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Der Pitbull unter den Antikörpern

Verstärkerstoffe im Impfstoff gegen die Schweinegrippe standen 2009 im Verdacht, schädliche Nebenwirkungen zu haben. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat Adjuvantien jetzt im Detail untersucht. Danach machen Adjuvantien die immuneigenen Antikörper zu wahren Pitbull-Terriern, schreiben sie im Fachmagazin "Science Translational Medicine".

Von Marieke Degen | 20.07.2011
    Die Aufregung war groß im Oktober 2009. Kaum war der Impfstoff gegen die Schweinegrippe da, wollte ihn keiner mehr haben. Schuld daran waren die Wirkverstärker, die dem Impfstoff beigemischt waren: die Adjuvantien. Sie helfen dem Immunsystem dabei, besser auf die Impfung zu reagieren. Die Adjuvantien waren alle getestet. Einige wie MF59 von Novartis sind schon seit Jahren auf dem Markt. Trotzdem hatten viele Menschen Angst vor Nebenwirkungen. Und was sie besonders skeptisch gemacht hat: In den USA sollten keine Adjuvantien eingesetzt werden. Denn die Zulassungsbehörde, die Food and Drug Administration, hat die Stoffe noch nicht zugelassen. Bis heute nicht.

    "Wir mussten damals schnell einen Impfstoff gegen H1N1 herstellen. Zeit für neue Studien hatten wir nicht. In den USA sind Grippeimpfstoffe mit Adjuvantien aber noch nicht zugelassen. Also haben wir einen herkömmlichen Grippeimpfstoff ohne Adjuvantien genommen und ihn entsprechend angepasst. Das ging am schnellsten."

    Hana Golding ist Virologin bei der FDA in Bethesda, Maryland. Damals waren sie sich nicht sicher, ob die konventionelle Impfung auch gegen das neue Schweinegrippe-Virus hilft. Die FDA habe die Adjuvantien immer im Hinterkopf gehabt - als Notlösung, sagt Hana Golding.

    "Wenn unsere Impfung nicht gut genug gewirkt hätte, dann hätten wir Adjuvantien gekauft, MF59 von Novartis, und andere. Es gab damals schon Verhandlungen. Aber dann hat sich ja herausgestellt, dass die Impfung in dem Fall ausgereicht hat und wir die Adjuvantien nicht brauchen."

    Die FDA will MF59 jetzt offiziell in den USA zulassen. Dafür wird das Adjuvans noch mal auf Herz und Nieren geprüft. Hana Golding interessiert sich vor allem für eines: Was bringen die Adjuvantien überhaupt? Es gibt dazu schon etliche Studien aus Europa. Sie haben gezeigt, dass das Immunsystem mit Hilfe von MF59 mehr Antikörper gegen das Grippevirus herstellen kann. Aber können diese Antikörper das Virus auch besser bekämpfen?

    "Wir wollen Antikörper haben, die auch qualitativ besser sind: die sich ganz fest an die Grippeviren anheften können. Damit verhindern sie, dass die Viren in menschliche Zellen eindringen und sich dort vermehren, dass es zum Ausbruch der Krankheit kommt. Und wir haben jetzt gezeigt - zum ersten Mal überhaupt - dass Adjuvantien eben diese Bindungskraft der Antikörper verbessern können."

    Hana Golding hat die Kraft und Ausdauer der Antikörper im Labor gemessen. Die Antikörper dafür hat sie aus Blutplasma gewonnen. Das Blutplasma kam von Menschen, die an Impfstudien in Europa teilgenommen hatten, und die gegen die Schweinegrippe oder die Vogelgrippe geimpft worden waren. Die Forscher der FDA haben entdeckt: Wenn die Probanden den Impfstoff mit dem Adjuvans bekommen hatten, dann waren ihre Antikörper ziemlich hartnäckig. Sie haben sich regelrecht festgekrallt am Virus.

    "Und das ist im Körper ganz entscheidend. Das Blut ist ja ständig in Bewegung, da wirken viele Kräfte, die den Antikörper und das Virus auseinanderreißen können. Die starken Antikörper bleiben aber haften und können Infektionen verhindern."

    Wahrscheinlich bieten diese Antikörper auch einen breiteren Schutz. Grippeviren können sich schnell verändern. Die Antikörper seien aber so zäh, dass sie auch mit leicht veränderten Viren klarkommen, schätzt Hana Golding.

    "Unser Fazit: Adjuvantien können die Anzahl und Qualität der Antikörper deutlich verbessern. Das ist gerade im Pandemiefall wichtig, wenn also ein neues Virus kursiert, gegen das die Menschen noch so gut wie keinen Immunschutz haben."