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Der Mann mit dem Bademantel

Zum 77. Geburtstag des Sängers gibt es am Donnerstag und Freitag Udo Jürgens total in der ARD. Flankiert von "Beckmann", einem Konzertmitschnitt und dem Making-of ist "Der Mann mit dem Fagott" zu sehen, die 205 Minuten lange Verfilmung der Familiengeschichte von Udo Jürgens.

Von Eric Leimann | 28.09.2011
    "Von Zeit zu Zeit werf' ich den Blick auf meinen bunten Weg zurück / auf das, was war, / und dabei wird mir klar / Ich würd' es wieder tun ..."

    Udo Jürgens, Alter: fast 77, verkaufte Platten: über 100 Millionen. Einziger deutschsprachiger Musiker mit lebenslangem Plattenvertrag. 2004 erschien sein autobiografischer Roman "Der Mann mit dem Fagott". Na klar, auch ein Bestseller, und der beginnt auf dem Bremer Weihnachtsmarkt 1891.

    "Ich werde nach Russland gehen."

    Das war Heinrich Bockelmann, Udos Großvater aus Bremen, der im Moskau der Zarenzeit zu einem mächtigen, gleichzeitig humanistisch denkenden Bankier aufsteigt.

    "Also passt auf, jetzt könnt ihr was fürs Leben lernen."

    Doch dem rauschenden Fest des Kapitalismus folgt der Erste Weltkrieg. Als Deutscher in Russland verliert Udos Großvater alles. Unter dem Geigenteppich des Edelmelodrams schließen sich an die Stationen: Internierungslager, Flucht und ein Neuanfang in Hamburg und Österreich, in das Udos Vater auswandert.

    Neben dieser Familiengeschichte der Bockelmanns kehrt der Film immer wieder zu Karrierestationen des jungen Udo Jürgens zurück. Hier jammt er mit schwarzen Musikern vor begeistertem Publikum in Harlem 1957. Der erste Plattenvertrag schreibt dem lauteren Jazzfan jedoch diesen Sound vor...

    "Es ist der Mondschein von Portofino."

    Udo Jürgens hat alle Lieder für den Film noch einmal neu eingesungen. Dazu sieht man Schauspieler David Rott, der den jungen Udo spielt, die Lippen bewegen. Was ein wenig irritiert: alte Stimme mit hohem Wiedererkennungswert, dazu ein fremder junger Körper.

    Plattenmanager: "Herr Jürgens, wir haben Sie nicht zum Debattieren über die Qualität unserer Lieder geholt."

    Udo Jürgens: "Aber das, was Sie von mir wollen, was ja den großen Erfolg bringen soll, das bin nicht ich... Was habe ich denn mit Seemannsliedern zu tun oder dem Rotwein in Portofino?"

    Der etwas holzschnittartig erzählte Aufstieg des jungen, unverstandenen deutschen Jazzmusikers und Chansonniers in der bösen Wirtschaftswunder-Schlagerwelt ist noch der interessantere Part des Films. Doch die Ausstattung vor allem der Großvaterzeit wirkt extrem künstlich, manchmal sogar unfreiwillig komisch. Dazu erstarren die Szenen der Vorfahren geradezu vor Ehrfurcht gegenüber der bockelmannschen Lebensleistung.

    Anna Bockelmann: "Heinrich, denkst du, sie werden ein gutes Leben haben? Heinrich: Das werden sie. Das Leben hält noch wunderbare Dinge für sie bereit."

    Und dann Dialoge wie dieser hier: hölzern gestelzt, pathetisch. Regisseur Miguel Alexandre, zuletzt mit dem Furtwängler-Zweiteiler "Schicksalsjahre" im Fernsehen, inszeniert wie immer: Geschichte reduziert als Reigen emotionaler Schlüsselszenen einer Familie - was im historischen Eventfilm deutscher Fernsehsender mittlerweile fast Standard geworden ist.

    Udo Jürgens: "Dieser Mann mit dem Fagott, er ist der Grund, weswegen mein Großvater ausgewandert ist - von Bremen nach Moskau."

    Zu allem Überfluss versucht sich Udo Jürgens auch noch als Darsteller seiner selbst. Der Mann hat sicher viele Talente, aber er ist kein Schauspieler. Jürgens hat den Weg vom Buch zum Film, ja sogar die Dreharbeiten eng begleitet. Natürlich geht es ihm um sein Vermächtnis. Vielleicht hätte dem Projekt ein wenig mehr Abstand zum Übervater des niveauvollen deutschen Schlagers gut getan. Doch das wäre wohl nicht Udo-Jürgens-Stil:

    "Von Zeit zu Zeit werf' ich den Blick auf meinen bunten Weg zurück, auf das, was war, und dabei wird mir klar: Ich würd' es wieder tun."

    Die ARD-Familiensaga "Der Mann mit dem Fagott" über das Leben von Udo Jürgens läuft am 29.9. und 30.9.2011 jeweils um 20.15 Uhr im Ersten.