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"Der Kongo macht keinen Sinn"

Der Verteidigungsexperte Rolf Clement geht davon aus, dass der Kongo-Einsatz heute im Parlament abgesegnet wird, obwohl viele aus den Koalitionsfraktionen eigentlich dagegen sind. Wenn der Bundestag den Einsatz verweigere, würde die Regierung Schaden nehmen, betonte Clement. Der Einsatz sei nicht überzeugend begründet worden und mache in der geplanten Form auch keinen Sinn.

    Simon: Sie haben es vorhin in den Nachrichten gehört. Heute wird der Bundestag über die Entsendung deutscher Soldaten in den Kongo entscheiden. Sie sollen dort im Rahmen einer EU-Mission die ersten freien Wahlen absichern. Die Bundeswehr wird mit fast 800 der rund 2.000 EUFOR-Soldaten das Hauptkontingent stellen und außerdem die Führung des Einsatzes übernehmen, die auf sieben Monate begrenzt ist. Alles andere als eine einfache und ungefährliche Aufgabe. – Bei mir im Studio ist jetzt mein Kollege Rolf Clement, der sich seit vielen Jahren mit Verteidigungspolitik beschäftigt. Herr Clement, was erwarten Sie von der Debatte heute im Bundestag?

    Clement: Heute werden die Argumente noch mal ausgetauscht, allerdings ein bisschen nach anderen Gesichtspunkten als sonst. Viele der Abgeordneten, mit denen ich gesprochen habe, vor allen Dingen aus den Koalitionsfraktionen sind eigentlich dagegen, dass dieser Einsatz gemacht wird. Das werden wir heute aber von denen nicht hören, sondern wir werden heute hören, dass das alles sein muss und dass das wichtig ist für den Aufbau des Kongo und für die Demokratisierung dort, weil sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Minister Jung und Steinmeier bereits seit langer Zeit festgelegt haben, dass das so sein soll, vor allen Dingen in Gesprächen mit Frankreich, die diesen Einsatz ja initiiert haben. Man befürchtet, wenn man jetzt im Bundestag Nein sagen würde, würde man die Regierung insgesamt beschädigen. Das sind also mehr politische als im Kongo liegende Gründe, warum man heute diesen Einsatz voraussichtlich beschließen wird.

    Simon: Also ein Ja mit ganz großen Bauchschmerzen?

    Clement: Mit ganz großen Bauchschmerzen, mit auch Bedenken, ob das überhaupt sinnvoll ist. Auch mein Eindruck ist, dass das dort mehr ein Flagge zeigen der Europäischen Union ist, als dass man dort wirklich etwas bewirkt. Man ist für vier Monate im Land selber. Das zählt ab dem Wahltag 30. Juli, wenn er dann zu Stande kommt. Die sieben Monate, die Sie erwähnt haben, kommen daher, dass man sechs Wochen vorher zum Aufmarsch braucht und sechs Wochen danach zum Abrücken. Man ist nur im Raum Kinshasa. Die EU sagt ganz offen, ob die Wahlen fair und frei sind können wir mit den paar Wahlbeobachtungen, die wir im Land haben, gar nicht feststellen. Also von daher ist schon auch an der Frage, können wir eigentlich die Wahlen absichern, ein Fragezeichen anzubringen. Das Land ist so groß. Es reicht von Portugal bis Weißrussland, um es mal auf europäische Dimensionen umzurechnen. Da sind 2000 Mann natürlich weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.

    Simon: Was haben Sie erfahren können über die Stimmung in der Bundeswehr selber?

    Clement: Die wollen eigentlich auch nicht. Die sehen das auch so. Die sehen das auch eher skeptisch. Hinzu kommt, dass es ja die Verbände sind, die eigentlich immer schon mit Auslandseinsätzen belastet sind. Es sind immer die gleichen, die in solche friedenssichernde Missionen reingehen. Ein Beispiel: Die Bundeswehr hat inzwischen so viele Ärzte im Auslandseinsatz, dass sie Probleme hat, die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr im Inneren noch sicherzustellen.

    Simon: Für wie glaubhaft halten Sie denn die Versicherung, dass der Einsatz auf sieben Monate beschränkt bleibt? Das war ja in der Vergangenheit oft nicht der Fall.

    Clement: Das klopfen alle sehr deutlich fest, mit einer einzigen Ausnahme. Ich habe mit dem verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU Bernd Siebert gesprochen. Der hat gesagt, wenn es dort nach den Wahlen Unruhen gibt und wir das nach vier Monaten eben nicht im Griff haben, dann muss man noch mal neu nachdenken. Auch da ist schon eine kleine Öffnungsklausel, ein Hintertürchen eröffnet.

    Simon: Sie sprachen die internationalen Einsätze der Bundeswehr an. Deutschland übernimmt ja heute auch das Kommando über die internationale Schutztruppe ISAF für ganz Nord-Afghanistan. Das ist eine Gegend, aus der wie aus dem Rest Afghanistans immer öfter Anschläge gemeldet werden, die wie auch der zuständige deutsche Kommandeur gesagt hat eindeutig nicht ruhig und nicht stabil ist. Der Verteidigungsminister sagt selber, er sei beunruhigt. Der Bundeswehrverband lehnt den Einsatz insgesamt als konzeptionslos ab. Wie sehen Sie die Zukunft der Bundeswehr in Afghanistan?

    Clement: Das ist jetzt eine schwierige Phase, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen dehnt die NATO sich insgesamt mit anderen Streitkräften in den Süden aus, wo die Kampfhandlungen gegen die Taliban ja noch sind. Das führt natürlich zu einer verstärkten Tätigkeit der Taliban oder ihr anhängenden Gruppen auch im Norden. Dadurch entsteht der eine Unsicherheitsfaktor, der jetzt da ist und der natürlich im Frühjahr, wo man leichter wieder zu den Waffen greift als im Winter, jetzt auch ausgetragen wird.

    Das zweite Problem ist: Ich bin der Meinung, dass die Wahlen in Afghanistan zu früh stattgefunden haben. Wir haben noch keine ökonomische Stabilität in dem Land. Wir haben viele Leute, die noch von den War Lords, die sich ja über Drogenanbau finanzieren, abhängig sind, die die dann auch gewählt haben, und haben jetzt die Situation, dass eben diese War Lords, eben diese Leute, die dort für Unruhe sorgen, mit einer demokratischen Legitimation agieren, weil sie ins Parlament gewählt sind. Das ist der zweite Punkt.

    Simon: Insgesamt zu den internationalen Einsätzen, hat die Bundesregierung der Bevölkerung gut genug erklärt, warum Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan und in den Kongo müssen?

    Clement: Bei Afghanistan sehe ich das schon so, dass man dort den Versuch gemacht hat, es breit zu erklären. Wer zuhören konnte, hat viele Argumente gefunden. Der Kongo-Einsatz ist nicht überzeugend begründet. Er ist aus meiner Sicht auch nicht überzeugend begründbar. Wenn man in den Kongo geht und dort wirklich helfen will, dann muss man das stärker tun, muss sich richtig engagieren, auch langfristiger. Das was man da macht ist so ein bisschen schwanger. Also man müsste sozusagen schon etwas genauer, etwas präziser begründen und die Zurückhaltung, die die Bundesregierungen immer gefordert haben, für sich selbst gefordert haben für solche Einsätze, die sehe ich zumindest beim Kongo-Einsatz nicht gefährdet. Afghanistan macht schon Sinn, der Balkan macht Sinn, aber Kongo macht keinen Sinn.

    Simon: Das waren Informationen unseres Deutschlandfunk-Verteidigungsexperten Rolf Clement.