Remme: Ziel aller Reformbemühungen ist es, das Problem Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Eine Problemgruppe, von der wir in den letzten Tagen viel gehört haben, sind die älteren Arbeitnehmer. Doch auch am Beginn der beruflichen Laufbahn ist die Lage alles andere als rosig. In diesem Jahr fehlen bis zu 140.000 Ausbildungsplätze, eine dramatische Lage, die heute im Mittelpunkt eines Treffens von Spitzenvertretern der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Bundesregierung steht. Mit dabei Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Er ist jetzt am Telefon. Guten Tag Herr Hundt!
Hundt: Guten Tag Herr Remme.
Remme: Herr Hundt, ich will noch kurz beim letzten Gespräch bleiben. Sie sind nicht nur Arbeitgeberpräsident; Sie sind auch Unternehmer. Können Sie älteren Arbeitnehmern, Menschen über 55, tatsächlich Hoffnung machen, in Zukunft noch Beschäftigung zu finden?
Hundt: In meiner Unternehmensgruppe habe ich im Stammhaus im schwäbischen Uhingen bei etwa 1.300 Beschäftigten 25% von über 50jährigen Beschäftigten.
Remme: Und das ist vermutlich überdurchschnittlich?
Hundt: Das dürfte ein etwas über dem Durchschnitt der gesamten deutschen Wirtschaft liegender Wert sein. Wir machen damit außerordentlich gute Erfahrungen und wir haben darüber hinaus ja in dem letzten Bündnisgespräch vor eineinviertel Jahren uns auf den Paradigmenwechsel geeinigt, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, ältere Menschen länger im Beschäftigungsverhältnis zu halten bzw. ihnen Beschäftigung anzubieten. Ich erinnere daran, dass wir nicht nur in der zurückliegenden Zeit den Fehler der Frühverrentung begangen haben, sondern dass noch in der Tarifrunde 2000 die Gewerkschaften die Rente mit 60 gefordert haben. Es ist eine Entwicklung im Gange. Die muss verstärkt werden. Ich appelliere auch bei jeder Gelegenheit an meine Unternehmerkollegen, ältere im Beschäftigungsprozess zu halten bzw. wieder einzustellen. Wir kommen voran, insbesondere auch, wenn die Voraussetzungen dafür auf der tariflichen und der gesetzlichen Seite geschaffen werden, beispielsweise eine Lockerung des Kündigungsschutzes für ältere Mitarbeiter.
Remme: Herr Hundt, lassen Sie uns vom Ende des Berufslebens auf den Anfang schauen, denn es wird heute über Lehrstellen geredet. Ich sagte es. Viele Ausbildungsplätze fehlen. Es bildet nur noch ein Drittel der Betriebe aus. Ist das ein Vorwurf, der Sie als Arbeitgebervertreter trifft?
Hundt: Die Ursache für die sich abzeichnende Lehrstellenmisere liegt in einer anhaltenden dramatischen wirtschaftlichen Situation. Wir haben Rekorde an Firmenzusammenbrüchen. Wir haben zunehmend Firmen, die sich in ganz ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Wir werden in diesem Jahr ein Wachstum unserer Wirtschaft wiederum nur knapp oberhalb der Null-Linie erreichen. Bei einer solchen gesamten wirtschaftlichen Situation geht naturgemäß auch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze zurück.
Remme: Aber 30%, das klingt dramatisch niedrig.
Hundt: Wir hatten immer die Situation, dass ein gewisser Anteil unserer Unternehmen nicht ausbildet bzw. in den allermeisten Fällen auch nicht ausbilden kann, weil ganz schlicht die Voraussetzungen dazu nicht gegeben sind. Jetzt ist die Bundesregierung einen Schritt vorangegangen, hat die Ausbildereignungsverordnung für fünf Jahre außer Kraft gesetzt. Hier sehe ich ein Potenzial von Firmen für die Ausbildung zu gewinnen, die bisher auf diesem Sektor nicht tätig waren, aber wir müssen akzeptieren, dass es aufgrund der Größe, aufgrund der Struktur, aufgrund sonstiger organisatorischer Gegebenheiten eben einen gewissen Anteil von Unternehmen gibt, die für die Ausbildung nicht zur Verfügung stehen können.
Remme: Ist es nicht ein vernünftiger Ansatz, dann zu sagen, diese Betriebe, die das nicht machen können, per Lehrstellenabgabe oder Ausbildungsumlage an den Kosten für die Ausbildung zu beteiligen?
Hundt: Ich halte schon die Diskussion über eine Ausbildungsabgabe insbesondere in der derzeitigen Lage für äußerst gefährlich und kontraproduktiv. Mit derartigen Überlegungen werden keine Lehrstellen geschaffen. Im Gegenteil: ich bin überzeugt, dass eine Ausbildungsabgabe sogar zu einer Reduktion der angebotenen Zahl von Ausbildungsplätzen führen wird, weil die Firmen dann geradezu aufgefordert werden, nicht mehr über Bedarf hinaus auszubilden, und weil sich finanzstärkere Unternehmen von einer entsprechenden Verpflichtung ohne weiteres freikaufen können. Es gibt das Beispiel der Baubranche, die eine solche Ausbildungsumlage schon seit vielen Jahren hat, das ganz deutlich zeigt, dass bei einem starken wirtschaftlichen Rückgang, wie ihn die Baubranche ebenfalls zu verzeichnen hat, die Zahl der Ausbildungsplätze sehr, sehr stark, geradezu überproportional sinkt.
Remme: Noch kurz Herr
Hundt: 140.000 Plätze fehlen. Gehen Sie davon aus, dass allen ausbildungswilligen Jugendlichen im September ein Platz angeboten werden kann?
Hundt: Ich gehe davon aus, dass wir durch gemeinsame Anstrengungen der Unternehmen, der Politik und der Gewerkschaften die Zahl der fehlenden Ausbildungsplätze noch deutlich reduzieren können. Ich bin aber nicht so optimistisch, dass ich erwarte, dass wir in diesem Jahr einen Ausgleich schaffen können, wobei ich auch darauf hinweise, dass eine große Zahl von angebotenen Ausbildungsplätzen derzeit und im weiteren Verlauf dieses Jahres nicht besetzt wird. Hier fordere ich auch von den jungen Menschen mehr Beweglichkeit hinsichtlich der Ausbildungsberufe und auch mehr Mobilität, die teilweise derzeit fehlt. Wir werden alles tun, um unsere Verpflichtung zu erfüllen, so vielen jungen Menschen wie möglich, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, Ausbildungsplätze anbieten zu können.
Remme: Vielen Dank! - Das war Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zum dramatischen Zustand des Ausbildungsmarktes.
Link: Interview als RealAudio
Hundt: Guten Tag Herr Remme.
Remme: Herr Hundt, ich will noch kurz beim letzten Gespräch bleiben. Sie sind nicht nur Arbeitgeberpräsident; Sie sind auch Unternehmer. Können Sie älteren Arbeitnehmern, Menschen über 55, tatsächlich Hoffnung machen, in Zukunft noch Beschäftigung zu finden?
Hundt: In meiner Unternehmensgruppe habe ich im Stammhaus im schwäbischen Uhingen bei etwa 1.300 Beschäftigten 25% von über 50jährigen Beschäftigten.
Remme: Und das ist vermutlich überdurchschnittlich?
Hundt: Das dürfte ein etwas über dem Durchschnitt der gesamten deutschen Wirtschaft liegender Wert sein. Wir machen damit außerordentlich gute Erfahrungen und wir haben darüber hinaus ja in dem letzten Bündnisgespräch vor eineinviertel Jahren uns auf den Paradigmenwechsel geeinigt, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, ältere Menschen länger im Beschäftigungsverhältnis zu halten bzw. ihnen Beschäftigung anzubieten. Ich erinnere daran, dass wir nicht nur in der zurückliegenden Zeit den Fehler der Frühverrentung begangen haben, sondern dass noch in der Tarifrunde 2000 die Gewerkschaften die Rente mit 60 gefordert haben. Es ist eine Entwicklung im Gange. Die muss verstärkt werden. Ich appelliere auch bei jeder Gelegenheit an meine Unternehmerkollegen, ältere im Beschäftigungsprozess zu halten bzw. wieder einzustellen. Wir kommen voran, insbesondere auch, wenn die Voraussetzungen dafür auf der tariflichen und der gesetzlichen Seite geschaffen werden, beispielsweise eine Lockerung des Kündigungsschutzes für ältere Mitarbeiter.
Remme: Herr Hundt, lassen Sie uns vom Ende des Berufslebens auf den Anfang schauen, denn es wird heute über Lehrstellen geredet. Ich sagte es. Viele Ausbildungsplätze fehlen. Es bildet nur noch ein Drittel der Betriebe aus. Ist das ein Vorwurf, der Sie als Arbeitgebervertreter trifft?
Hundt: Die Ursache für die sich abzeichnende Lehrstellenmisere liegt in einer anhaltenden dramatischen wirtschaftlichen Situation. Wir haben Rekorde an Firmenzusammenbrüchen. Wir haben zunehmend Firmen, die sich in ganz ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Wir werden in diesem Jahr ein Wachstum unserer Wirtschaft wiederum nur knapp oberhalb der Null-Linie erreichen. Bei einer solchen gesamten wirtschaftlichen Situation geht naturgemäß auch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze zurück.
Remme: Aber 30%, das klingt dramatisch niedrig.
Hundt: Wir hatten immer die Situation, dass ein gewisser Anteil unserer Unternehmen nicht ausbildet bzw. in den allermeisten Fällen auch nicht ausbilden kann, weil ganz schlicht die Voraussetzungen dazu nicht gegeben sind. Jetzt ist die Bundesregierung einen Schritt vorangegangen, hat die Ausbildereignungsverordnung für fünf Jahre außer Kraft gesetzt. Hier sehe ich ein Potenzial von Firmen für die Ausbildung zu gewinnen, die bisher auf diesem Sektor nicht tätig waren, aber wir müssen akzeptieren, dass es aufgrund der Größe, aufgrund der Struktur, aufgrund sonstiger organisatorischer Gegebenheiten eben einen gewissen Anteil von Unternehmen gibt, die für die Ausbildung nicht zur Verfügung stehen können.
Remme: Ist es nicht ein vernünftiger Ansatz, dann zu sagen, diese Betriebe, die das nicht machen können, per Lehrstellenabgabe oder Ausbildungsumlage an den Kosten für die Ausbildung zu beteiligen?
Hundt: Ich halte schon die Diskussion über eine Ausbildungsabgabe insbesondere in der derzeitigen Lage für äußerst gefährlich und kontraproduktiv. Mit derartigen Überlegungen werden keine Lehrstellen geschaffen. Im Gegenteil: ich bin überzeugt, dass eine Ausbildungsabgabe sogar zu einer Reduktion der angebotenen Zahl von Ausbildungsplätzen führen wird, weil die Firmen dann geradezu aufgefordert werden, nicht mehr über Bedarf hinaus auszubilden, und weil sich finanzstärkere Unternehmen von einer entsprechenden Verpflichtung ohne weiteres freikaufen können. Es gibt das Beispiel der Baubranche, die eine solche Ausbildungsumlage schon seit vielen Jahren hat, das ganz deutlich zeigt, dass bei einem starken wirtschaftlichen Rückgang, wie ihn die Baubranche ebenfalls zu verzeichnen hat, die Zahl der Ausbildungsplätze sehr, sehr stark, geradezu überproportional sinkt.
Remme: Noch kurz Herr
Hundt: 140.000 Plätze fehlen. Gehen Sie davon aus, dass allen ausbildungswilligen Jugendlichen im September ein Platz angeboten werden kann?
Hundt: Ich gehe davon aus, dass wir durch gemeinsame Anstrengungen der Unternehmen, der Politik und der Gewerkschaften die Zahl der fehlenden Ausbildungsplätze noch deutlich reduzieren können. Ich bin aber nicht so optimistisch, dass ich erwarte, dass wir in diesem Jahr einen Ausgleich schaffen können, wobei ich auch darauf hinweise, dass eine große Zahl von angebotenen Ausbildungsplätzen derzeit und im weiteren Verlauf dieses Jahres nicht besetzt wird. Hier fordere ich auch von den jungen Menschen mehr Beweglichkeit hinsichtlich der Ausbildungsberufe und auch mehr Mobilität, die teilweise derzeit fehlt. Wir werden alles tun, um unsere Verpflichtung zu erfüllen, so vielen jungen Menschen wie möglich, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, Ausbildungsplätze anbieten zu können.
Remme: Vielen Dank! - Das war Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zum dramatischen Zustand des Ausbildungsmarktes.
Link: Interview als RealAudio