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Der Krieg der Bilder

Der Kaukasuskrieg beschäftigte vor drei Monaten die Weltöffentlichkeit. Deutsche und internationale Medien berichteten umfassend über den Konflikt zwischen Russland und Georgien. Doch die Jagd um Bilder, die Propaganda der Kriegsparteien, die Beschränkungen, denen Journalisten ausgesetzt waren, erschwerten eine einwandfreie Berichterstattung. Im Rahmen des European Television Dialogues blickten internationale Medienvertreter bei einem Treffen im Auswärtigen Amt zurück.

Von Eleni Klotsikas |
    "Frau Kvintradze, es gab den Vorwurf auch, dass in Ihrem Sender oder in georgischen Sendern, Bilder von Zerstörungen durch georgische Truppen als Zerstörung durch russische Truppen dargestellt wurden. Haben Sie diese Bilder bewusst gesendet, waren das Auflagen?"

    Die Frage von Ullrich Deppendorf an die Chefproduzentin der Nachrichtenredaktion des georgischen öffentlich-rechtlichen Fernsehkanals Rustawi2 war sicherlich nicht eine der angenehmsten. Für Sophie Kvintradze jedoch war die Antwort klar:

    "Bevor der Krieg begonnen hatte, behauptete das russische Fernsehen schon, dass 2.000 Zivilisten von der georgischen Armee in Zchinwali getötet wurden. Das wurde von keiner internationalen Organisation jemals bestätigt. Das ist auch Propaganda."

    Im Laufe der Gesprächsrunde betonte sie noch:

    "Zwei georgische Journalisten wurden von russischen Soldaten erschossen, nur weil sie sie auf georgisch begrüßt hatten."

    Das ist Propaganda, empörte sich der Journalist Maxim Shevchenko vom russischen Staatsfernsehen Channel one.

    Was schon vorher vielen klar war, wurde durch die Diskussion noch bestätigt. Fernsehsender, sowohl in Russland als auch in Georgien, dienten beiden Regierungen gleichermaßen als Propagandainstrument. Kaum verwunderlich, denn sowohl Putin als auch Saakaschwili hatten das Fernsehen in ihren Ländern in den vergangen Jahren auf Staatslinie gebracht und regierungskritische TV-Sender schließen lassen.

    Für westliche Journalisten wie den ARD-Moskau-Korrespondenten Stephan Stuchlik, der vor Ort über den Kaukasus-Krieg berichtete, war die Sache eindeutig: Er würde in diesem Krieg weder georgischen noch russischen Medien Glauben schenken:

    "Indem Moment als der Konflikt ausbrach, haben beide Sender und der Rest der gesamten Medienlandschaft nationalistisch reagiert. Da wurden Propagandastücke gebracht. Das russische Fernsehen hat Beiträge gezeigt, wo Saakaschwili von Psychologen mit Hitler verglichen wurde. Das georgische Fernsehen hat jede Stunde Propagandamusik gebracht, wo immer Georgien, Georgien gesungen und dabei martialische Bilder aus dem Krieg gezeigt wurden. Sich auf so etwas zu verlassen und zu sagen: Ich nehme jetzt Bilder aus dem georgischen oder aus dem russischen Fernsehen verbietet sich von ganz allein."

    Doch das Problem der Bilder war dadurch nicht gelöst und wurde westlichen Medien zum Verhängnis, als es darum ging, ausgewogen zu berichten. Ein Schuldeingeständnis gab es zumindest auf dem Podium von den deutschen Journalisten, die zugaben, anfangs in der Berichterstattung ungleichgewichtig zugunsten der georgischen Seite berichtet zu haben. Das lag auch daran, dass die georgische Regierung sich von Anfang an der Macht der Bilder stärker bewusst war ihr russischer Gegner, sagt Stephan Stuchlik aus eigener Erfahrung:

    "Ich habe am zweiten Tag versucht, nach Zchinwali reinzukommen. Ich habe siebeneinhalb Stunden an der Grenze gestanden, und mir ist es nur mit äußerst russischen Methoden gelungen, nach Südossetien reinzukommen. Während die georgische Seite sofort begriffen hat: aha, man muss Journalisten einen Service bieten. Es gab von Tiflis aus kleine Busse, die die Leute dann dahin gefahren haben und gesagt haben: Hier ist gerade was ganz Schlimmes passiert, hier sind die Angehörigen, die können sie gerne mal fragen."

    Als es dem ARD-Korrespondenten als einzigem ausländischen Journalisten gelang, nach Südossetien vorzudringen und mit Opfern und Augenzeugen auch über die Gräueltaten der georgischen Armee zu sprechen, änderte sich schlagartig die öffentliche Wahrnehmung des Krieges auch international. Als Exklusivmaterial verkaufte die ARD die Bilder an sämtliche westliche Sender und Agenturen. Zu diesem Zeitpunkt merkte Stuchlik allerdings, wie schnell sich eine Meinung über Täter und Opfer allein durch die Macht der Bilder in den Köpfen festsetzten kann.

    "Es gab sehr ungläubige Fragen, und man merkte, dass natürlich diese drei Tage an antirussischer Berichterstattung einen Eindruck hinterlassen haben, nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei meinen Chefs und in der Nachrichtenredaktion."

    Doch um den Kaukasuskrieg und auch die immer noch dramatische Situation des Konflikts journalistisch korrekt wiedergeben zu können, reiche es nicht aus, nur darauf zu schauen, wer als erstes und dazu noch am schärfsten geschossen hat. Soweit bestand bei allen auf dem Podium Einigkeit. Die über 100 Jahre alte Geschichte des ethnischen Konfliktes sei mit einzubeziehen. Natürlich hat auch hier jede Seite ihre eigene Version der Wahrheit und versucht, diese im Kampf um die öffentliche Meinung mit allen Mitteln durchzusetzen.