Ich bin davon überzeugt, dass die vielen Jahre, bei denen wir immer den Eindruck erweckt haben, bei uns sei eigentlich alles in Ordnung, beim Wähler keineswegs Problembewusstsein geschaffen haben. Deswegen würde wohl ein Problemwahlkampf verdeutlichen, nämlich wir müssen den Arbeitsmarkt liberalisieren, wir müssen die vielen Vorschriften abbauen, wir müssen das Steuersystem umbauen, wir können viele der Versprechungen gar nicht halten, weil wir kein Geld haben, dass solche Ankündigungen schwierig sind und wohl auch jetzt in dieser letzten Phase des Wahlkampfes zu spät kommen. Mein Eindruck ist, beide großen Parteien warten nur darauf, dass der andere anfängt, die Wahrheit zu sagen, um dann über ihn herzufallen. Deswegen sind ja auch die Aussagen im Wahlprogramm der CDU zwar perspektivisch nicht uninteressant, aber von einer Unverbindlichkeit, dass eigentlich nichts damit angefangen werden kann.

    Durak: Wenn es dann aber so ist, dass jeweils die eine Partei nur darauf wartet, dass die andere mit der Wahrheit kommt, dann könnten ja die Parteien das ganze unter sich ausmachen und den Wähler außen vor lassen?

    Apel: Nein, das ist nun völlig falsch. Natürlich wird der Wähler am Ende entscheiden und der Wähler wird sich an Personen orientieren. Da wird man dann fragen wirtschaftspolitische Kompetenz, was hat man von Lothar Späth zu erwarten, was kann die SPD besser machen. Also es werden schon Fragen gestellt werden, aber es wird mit Sicherheit keinen Programmwahlkampf geben.

    Durak: Ich unterhalte mich ja mit Ihnen, weil ich auch gerne Antworten hätte, Herr Apel. Das Stichwort Lothar Späth. Das war ja wohl eine blendende Idee der Union Richtung Osten, Lothar Späth ins Kompetenzteam zu holen mit der Option Superminister.

    Apel: Ich kann Ihnen sagen, ich kenne Lothar Späth aus eigener Erfahrung. Er war Landeschef in Baden-Württemberg, als wir noch regierten. Für mich war er immer der weitaus beste und kompetenteste Ministerpräsident eines Bundeslandes. Insofern hatte er auch ganz hohen Anklang im Westen. Im Osten ist es um so wirksamer, das was Stoiber da gemacht hat, denn die Ossis glauben überhaupt nicht mehr an Programme. Die gucken auf Personen und hoffen auf Personen, und da hat Lothar Späth eben etwas vorzuweisen. Insofern war das schon ein ganz cleverer Schachzug. Ob er auf Dauer hält wird man sehen, denn Lothar Späth wird natürlich Stellung nehmen müssen, immer wieder Stellung nehmen müssen. Dann muss er sich gut halten. Ich bin aber ziemlich sicher, dass er das kann.

    Durak: Ich höre jetzt im Grunde heraus, dass Sie die Wahl schon verloren geben, Herr Apel. Haben Sie sich jetzt verraten?

    Apel: Nein, das ist überhaupt nicht der Fall, weil dieser Schachzug steht der Problematik gegenüber, dass Stoiber sich bisher keineswegs blendend präsentiert hat. Insofern steht es nach diesem Schachzug vielleicht unentschieden. Ich habe keine Ahnung. In jedem Falle - das sagen mir auch alle meine Freunde - sind die Wahlen lange nicht entschieden.

    Durak: Ein Wort zu Edmund Stoiber. Ich fand es ziemlich bemerkenswert, dass Edmund Stoiber bei der Vorstellung seines Kandidaten sinngemäß gesagt hat, Chefsache sollte der Osten sein, und da holt er sich einen Chef, einen der mehr von der Sache verstünde als andere. Das heißt ja, Stoiber hat sein Licht etwas heruntergenommen. Das kommt ganz bestimmt im Osten an!

    Apel: In jedem Fall ist das ein ganz interessanter personeller Ansatz, denn das sind auch meine Erfahrungen in Ostdeutschland. Wenn man mal von Biedenkopf und Stolpe absieht, aber beide haben natürlich den Zenit längst überschritten bzw. Biedenkopf ist bereits ausgeschieden, sieht man eben drüben keine Persönlichkeiten. Drüben ist man noch programmunkgläubiger. Man hat sich über 40 Jahre ununterbrochen allen möglichen Quatsch anhören müssen, und da ist das schon ein interessanter Schachzug. Das ist richtig.

    Durak: Wo ist der Lothar Späth der SPD?

    Apel: Das ist das eigentliche Problem. Der Bundeskanzler kann kein Schattenkabinett aufstellen, weil er ein Kabinett hat. Da ist ein durchaus tüchtiger Wirtschaftsminister. Ich halte den für tüchtig; der ist auch gut. Aber er ist natürlich kein Sozialdemokrat, sondern er ist parteilos und da kann man nicht rummachen. Im übrigen ist das doch das eigentliche Problem deutscher Innenpolitik. Wir haben sicherlich tüchtige Innenpolitiker, Justizminister, was weiß ich, aber beide Parteien - und von der FDP gar nicht zu reden - haben doch einen Riesenmangel an qualifizierten Finanzpolitikern - da ist allerdings Eichel zu bemerken; der ist eine einsame Größe - und einen Riesenmangel an Wirtschaftspolitikern. Also Späth gegen Eichel. Auch das ist dann wieder Pari.

    Durak: Sie sagten eben, man kann da jetzt nicht rummachen. Aber irgendwie hat man doch den Eindruck, der Kanzler macht schon gelegentlich rum. Alle 14 Tage jetzt in letzter Zeit nennt er mal ein paar Personen, lobt sie über den grünen Klee und weil er andere weglässt, sind den Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Das wirkt irgendwie wie herummachen.

    Apel: Ich will das nicht kommentieren. Ich kann das auch nicht beurteilen, ob es wirklich so ist. Ich lese ja jeden Tag mehrere Zeitungen. Da empfinde ich das so wie Sie. Aber was will er denn eigentlich sonst machen. Er kann nur sagen, die sind Klasse. Im übrigen denken wir alle, dass die Klasse sind. Was soll er über andere sagen?

    Durak: Vielleicht überlegt sich der Bundeskanzler manchmal doch nicht so genau was er sagt. Wenn ich zum Beispiel lese, dass er den Telekom-Chef Ron Sommer für seine gute Arbeit lobt und in den Wochen davor immer wieder höre, dass die Kleinaktionäre ihr Geld verloren haben, die T-Aktie stürzt und stürzt und stürzt.

    Apel: Ich kann dazu nur ganz persönlich antworten. Als es damals los ging mit dieser Volksaktie, habe ich einen schlauen Menschen gefragt und der hat zu mir gesagt, lass bloß die Finger davon, die Person, die da an der Spitze steht, und die Sache selber sind nicht koscher. Ich habe deswegen viel Geld gespart bzw. nicht verloren. Ich stehe hier auch eher im Lager der Kritiker.

    Durak: Warum sagt er dann aber das?

    Apel: Da muss ich Sie wirklich bitten, dass Sie ihn persönlich fragen.

    Durak: Das mache ich bei nächster Gelegenheit, weil wir immer so viele Interviews hören. Jetzt mal im Ernst, Herr Apel: wenn Wirtschaft und Arbeit die Themen sind, mit denen die Wahlen im September gewonnen werden, worauf muss sich die SPD intensiv, um auch zu sagen schleunigst konzentrieren, wenn sie doch noch gewinnen will?

    Apel: Bei Arbeit ist sie gut aufgestellt. Da sehe ich kein Problem. Dass wir natürlich insgesamt mit dem System unserer Alterssicherung Probleme haben, das wissen wir, aber das ist kein spezifisches Problem. Der Minister ist gut. Bei der Wirtschaftspolitik wäre es natürlich nicht so schlecht, wenn die Sozialdemokraten in den nächsten Wochen zumindest zwei, drei Persönlichkeiten herausstellten, was schwierig ist, denn sonst müsste man ja eigentlich sagen, Müller kann's nicht. Das ist falsch: Müller kann's. Aber vielleicht kann man da noch ein bisschen Butter bei die Fische tun, indem man sagt, die haben den Späth und wir haben noch zwei oder drei ganz tolle Leute, die den Kanzler speziell beraten werden. Das würde den Wahlkampf zwar weiter personalisieren, was ich nicht gut finde, wäre aber keine dumme Idee.

    Durak: Und wann entdeckt die SPD endlich den Osten?

    Apel: Wissen Sie das mit dem Osten ist eine ganz schwierige Sache. Drüben muss man erst mal ökonomische Erfolge sehen, die im übrigen ja da sind, aber nicht in der Fläche da sind. Dann wird man wieder zuhören. So ganz allgemein herumreden und nur Geld bereitstellen führt nicht sehr viel weiter. Deswegen ist eben das mit der Späth-Nummer eine intelligente Sache.

    Durak: Hans Apel, der ehemalige SPD-Politiker. Wir haben das Interview mit ihm aufgezeichnet.