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Der Philosoph bricht seltener ab

Nach Ansicht des Autors der HIS-Studie zum Studienabbruch an Hochschulen, Ulrich Heublein, hat die Einführung von Bachelor und Master nicht generell zu einer Verringerung der Zahl der Studienabbrecher geführt. In den Sprach-, Sozial- und Kulturwissenschaften sei zwar ein Rückgang zu verzeichnen, in den Ingenieurwissenschaften dagegen habe sich die Quote sogar noch erhöht.

Moderation: Lothar Guckeisen |
    Lothar Guckeisen: Die deutschen Hochschulen leiden seit Jahren an einer chronischen Krankheit, nämlich der Schwundsucht – soll heißen, rund jeder fünfte Student bricht sein Studium ab und verlässt die Hochschule ohne Abschluss. Therapeutische Wirkung verspricht man sich von den neuen Abschlüssen Bachelor und Master. Sie sollen helfen, die Studienabbrecherquote zu senken. Und es gibt Indizien dafür, dass sie tatsächlich wirken. Darauf deutet jedenfalls eine aktuelle Studie der Hochschul-Informations-System GmbH, kurz HIS. Wir haben es gestern bereits kurz gemeldet, aber es lohnt sich, nochmals einen Blick auf diese Studie zu werfen. Ulrich Heublein, Autor der Studie, kann man denn wirklich generell die Aussage treffen, Bachelor und Master haben die Zahl der Studienabbrecher verringert?

    Ulrich Heublein: Ich glaube, so kann man die Aussage nicht treffen. Bislang können wir auch nur zu den Bachelor-Studiengängen etwas sagen. Und dort stellen wir eine disparate, eine geteilte Wirkung fest. Das heißt, in den Sprach- und Kulturwissenschaften an den Universitäten, auch in den Sozialwissenschaften, haben die Bachelor-Studiengänge eindeutig zu einer Verringerung der Studienabbruchquote und zu einer Erhöhung des Studienerfolgs beigetragen. In anderen Bereichen aber, vor allem im Bereich Ingenieurwissenschaften, Maschinenbau, Elektrontechnik an Fachhochschulen, wie auch in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern, haben sie eher tendenziell zu einer Erhöhung des Studienabbruchs beigetragen.

    Guckeisen: Das Bundesbildungsministerium hat ja Ihre Studie als Beleg für den Erfolg des neuen Abschluss Bachelors gewertet. Ist das dann zu pauschal gewesen oder zu undifferenziert?

    Heublein: Das Bundesministerium hat natürlich die positiven Auswirkungen in den Vordergrund gestellt. Und die sind eindeutig in jenen Fächern, in die sich bislang durch große Orientierungslosigkeit, Unstrukturiertheit ausgezeichnet haben. Es zeigt sich, dass der Bachelor mit den festen Strukturen hier den Studierenden hilft, zu einem erfolgreichen Studien-Ende zu kommen. Es hat auch in seiner Pressemitteilung dargestellt, das BMBF, dass es in diesem Bereich Ingenieurwissenschaften durch die Verdichtung der Leistungsanforderungen für eine Reihe von Studierenden schwierig geworden ist, die Studienanforderungen zu erfüllen.

    Guckeisen: Ist das denn die Erklärung dafür, Verdichtung der Anforderungen? Das heißt also, dass Bachelor-Studium durch die zunehmende Modularisierung und Strukturierung, dass dadurch viele Studenten unter Druck kommen. Oder heißt das, dass die keine Zeit mehr haben, sich vielleicht nebenher das Studium noch zu verdienen. Wir muss man das interpretieren?

    Heublein: Beides. Zum einen darf man nicht verkennen, dass in den drei Jahren, die die meisten Bachelor-Studiengänge dauern, sehr viel Stoff vermittelt werden soll. Zum anderen schlägt sich diese Verdichtung der Leistungsanforderungen auch dahingehend nieder, dass wenn Studierende darauf angewiesen sind, für ihre Studienfinanzierung zu jobben, dass es ihnen nun viel schwerer fällt, die Anforderungen der Erwerbstätigkeit mit denen des Studiums zusammen zu bringen.

    Guckeisen: Und diejenigen, die jetzt in den Ingenieurswissenschaften oder auch in manchen technischen, naturwissenschaftlichen Fächern ihr Studium abbrechen, wie muss man das dann sehen? Sind die einfach weg von der Bildfläche oder wechseln die in ein anderes Fach oder von der Uni an die Fachhochschule?

    Heublein: Also wenn wir vom Studienabbruch reden, dann sind sie weg von der Bildfläche, um in ihrem Vokabular zu bleiben. Das heißt, sie haben das Studium beendet, haben es aufgegeben. Etwas anderes ist die Schwundquote, das gibt es in der Tat. Es gibt auch für gerade diese Bereiche einen hohen Anteil an Abwanderungen, sprich von Studierenden, die die Ingenieurwissenschaften verlassen oder eben die Naturwissenschaften und dann in anderen Studienbereichen erfolgreich sind. Diese Studierenden erhöhen die Verlustquote der entsprechenden Fächer noch.

    Guckeisen: Und wie sieht das von der Universität zur Fachhochschule, kann man da auch solche Wanderungsbewegungen feststellen, also keine richtigen Abbrecher, sondern Abwanderer?

    Heublein: Richtig. Vor allem ist die Abwanderung von der Universität hin zur Fachhochschule deutlich höher als von der Fachhochschule zu Universität.

    Guckeisen: Gibt es dafür eine Erklärung?

    Heublein: Zum einen ist es viel schwieriger von einer Fachhochschule an eine Universität zu wechseln, weil ja ein Teil der Fachhochschulstudenten nur eine entsprechende Studienberechtigung für Fachhochschulen aufweist, erworben an den Fachoberschulen. Zum anderen gibt es natürlich einen Trend weg von den stark akademisierten, wissenschaftlichen Fächern mit hohen Leistungsanforderungen zu stärker praxisbezogenen Fächern, zu einem Studium, das strukturierter ist, das sich durch eine intensivere Betreuung auszeichnet. Das finden die Studierenden eher an den Fachhochschulen.

    Guckeisen: Sie haben ja umfangreich untersucht, können Sie auch Aussagen über geschlechtsspezifisches Verhalten? Also wer hat denn mehr Stehvermögen beim Studium, Männer oder Frauen?

    Heublein: Das ist eine sehr schwierige Frage. Also tendenziell brechen Frauen weniger ab als Männer, aber man darf dabei nicht verkennen, dass hinter Männer und Frauen, hinter dieser Geschlechterproblematik eine unterschiedliche Studienfachwahl steht. Das heißt, die Frauen sind tendenziell häufiger in Fächern zu finden mit – aufgrund der Fachkultur – geringerer Studienabbruchquote als die Männer. Das heißt, wir können die entsprechenden Wirkungen bezogen auf den Studienerfolg nicht eindeutig dem Geschlecht zuschreiben, sondern müssen immer auch die Bedingungen im Studienfach dabei beachten.

    Guckeisen: Das heißt, Frauen haben zwar mehr Stehvermögen, aber haben sich auch den leichteren Weg ausgesucht. Das wäre auch allzu verkürzt, aber so könnte man es interpretieren.

    Heublein: Das wäre jetzt sehr lax formuliert, aber wahrscheinlich ganz gut verständlich.

    Guckeisen: In Campus & Karriere Ulrich Heublein von der Hochschul-Informations-System GmbH, kurz HIS, über die aktuelle Studie zu Studienabbrechern an deutschen Hochschulen. Danke.