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Der Künstler Einar Turkowski
Von Fischwolken und Halmhäusern

In Einar Turkowskis Buch "Die Mondblume" steht der wunderbare Satz: "Die schönsten Erklärungen sind nicht selten diejenigen, die das Geheimnis vergrößern." Was er genau damit meint, wie er die Welt sieht und wie das seine Arbeitsweise prägt, darüber sprach der Künstler im Dlf.

Einar Turkowski im Gespräch mit Ute Wegmann | 13.01.2018
    Einar Turkwoski
    Der Künstler und Illustrator Einar Turkowski (dpa)
    Ute Wegmann: Heute betrachten wir Fischwolken und eine Mondblume, stellen uns Halmhäuser vor und Himmelsleitern, Fundstücke und eine Nachtwanderin. Alles das in schwarz und weiß. Gezeichnet. Alles das Bild- oder Buchtitel eines Künstlers, der offensichtlich auch noch in anderen Welten als der unseren zuhause ist. Einar Turkowski. Geboren 1972 in Kiel studierte er in Hamburg an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in der Illustrationsklasse von Rüdiger Stoye. Zahlreiche Auszeichnungen hat er für seine Werke erhalten. Auch auf den besten 7, der Deutschlandfunk-Bestenliste, war er mit all seinen Werken vertreten. Besonders sein erstes Buch ist hochgeehrt: "Es war finster und merkwürdig still" – so der Titel, erhielt den Grand Prix der 21. Biennale der Illustration in Bratislava 2007. Einar Turkowski, ich begrüße Sie ganz herzlich im Studio, und möchte Sie gleich zitieren: Sie sagen über Ihre Bilder: "Ich schaffe realitätsnahe Situationen mit Verfremdungen und surrealen Elementen." Einige Bilder sind nah an der Realität, aber es gibt eine Menge Surreales und Fremdes: Schwebende Häuser, reich verziert, Fantasiewesen gern mit mechanischen Elementen, Bäume mit eigenwilligen Blättern. Alles geheimnisvoll und besonders und nie zuvor gesehen. Ich habe mich gefragt: Woher kommen diese Figuren? Welche Filme muss ich sehen, welche Musik muss ich hören, welche Bücher muss ich lesen, um ihrer geheimnisvollen Welt ein Stück näher zu kommen?
    Einar Turkowski: Ich grüße Sie. Vielen Dank, dass ich hier sein darf. Ich freu mich sehr. Auf jeden Fall ist das, was Sie zuerst angesprochen haben, etwas, was mich sehr reizt und immer wieder interessiert: Die Gratwanderung zwischen der Realität und der Fantasie. Und ich versuche mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung zu wandern. In den letzten Büchern war ich hauptsächlich in der Realität verhaftet, weil ich es besonders spannend finde, wenn die dann durch etwas Surreales gestört wird, wie ein Augenzwinkern, wenn man plötzlich etwas wahrnimmt, was man dort gar nicht vermutet. Es gibt auch Bücher, wo ich hauptsächlich aus der Fantasie schöpfe. Es hängt vom Thema ab, und man muss immer auf das jeweilige Buch eingehen. Und ich versuche mich einzulassen, und gucke dann, welcher Ton, welche Art des Illustrierens die richtige ist. Auf die Frage, welche Bücher man lesen muss, muss ich beschämend antworten, das ich kaum Zeit habe zum Lesen, weil ich so viel am Schreibtisch sitze und illustriere. Ich beschäftige mich, wenn ich lese, gern mit Graphic Novels. So versuche ich mich visuell fortzubilden. Das gibt mir Ruhe und Kraft. Filme, es gibt so viele tolle Filme. Ich hab als Jugendlicher selber mit Super8 Filme gedreht, aber mehr so Actionsachen. Ich wollte mal Stuntman werden, das war so eine Phase. "Die Stadt der verlorenen Kinder" , das wäre so ein surrealer, abgefahrener Film, den ich mag. Aber meine Bandbreit geht von ... bis .... Ansonsten ziehe ich meine Inspiration aus allem, was ich sehe, versuche mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, halte mich gern an Kleinigkeiten fest. Insbesondere an Kleinigkeiten. Ich nenne das den zweiten Blick zulassen, hinter die Kulissen schauen. Ich renne mit meiner Kamera durch die Gegend, mache Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die ich dann manchmal auch für die Bilder als Vorlage verwende.
    Alt und aktuell zugleich
    Wegmann: Nun haben Sie gerade Graphic Novels erwähnt, der andere Begriff für Comic. Graphic Novels werden auch bei uns oft besprochen. Gibt es denn da jemanden, der für Sie besonders wichtig oder interessant ist?
    Turkowski: Das wichtigste Werk wäre für mich Shaun Tans "Ein neues Land", ein großartiges Werk, sowohl inhaltlich als auch von der Umsetzung. Im Moment fahre ich sehr ab auf Melvile (Red: Illustrator Romain Renard), mir fällt aber der Illustrator jetzt nicht ein. Da gibt es zwei Bände. Ganz großartig. Melvile ist etwas dazwischen, zwischen schnell hingeworfenen, großzügigen Figuren und sehr detailliertem Hintergrund. Das liebe ich. Ansonsten alle Klassiker, Asterix, Tim & Struppi. Was ich sehr lieb und schon als Kind mochte: Hal Fosters Prinz Eisenherz. Mir war lange nicht bewusst, dass diese Bände schon in den 1930er Jahren entstanden sind. Manchmal ist man erstaunt, wie alt die Sachen schon sind und wie aktuell sie wirken.
    Wegmann: Shaun Tan ist ja ein heutiger Künstler, australischer Autor und Illustrator, der auch schon zu Gast bei uns im Büchermarkt war. Der Titel "Ein neues Land" ist in Schwarz-Weiß- und Sepiatönen gehalten. Auf ihrer Webseite führen sie den Besucher durch ihre Arbeitswelt. Man erfährt interessante Sachen, z.B. die wichtigsten Arbeitsmaterialien. Wollen Sie die selber mal benennen?
    Turkowski: Das sind gar nicht viele. Ich brauch nur einen Schreibtisch und ein bisschen Zeichenmaterial, Bleistifte und Buntstifte. Manchmal arbeite ich mit Buntstiften monochrom. Dann brauche ich einen guten Knetradiergummi, damit kann man kneten und formen, abtupfen und rollen, leichte Vorzeichnungen wegnehmen und sehr präzise arbeiten.
    Wegmann: An Ihrem ersten Buch arbeiteten Sie drei Jahre und verbrauchten 400 Bleistifte. Für die Nachtwanderin benötigten Sie nur 90 Buntstifte. Was ist dazwischen passiert?
    Turkowski: Ich glaube, dass ich ein wenig effektiver geworden bin, was sich aber eigentlich nur auf die Entscheidung auswirkt. Ich habe ein Skizzenbuch, in dem ich viele Variationen für ein Bild anfertige, damit ich mich für das beste Bild entscheide.
    Wegmann: Für mich noch mal zum Verständnis: Ich habe mich natürlich an den 400 Bleistiften im Gegensatz zu den 90 aufgerieben. Woran liegt das? Sind Sie schneller geworden, müssen Sie nicht mehr so viele Vorarbeiten leisten?
    Turkowski: Es liegt hauptsächlich an der Technik. Die Bleistiftzeichnungen sind filigraner und präziser, brauchen mehr Arbeitsaufwand. Der Buntstift hat für mich den Vorteil, dass man die Stifte nicht so fein anspitzen kann und ich ein anderes Papier verwende, und dadurch habe ich einen zügigeren Strich. Das ist manchmal auch ein schöner Wechsel, wenn man von der Hyperpräzision in die etwas freieren Striche kommt. Das ist auch zum Durchatmen.
    Alles beruht auf Kontrasten
    Wegmann: Die Geschichten, die sie erzählen, sind leise und geheimnisvoll. Sie haben alle etwas Verbindendes: Sie spielen überwiegend in der Nacht. "Die Mondblume" – eine Geschichte über eine Blume, deren Blüte sich lange nicht öffnet, und die dann bei Vollmond zu unglaublicher Schönheit erstrahlt. "Der rauhe Berg",– ein Berg, den die Menschen fürchten, immer wieder umkehren ihn nicht besteigen, bis einer kommt, der es wagt. Eine Parabel über die Beschwerlichkeit und Schönheit des Lebens. "Als die Häuser heimwärts schwebten" – Erzählbilder, auch hier die meisten vor schwarzem Nachthimmel. Und natürlich "Die Nachtwanderin" – hier steckt die Nacht schon im Titel, die Geschichte einer Frau, die nachts durch den Ort streift, Zahlen an Hauswände schreibt, merkwürdige Figuren in den Meeressand steckt, eigenwillige Wege geht, über Mauern!. Erzählt aus der Perspektive zweier Jungen, die sie beobachten. Bei Ihnen, Einar Turkowski, verdeckt die Nacht nicht, sondern im Gegenteil, sie bildet die Matrix für das, was sie offenlegen möchte. Kann man das so sagen?
    Turkowski: Das kann man sehr gut so sagen. Da komme ich wieder auf die technische Seite zurück. Das Schwarz, diese nachtschwarzen Hintergründe, ist das Gegenstück zu den hellen Vordergründen. Insofern ist es wie Tag und Nacht. Das Spiel zwischen Hell und Dunkel beinhaltet wieder die Surrealität, denn wenn man sich die dunklen Hintergründe anschaut, müsste der Rest des Bildes mehr Schatten aufweisen, das tut es aber nicht. Es ist alles sehr detailliert, bis ins Kleinste zu erkennen. Diesen Kontrast, diesen Bruch finde ich interessant, damit spiel ich auch. Wobei immer alles auf Kontrasten beruht. Es ist nicht nur der eine, hell und dunkel, der der größte Kontrast ist, mit dem man zeichnerisch arbeiten kann, sondern es sind Kontraste zwischen schnell-gezeichneten Flächen und langsamen, zwischen Linien und Flächen, zwischen Struktur und Ordnung. Es gibt also vielfältige Möglichkeiten. Dieser Schwarz-Weiß- Kontrast ist einer davon.
    Den zweiten Blick zulassen
    Wegmann: "Der rauhe Berg" ist – etwas mehr noch als die anderen Bücher – ein philosophisches Werk. Grau, kalt und gefährlich erscheint anfangs der Berg in diesem großformatigen, schlanken Bilderbuch. Mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Fantasiewesen an Schnüren, Drachen, Figuren fast Oskar Schlemmer-artig. Felswände werden zu Fischköpfen, in deren offenen Mäulern Treppen verschwinden. Die Farbe der Kieselsteine verändert sich im Laufe des Weges ebenso wie ihr Muster. Kleine Dinge weisen dem Wanderer den Weg. Zu Beginn ein wichtiges Schild, auf dem steht: "Sieh wenn du kannst." Ist das das erste Plädoyer?
    Turkowski: Auf jeden Fall eins der wichtigsten für dieses Buch. Das Sehen spielt eine tragende Rolle. Den zweiten Blick zulassen: Ich habe neben großformatigen Hochformaten immer auch panoramaartige Bilder, die sich auf einer Doppelseite widerspiegeln, die wie ein Augenpaar wirken, immer nur auf einer Ebene einen Blick zulassen. Das bedeutet, je mehr man in die Tiefe geht, hier symbolisiert durch das Hinaufsteigen, erfährt man immer mehr über sich selbst, über die Welt, über alle möglichen Dinge, ob es die Kunst ist, die den Blick schärft, ob man mehr Toleranz erfährt. Das ist etwas, was mich immer wieder beschäftigt. Wie nimmt man die Welt wahr, wenn man sich mehr Mühe gibt oder sich einlässt auf Dinge, die scheinbar unwichtig sind, man trotzdem den zweiten Blick zulässt und sich öffnet.
    Wegmann: Jetzt haben Sie mein Stichwort aufgegriffen, es geht darum, dass sich die Mühe lohnt, weil der Blick sich öffnet und zu neuen Erkenntnissen führt, das ist auch für mich eine Aussage des Buches. Und es geht darum, Ängste zu überwinden und sich frei zu machen, sich hinwegzusetzen über das, was andere sagen.
    Turkowski: Wie Sie gesagt haben, das Buch ist mein philosophischstes und mein tiefgründigstes. Viele Erkenntnisse, die ich für mich als wahr empfinde, oder philosophische Fragen, die ich aufgeworfen habe, die jeder für sich auf seine Weise beantworten kann, habe ich hier verarbeitet. Das finde ich auch immer wichtig für ein Buch, dass es nicht eine Interpretation ermöglicht, sondern dass man den Betrachter mitnimmt und seine eigene Interpretation und Sichtweise zulässt. Das Buch endet ja auch damit, dass die Hauptfigur zwar auf dem Gipfel anlangt, aber es geht weiter. Ich liebe es, Geschichtsenden zu haben, die nicht wirklich ein Ende sind, sondern Fragen offen lassen, weil ich den Betrachter integrieren möchte. Ich möchte, dass er mitdenkt und sich selbst darin wiederfindet. Und das kann man gestatten, wenn man ihm Freiraum gibt, zwischen den Zeilen zu lesen.
    Wegmann: Wir haben über die Bildgestaltung schon gesprochen: Es ist ein schmales, hohes Buch, wie ein Berg. Im oberen Viertel die Zeichnung, darunter max Viertel der Text, und der Rest bleibt weiß. Wozu dient der Raum?
    Turkowski: Eine sehr schöne Frage, weil diesen Weißraum sich zu erlauben, sehr mutig ist. Nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch dem Verleger gegenüber. Es ist unbedruckte Fläche, die in gewisser Weise Geld kostet. Das ist Luxus, aber es musste auch so sein. Ich wollte damit Distanz und Höhe andeuten. Die Schrift will atmen, der Raum will atmen, durch den Inhalt war das vorgegeben. Ich brauchte einen hohen Raum und deshalb hab ich auch den Wechsel genommen, zwischen Querformat und Hochformat, um den Kontrast entstehen zu lassen. Ich hätte das Format nicht verwendet, wenn es nicht um einen Berg gegangen wäre.
    Zeichnen als Lebenselixier
    Wegmann: Beim "rauhen Berg" und bei der "Mondblume" zeigt sich, dass Geduld mit Schönheit belohnt wird. Ist das eine Erkenntnis aus dem Leben oder aus mühevollen kreativen Arbeitsprozessen?
    Turkowski: Vielleicht beides! Ich werde immer gefragt, wie lange ich daran sitze und wie man das überhaupt aushalten kann. Für mich ist das ein Lebenselixier. Ich brauche jeden Tag meine Arbeit, es ist jeden Tag schön, sich daran zu setzen. Ich brauch aber auch jeden Tag meine Auszeiten.
    Wegmann: Ihre Verfremdungen, Gesichter zwischen Blattwerk der Bäume, eigenwillige Wesen, Nummerierungen an ungewöhnlichen Stellen – das ist, Sie haben es gesagt, eine Einladung die Sehgewohnheiten zu ändern oder zu stören. Vieles, was Sie zeichnen, spielt in der Natur und mit der Natur. Sind Sie ein Naturmensch, der das Draußen braucht zur Inspiration?
    Turkowski: Absolut! Ich brauch die Zwischenphasen der Erholung in der Natur. Meistens zeichne ich vormittags und abends, aber ich brauche die Zeit mit dem Mountainbike oder das Surfen, oder einfach im Wald spazieren gehen. Das ist ganz essenziell für mich.
    Wegmann: "Als die Häuser heimwärts schwebten", Erzählbilder, zehn Gegensatzpaare auf 10 Doppelseiten, schaffen Sie Räume für Ruhe, laden zum Fantasieren, zum Philosophieren ein, denn hier gibt es keine Texte. Die Bildunterschriften lauten: Einer – Viele / Stille -Lärm / Wurzel – Spross. Das letzte, das titelgebende Bild, da sehen wir an Schnüren feine, reich verzierte Halbkugeln, auf denen Häuser oder Gärten platziert sind. Sie schweben frei zwischen den Wolken. Wenn Sie ein solches Bild zeichnen, haben Sie dann eine Geschichte im Kopf oder ist das ein Gedankenfluss?
    Turkowski: Dieses Buch fällt aus der Reihe, weil das Konzept an mich herangetragen wurde. Da musste ich mich auf ganz andere Arbeitsweisen einlassen. Die Gegensatzpaare waren vorgegeben und der Auftrag lautete, zu diesen Begriffspaaren, eine Illustration zu entwickeln. Das war nicht so einfach, weil man ja mit einem Bild etwas erzählen möchte. Vielleicht hat man eine Idee im Kopf, die man darstellen möchte, vielleicht keine ganze Geschichte, sondern einzelne Szenen. Ich frage, was diese Person in diesem Bild machen wird. Oder Momente, wo man sich fragt, war der Augenblick schon oder wird er noch kommen? Was macht die Hauptperson in dem Bild? So etwas finde ich interessant zu bearbeiten, deswegen lasse ich auch gern mal Figuren weg, weil ich dem Leser Möglichkeiten zu eigenen Fragestellungen geben will.
    Wegmann: Jetzt kommen wir aber zu einer konkreten Hauptperson, "Die Nachtwanderin", das letzte Buch, das haben Sie in einem englischsprachigen Dorf am Meer in einem Surfshop verortet. Die Architektur, Schriftzüge an Häusern und auf Stromkästen lassen auf England schließen. Warum England?
    Turkowski: Das war eine skurrile Geschichte. Ich hatte einmal eine Skizze gefertigt von der Dame, sie guckte mich über Jahre an. So entstand das Buch. Ich liebe die englischen Gegenden, Südcornwall zum Beispiel, denn da finde ich alles, was mir gut tut. Ich kann wandern, ich liebe es, felsigen Grund unter mir zu haben, ich mag die Architektur, die Steinhäuser. Ich liebe den englischen Humor. Insofern nehme ich viel mit, wenn ich auf Reisen bin. Ich fotografiere viel, das prägt mich und dann gelangen die Ideen in die Bücher. Ich sehe kein großes Problem in der Verwendung der englischen Begriffe, außerdem hat es einen praktischen Hintergrund, weil meine Bücher auch als Lizenzen ins Ausland gehen. Und es ist dann schwierig, solche Schriftzüge im Ausland neu zu gestalten. Denn alle Schriftzüge müssen übersetzt werden in die jeweilige Sprache und dann eigentlich in meinem Stil neu gezeichnet werden. Das bedeutet, dass ich die meisten Anfragen für diese Arbeit wieder selber bekomme. Und das möchte ich umgehen, deshalb nehme ich eine universelle Sprache, und weil ich mich auch darin wohl fühle.
    Wegmann: Nun haben Sie dieses Buch nicht mit Bleistift gezeichnet, sondern mit indigoblauen Buntstiften. Was hat zu der Entscheidung geführt und was ist der Unterschied?
    Turkowski: Der Unterschied ist, dass das Indigoblau einen sanfteren Charakter hat, was für die Nachtwanderin die beste Ausdrucksform ist. Ich wollte außerdem etwas Anglophiles und etwas Mediterranes mit drin haben, und ich wollte einen sanftmütigen, nicht zu aufdringlichen und trotzdem poetischen tiefen Ton haben, der noch genügend Kontrast bildet. Und da lag ein Dunkelblau, das Indigoblau sehr nahe. Ich bin auch froh, das ich es gemacht habe, aber wenn man die schwarz-weiße Variante hätte, sähe man es genau.
    Die Perspektive überdenken
    Wegmann: Es geht um eine Frau, die nachts durch den Ort zieht, ungewöhnliche Dinge tut, wie Lichtkugeln in Unterführungen aufzuhängen, Nummern auf Hausecken zu schreiben, usw. Schafft Sie Ordnung oder Unordnung? Bringt sie Licht ins Dunkel oder verdeckt sie etwas? Jedenfalls setzt sie Zeichen: Sieh’s mal andersherum! Lass dich treiben! Ist das ein Lebensthema, vielleicht ein Illustratorenthema: Sich treiben lassen, die Perspektive überdenken, neue finden?
    Turkowski: Ich versuche, immer neue Perspektiven zu finden. Das ist auch anstrengend, weil es beinhaltet, dass man ständig seine Arbeit hinterfragt. Aber nur so funktioniert es, um für sich selbst zufrieden zu sein und das Bild loslassen zu können. Was nicht bedeutet, dass ich immer zufrieden bin. Im Gegenteil, wenn ich mir einige Bücher nach zwei Jahren noch mal anschaue, dann kann es sein, dass mir das ein oder andere nicht gefällt. Aber es ist meine Arbeitsweise, das möglichst Beste zu geben, so wie ich fähig bin es zu tun. Nach oben ist immer Luft.
    Wegmann: Das Rätselhafte, das Geheimnisvolle, das Verborgene scheint eine große Faszination auf Sie auszuüben. Ein Satz aus "Die Mondblume" lautet: "Die schönsten Erklärungen sind nicht selten diejenigen, die das Geheimnis vergrößern." Nach dem Studium ihrer Bücher glaube ich: Sie möchten, dass wir die Geheimnisse lieben lernen und nicht fürchten. Und niemals ganz aufdecken.
    Das war der Büchermarkt mit dem Künstler Einar Turkowski.
    Wir sprachen über:
    Einar Turkowski: "Die Mondblume". Eine Fantasie, 32 Seiten, Atlantis Verlag Zürich
    Einar Turkowski: "Der rauhe Berg". 32 Seiten, Atlantis Verlag, Zürich, 19,95 €
    Einar Turkowski: "Als die Häuser heimwärts schwebten". 32 Seiten, Mixtvision Verlag München, 16,90 €
    Einar Turkowski: "Die Nachtwanderin". 32 Seiten, Mixtvision Verlag München, 16,90 €
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    Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ute Wegmann.