Dirk-Oliver Heckmann: Wenig hatte in den vergangenen Monaten danach ausgesehen, dass die Menschen im Nahen Osten einer Friedenslösung endlich näher kommen würden, im Gegenteil. In den Palästinensergebieten siegte die radikalislamische Hamas bei den Wahlen. Die verhandlungsbereite Fatah zog sich ins Westjordanland zurück. Die Fronten schienen noch verworrener, als man das vom Nahen Osten ohnehin schon gewohnt ist. Jetzt aber könnte womöglich Bewegung in den festgefahrenen Konflikt kommen. Auf der Nahostkonferenz in Annapolis konnten sich Israelis und Palästinenser darauf einigen, schon am 12. Dezember Friedensverhandlungen aufzunehmen.
Ich freue mich, jetzt am Telefon einen Vertreter der israelischen Seite und einen der Palästinenser zu begrüßen. Da ist einmal Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland. Ihn erreichen wir in Berlin. Guten Morgen, Herr Primor!
Avi Primor: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Und aus Peking ist uns zugeschaltet Abdullah Frangi vom Zentralrat der palästinensischen Fatah. Er führt dort Gespräche mit der chinesischen Regierung. Auch Ihnen einen guten Morgen!
Abdullah Frangi: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Israelis und Palästinenser haben sich auf den Beginn von formellen Friedensgesprächen geeinigt. Herr Primor, hatten Sie das erwartet?
Primor: Ja, das habe ich erwartet. Etwas musste doch aus dieser Konferenz rauskommen. Und jedermann wusste, dass ein Friedensvertrag aus dieser Konferenz nicht rauskommen kann. Die Frage war, was wird wirklich rauskommen? Und schon vor geraumer Zeit sagten die beiden Kontrahenten, was rauskommen wird, ist der Ansatzpunkt einer Verhandlung, eine Verhandlung, die übrigens die beiden Regierungschefs schon direkt in Gesprächen miteinander vorbereitet haben, also in Wirklichkeit gab es die Verhandlung schon, aber irgendwie musste es eine große Show geben, und das gab es auch mit Lippenbekenntnis für sehr viel Optimismus. Und jetzt erst werden wir sehen, ob es auch weitergehen kann.
Heckmann: Aber es galt oder gilt doch als einigermaßen überraschend, dass die Ergebnisse doch einigermaßen konkret sind, dass nämlich jetzt am 12. Dezember es losgehen soll und dass die Friedensverhandlungen Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein sollen?
Primor: Herr Heckmann, im letzten Jahr haben sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert regelmäßig getroffen. Auch die Außenministerin Israels, Zipi Livni, mit ihrem Kollegen Abu Allah haben sich regelmäßig getroffen und so auch die Experten. Also es ist nicht etwas ganz Neues. Es ist kein Durchbruch, dass nun die beiden sich treffen werden und miteinander sprechen werden. Es ist überhaupt beachtlich zu beobachten, dass die beiden Regierungen eigentlich wirklich einander wollen, dass sie Verhandlungen wollen beziehungsweise Frieden wollen. Die Frage ist, ob ihre Bevölkerungen auch folgen, und ob sie die Möglichkeit, die Mittel zur Verfügung haben, auch irgendetwas in die Tat umzusetzen. Und das ist die große Frage.
Heckmann: Herr Frangi, sind Sie ähnlich skeptisch wie Avi Primor?
Frangi: Ich bin ein bisschen optimistischer. Ich meine, wir haben sehr oft und immer wieder miteinander gesprochen und diskutiert bis jetzt. Man hat keinen Grund gehabt, euphorisch zu sein, aber im Grunde genommen ist das so, dass die letzten Gespräche sehr intensiv geführt worden sind zwischen Präsident Abbas und Ministerpräsident Olmert und zwischen der palästinensischen Delegation und der israelischen Delegation, die bereit sind, die für die Verhandlungen stehen seit einiger Zeit, das heißt Ahmed Kureia, Abu Allah und Frau Livni, und man hat fast alle Punkte angesprochen. Man war bis dahin nicht einig, wann man diese Friedensverhandlungen beginnt und in welcher Zeit und in welchem Zeitraum man zu Ergebnissen kommen muss. Und natürlich, es ist sehr schwierig, sehr kompliziert, man hat sich geeinigt an der Vorstellung, wie wir vorgehen, und ich glaube, dass man diesen Termin genannt hat, finde ich ein gutes Zeichen. Die Palästinenser und die Israelis wollen anscheinend diese Chance wahrnehmen, weil mehr als 40 Staaten und Institutionen eingeladen worden sind.
Heckmann: Und wie optimistisch sind Sie, dass dann Ende 2008 wirklich ein Friedensvertrag steht? Avi Primor hat es angesprochen und angedeutet, beide Verhandlungsführer, nämlich Ehud Olmert und der Präsident Abbas, sitzen nicht gerade fest im Sattel.
Frangi: Ich meine, es ist nicht das Problem jetzt, dass beide nicht im Sattel sitzen oder nicht sitzen. Das Problem ist, dass die Probleme bekannt sind, und egal wer an der Macht ist, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dann werden die Palästinenser und die Israelis zur Einigung kommen, egal wer dort Präsident und Ministerpräsident sein wird und sein kann. Das Problem liegt darin, wie Herr Primor vorhin gesagt hat, dass die Bevölkerung auf beiden Seiten gespalten ist. Und es ist noch so die gleiche Stimmung wie 1993, 1994, 1995 als Rabin damals die Israelis vertreten hat und uns Arafat vertreten hat. Dort gab es eine gewisse Euphorie und eine gewisse Stimmung, die auch die Bevölkerung erfasst hat.
Hier der Zustand ist anders, ist komplizierter. Innerhalb der Palästinenser gab es diesen fast Bruderkrieg in Gaza, kann ich das nennen, und Hamas besetzt den Gazastreifen mit militärischen Mitteln. Und auf israelischer Seite sind die Radikalen oder diejenigen, die Anspruch auf der Gesamtheit der palästinensischen Gebiete erheben, immer noch stark genug, und sie werden wahrscheinlich nicht so leicht ihre Zustimmung geben, weder Hamas noch diejenigen, die auch mit den Palästinensern, die sich nicht einigen wollen in Israel. Und hier ist die Kunst von beiden Seiten verlangt.
Heckmann: Ich wollte gerade sagen: Was ist ein Friedensvertrag wert, der die Hamas nicht einbezieht, Herr Primor, hätte man die Hamas einladen sollen zu den Gesprächen?
Frangi: Man wird Hamas nicht ausschließen. Das Problem von Hamas ist ein internes Problem, das gelöst werden muss intern. Und Hamas kann auch das Problem lösen, indem sie auch die Spielregeln der Demokratie akzeptieren, und sie werden dann kein Problem sein. Sie müssen auch die Vereinbarungen, die verabschiedet worden sind zwischen uns und den Israelis auf allen Ebenen akzeptieren, dann ist auch Hamas kein Problem.
Heckmann: Aber die Hamas hat aber auch gezeigt, was sie von Friedensverhandlungen hält, nämlich herzlich wenig. Avi Primor, wie sehen Sie dieses Problem?
Frangi: Ja gut, ich meine, Hamas kann nicht die Zukunft des Nahen Ostens vorschreiben. Die Umgebung ist eben für diesen Schritt, Ägypten, Saudi Arabien, Jordanien, die Arabische Liga und Europa und die USA, und ich meine, die Stimmung heute, und China und die Mitglieder des Weltsicherheitsrates, ich meine, alle Leute sind heute darauf vorbereitet, diese Entwicklung zu unterstützen. Und ich glaube nicht, dass Hamas auch in der Lage ist, all das zu stoppen und zu torpedieren.
Heckmann: Herr Primor, hätte man die Hamas einladen sollen?
Primor: Nein, nicht jetzt. Jetzt konnte man die Hamas nicht einladen, erstens weil man nicht die palästinensische Regierung und den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas einladen kann und gleichzeitig die Hamas, die gegen ihn einen Bürgerkrieg führt. Außerdem hat sich die Welt entschieden, dass man die Hamas nicht anerkennt, solange die Hamas darauf besteht, dass sie Israel vernichten will, und dass sie die alten Verträge nicht respektieren will und dass sie keine Friedensverhandlungen führen will. Aber ich stimme dennoch dem Herrn Frangi zu, dass letzten Endes, irgendwann wird man die Hamas einbeziehen müssen. Die Hamas ist eine Realität, eine echte Kraft im palästinensischen Lager, mit der wir rechnen müssen. Man kann nicht einen Teil der Palästinenser schlicht und einfach ewig ausschließen, das ist schon.
Nur wenn es jetzt eine Minute zurück kommen soll: Ich bin schon sehr glücklich, dass es eher, ich sag das ein bisschen im Scherz, eher um Blabla geht als um Bumbum, wie Churchill es mal gesagt hat, das stimmt. Die Frage ist nur, wie lange kann man Blabla führen, bis es wieder zu Bumbum kommt?
Heckmann: Und was ist, wenn die Hamas weiterbombt, wie geht es dann mit den Verhandlungen weiter?
Primor: Es geht ja nicht nur um die Hamas. Es geht überhaupt um die Frage, wie lange wird die Bevölkerung geduldig sitzen bleiben und warten und sehen, ob diese Verhandlungen auch zu einem Ergebnis führen? Das ist die große Frage jetzt. Warum sind die Bevölkerungen auf beiden Seiten so skeptisch? Nicht weil sie die Prinzipien eines Friedensvertrages ablehnen, das nicht. Und die Prinzipien eines Vertrages sind ja bekannt. Es gibt ja so viele Friedensentwürfe und Friedenspläne, und die sind alle, alle die gleichen, die haben alle dieselben Prinzipien, dieselben Kriterien. Und die Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten akzeptiert diese Prinzipien und Kriterien, das steht fest, das sieht man in den Meinungsumfragen immer wieder. Nur: Die beiden Seiten, die beiden Bevölkerungen glauben nicht, dass diese Prinzipien auch realistisch oder durchziehbar sind, das glauben sie nicht.
Warum? Also bei uns besteht eine Frage, die die Bevölkerung interessiert, und das ist die Frage der Sicherheit. Wenn man der israelischen Bevölkerung, wenn man der Mehrheit der israelischen Bevölkerung, nicht allen, wenn man der Mehrheit der israelischen Bevölkerung in einer glaubwürdigen Art und Weise Sicherheit gewährleistet, wie es zum Beispiel Präsident Sadat aus Ägypten getan hat oder König Hussein aus Jordanien, dann steht die Mehrheit der israelischen Bevölkerung hinter allen Zugeständnissen. Dann sind sie bereit, die Siedlungen zu räumen, die Gebiete zu räumen und uns zurückzuziehen und die verschiedenen Prinzipien der Friedensprojekte zu akzeptieren. Nur meinen sie, dass es heute niemanden gibt, niemand überhaupt auf der ganzen Welt, der uns Sicherheit gewährleisten kann. Und infolgedessen sagt man ja, wenn es so ist, dann müssen wir in den Gebieten bleiben, müssen wir die Siedler schützen, die da an der Frontlinie stehen. Ich stimme dem nicht zu. Ich sag Ihnen nur, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist.
Heckmann: Ja, Herr Frangi, sehen Sie das auch so, dass die israelische Regierung verhandlungsbereit und kompromissbereit ist, wenn es eben auf der anderen Seite Sicherheit gibt?
Frangi: Ja, ich sehe ein bisschen das Ganze, die Priorität bei den Palästinensern ist eben anders. Und die Priorität ist, dass die Israelis die Besetzung der palästinensischen Gebiete beenden. Und wenn sie das täten, dann steht die Voraussetzung oder besteht die Möglichkeit für uns, unsere Bevölkerung zu überzeugen von allen Vereinbarungen, die wir mit den Israelis machen. Aber solange wiederum, bis die Besetzung der palästinensischen Gebiete fortgeführt wird von den Israelis, dann ist es immer wieder ein Grund für die diejenigen, die nicht an den Frieden glauben, Aktionen zu machen. Und dann kommt das Resultat, dass die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Und das ist immer wieder passiert bis jetzt. Und wie kann man jetzt zum Beispiel die Besetzung der palästinensischen Gebiete beenden und dann direkt verhandeln? Natürlich, wie Botschafter Primor gesagt hat, die Probleme sind bekannt, die Ziele, die zu erreichen sind, sind auch bekannt. Die Umsetzung ist eben die schwierige Sache.
Heckmann: Wir werden sehen, wie es weitergeht. Zu den Ergebnissen war das ...
Primor: Darf ich noch ein Wort dazu sagen?
Heckmann: Leider rasen die Nachrichten auf uns zu. Wir müssen an der Stelle leider einen Punkt machen und die Diskussion an einer anderen Stelle fortsetzen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Abdullah Frangi vom Zentralrat der Fatah und bei Avi Primor, dem ehemaligen israelischen Botschafter. Besten Dank für das Gespräch!
Primor: Gerne auch! Wiedersehen.
Frangi: Danke.
Primor: Auf Wiedersehen, Herr Frangi, auch.
Frangi: Auf Wiederhören. Haben Sie einen schönen Tag noch.
Ich freue mich, jetzt am Telefon einen Vertreter der israelischen Seite und einen der Palästinenser zu begrüßen. Da ist einmal Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland. Ihn erreichen wir in Berlin. Guten Morgen, Herr Primor!
Avi Primor: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Und aus Peking ist uns zugeschaltet Abdullah Frangi vom Zentralrat der palästinensischen Fatah. Er führt dort Gespräche mit der chinesischen Regierung. Auch Ihnen einen guten Morgen!
Abdullah Frangi: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Israelis und Palästinenser haben sich auf den Beginn von formellen Friedensgesprächen geeinigt. Herr Primor, hatten Sie das erwartet?
Primor: Ja, das habe ich erwartet. Etwas musste doch aus dieser Konferenz rauskommen. Und jedermann wusste, dass ein Friedensvertrag aus dieser Konferenz nicht rauskommen kann. Die Frage war, was wird wirklich rauskommen? Und schon vor geraumer Zeit sagten die beiden Kontrahenten, was rauskommen wird, ist der Ansatzpunkt einer Verhandlung, eine Verhandlung, die übrigens die beiden Regierungschefs schon direkt in Gesprächen miteinander vorbereitet haben, also in Wirklichkeit gab es die Verhandlung schon, aber irgendwie musste es eine große Show geben, und das gab es auch mit Lippenbekenntnis für sehr viel Optimismus. Und jetzt erst werden wir sehen, ob es auch weitergehen kann.
Heckmann: Aber es galt oder gilt doch als einigermaßen überraschend, dass die Ergebnisse doch einigermaßen konkret sind, dass nämlich jetzt am 12. Dezember es losgehen soll und dass die Friedensverhandlungen Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein sollen?
Primor: Herr Heckmann, im letzten Jahr haben sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert regelmäßig getroffen. Auch die Außenministerin Israels, Zipi Livni, mit ihrem Kollegen Abu Allah haben sich regelmäßig getroffen und so auch die Experten. Also es ist nicht etwas ganz Neues. Es ist kein Durchbruch, dass nun die beiden sich treffen werden und miteinander sprechen werden. Es ist überhaupt beachtlich zu beobachten, dass die beiden Regierungen eigentlich wirklich einander wollen, dass sie Verhandlungen wollen beziehungsweise Frieden wollen. Die Frage ist, ob ihre Bevölkerungen auch folgen, und ob sie die Möglichkeit, die Mittel zur Verfügung haben, auch irgendetwas in die Tat umzusetzen. Und das ist die große Frage.
Heckmann: Herr Frangi, sind Sie ähnlich skeptisch wie Avi Primor?
Frangi: Ich bin ein bisschen optimistischer. Ich meine, wir haben sehr oft und immer wieder miteinander gesprochen und diskutiert bis jetzt. Man hat keinen Grund gehabt, euphorisch zu sein, aber im Grunde genommen ist das so, dass die letzten Gespräche sehr intensiv geführt worden sind zwischen Präsident Abbas und Ministerpräsident Olmert und zwischen der palästinensischen Delegation und der israelischen Delegation, die bereit sind, die für die Verhandlungen stehen seit einiger Zeit, das heißt Ahmed Kureia, Abu Allah und Frau Livni, und man hat fast alle Punkte angesprochen. Man war bis dahin nicht einig, wann man diese Friedensverhandlungen beginnt und in welcher Zeit und in welchem Zeitraum man zu Ergebnissen kommen muss. Und natürlich, es ist sehr schwierig, sehr kompliziert, man hat sich geeinigt an der Vorstellung, wie wir vorgehen, und ich glaube, dass man diesen Termin genannt hat, finde ich ein gutes Zeichen. Die Palästinenser und die Israelis wollen anscheinend diese Chance wahrnehmen, weil mehr als 40 Staaten und Institutionen eingeladen worden sind.
Heckmann: Und wie optimistisch sind Sie, dass dann Ende 2008 wirklich ein Friedensvertrag steht? Avi Primor hat es angesprochen und angedeutet, beide Verhandlungsführer, nämlich Ehud Olmert und der Präsident Abbas, sitzen nicht gerade fest im Sattel.
Frangi: Ich meine, es ist nicht das Problem jetzt, dass beide nicht im Sattel sitzen oder nicht sitzen. Das Problem ist, dass die Probleme bekannt sind, und egal wer an der Macht ist, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dann werden die Palästinenser und die Israelis zur Einigung kommen, egal wer dort Präsident und Ministerpräsident sein wird und sein kann. Das Problem liegt darin, wie Herr Primor vorhin gesagt hat, dass die Bevölkerung auf beiden Seiten gespalten ist. Und es ist noch so die gleiche Stimmung wie 1993, 1994, 1995 als Rabin damals die Israelis vertreten hat und uns Arafat vertreten hat. Dort gab es eine gewisse Euphorie und eine gewisse Stimmung, die auch die Bevölkerung erfasst hat.
Hier der Zustand ist anders, ist komplizierter. Innerhalb der Palästinenser gab es diesen fast Bruderkrieg in Gaza, kann ich das nennen, und Hamas besetzt den Gazastreifen mit militärischen Mitteln. Und auf israelischer Seite sind die Radikalen oder diejenigen, die Anspruch auf der Gesamtheit der palästinensischen Gebiete erheben, immer noch stark genug, und sie werden wahrscheinlich nicht so leicht ihre Zustimmung geben, weder Hamas noch diejenigen, die auch mit den Palästinensern, die sich nicht einigen wollen in Israel. Und hier ist die Kunst von beiden Seiten verlangt.
Heckmann: Ich wollte gerade sagen: Was ist ein Friedensvertrag wert, der die Hamas nicht einbezieht, Herr Primor, hätte man die Hamas einladen sollen zu den Gesprächen?
Frangi: Man wird Hamas nicht ausschließen. Das Problem von Hamas ist ein internes Problem, das gelöst werden muss intern. Und Hamas kann auch das Problem lösen, indem sie auch die Spielregeln der Demokratie akzeptieren, und sie werden dann kein Problem sein. Sie müssen auch die Vereinbarungen, die verabschiedet worden sind zwischen uns und den Israelis auf allen Ebenen akzeptieren, dann ist auch Hamas kein Problem.
Heckmann: Aber die Hamas hat aber auch gezeigt, was sie von Friedensverhandlungen hält, nämlich herzlich wenig. Avi Primor, wie sehen Sie dieses Problem?
Frangi: Ja gut, ich meine, Hamas kann nicht die Zukunft des Nahen Ostens vorschreiben. Die Umgebung ist eben für diesen Schritt, Ägypten, Saudi Arabien, Jordanien, die Arabische Liga und Europa und die USA, und ich meine, die Stimmung heute, und China und die Mitglieder des Weltsicherheitsrates, ich meine, alle Leute sind heute darauf vorbereitet, diese Entwicklung zu unterstützen. Und ich glaube nicht, dass Hamas auch in der Lage ist, all das zu stoppen und zu torpedieren.
Heckmann: Herr Primor, hätte man die Hamas einladen sollen?
Primor: Nein, nicht jetzt. Jetzt konnte man die Hamas nicht einladen, erstens weil man nicht die palästinensische Regierung und den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas einladen kann und gleichzeitig die Hamas, die gegen ihn einen Bürgerkrieg führt. Außerdem hat sich die Welt entschieden, dass man die Hamas nicht anerkennt, solange die Hamas darauf besteht, dass sie Israel vernichten will, und dass sie die alten Verträge nicht respektieren will und dass sie keine Friedensverhandlungen führen will. Aber ich stimme dennoch dem Herrn Frangi zu, dass letzten Endes, irgendwann wird man die Hamas einbeziehen müssen. Die Hamas ist eine Realität, eine echte Kraft im palästinensischen Lager, mit der wir rechnen müssen. Man kann nicht einen Teil der Palästinenser schlicht und einfach ewig ausschließen, das ist schon.
Nur wenn es jetzt eine Minute zurück kommen soll: Ich bin schon sehr glücklich, dass es eher, ich sag das ein bisschen im Scherz, eher um Blabla geht als um Bumbum, wie Churchill es mal gesagt hat, das stimmt. Die Frage ist nur, wie lange kann man Blabla führen, bis es wieder zu Bumbum kommt?
Heckmann: Und was ist, wenn die Hamas weiterbombt, wie geht es dann mit den Verhandlungen weiter?
Primor: Es geht ja nicht nur um die Hamas. Es geht überhaupt um die Frage, wie lange wird die Bevölkerung geduldig sitzen bleiben und warten und sehen, ob diese Verhandlungen auch zu einem Ergebnis führen? Das ist die große Frage jetzt. Warum sind die Bevölkerungen auf beiden Seiten so skeptisch? Nicht weil sie die Prinzipien eines Friedensvertrages ablehnen, das nicht. Und die Prinzipien eines Vertrages sind ja bekannt. Es gibt ja so viele Friedensentwürfe und Friedenspläne, und die sind alle, alle die gleichen, die haben alle dieselben Prinzipien, dieselben Kriterien. Und die Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten akzeptiert diese Prinzipien und Kriterien, das steht fest, das sieht man in den Meinungsumfragen immer wieder. Nur: Die beiden Seiten, die beiden Bevölkerungen glauben nicht, dass diese Prinzipien auch realistisch oder durchziehbar sind, das glauben sie nicht.
Warum? Also bei uns besteht eine Frage, die die Bevölkerung interessiert, und das ist die Frage der Sicherheit. Wenn man der israelischen Bevölkerung, wenn man der Mehrheit der israelischen Bevölkerung, nicht allen, wenn man der Mehrheit der israelischen Bevölkerung in einer glaubwürdigen Art und Weise Sicherheit gewährleistet, wie es zum Beispiel Präsident Sadat aus Ägypten getan hat oder König Hussein aus Jordanien, dann steht die Mehrheit der israelischen Bevölkerung hinter allen Zugeständnissen. Dann sind sie bereit, die Siedlungen zu räumen, die Gebiete zu räumen und uns zurückzuziehen und die verschiedenen Prinzipien der Friedensprojekte zu akzeptieren. Nur meinen sie, dass es heute niemanden gibt, niemand überhaupt auf der ganzen Welt, der uns Sicherheit gewährleisten kann. Und infolgedessen sagt man ja, wenn es so ist, dann müssen wir in den Gebieten bleiben, müssen wir die Siedler schützen, die da an der Frontlinie stehen. Ich stimme dem nicht zu. Ich sag Ihnen nur, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist.
Heckmann: Ja, Herr Frangi, sehen Sie das auch so, dass die israelische Regierung verhandlungsbereit und kompromissbereit ist, wenn es eben auf der anderen Seite Sicherheit gibt?
Frangi: Ja, ich sehe ein bisschen das Ganze, die Priorität bei den Palästinensern ist eben anders. Und die Priorität ist, dass die Israelis die Besetzung der palästinensischen Gebiete beenden. Und wenn sie das täten, dann steht die Voraussetzung oder besteht die Möglichkeit für uns, unsere Bevölkerung zu überzeugen von allen Vereinbarungen, die wir mit den Israelis machen. Aber solange wiederum, bis die Besetzung der palästinensischen Gebiete fortgeführt wird von den Israelis, dann ist es immer wieder ein Grund für die diejenigen, die nicht an den Frieden glauben, Aktionen zu machen. Und dann kommt das Resultat, dass die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Und das ist immer wieder passiert bis jetzt. Und wie kann man jetzt zum Beispiel die Besetzung der palästinensischen Gebiete beenden und dann direkt verhandeln? Natürlich, wie Botschafter Primor gesagt hat, die Probleme sind bekannt, die Ziele, die zu erreichen sind, sind auch bekannt. Die Umsetzung ist eben die schwierige Sache.
Heckmann: Wir werden sehen, wie es weitergeht. Zu den Ergebnissen war das ...
Primor: Darf ich noch ein Wort dazu sagen?
Heckmann: Leider rasen die Nachrichten auf uns zu. Wir müssen an der Stelle leider einen Punkt machen und die Diskussion an einer anderen Stelle fortsetzen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Abdullah Frangi vom Zentralrat der Fatah und bei Avi Primor, dem ehemaligen israelischen Botschafter. Besten Dank für das Gespräch!
Primor: Gerne auch! Wiedersehen.
Frangi: Danke.
Primor: Auf Wiedersehen, Herr Frangi, auch.
Frangi: Auf Wiederhören. Haben Sie einen schönen Tag noch.

