Am Telefon ist Marco Bünte, Thailand-Experte des Instituts für Asienkunde in Hamburg. Guten Tag!
Marco Bünte: Schönen guten Tag!
Heinemann: Herr Bünte, werden die Militärs wie angekündigt wieder in die Kasernen zurückkehren?
Bünte: Ich gehe davon aus, dass das Militär in den nächsten Wochen wieder in die Kasernen zurückkehrt, weil es primär um die Absetzung von Thaksin geht und das Militär keine langfristigen Interessen hat, an der Macht zu bleiben.
Heinemann: Thaksin gilt ja so als eine Art asiatischer Berlusconi, das heißt jemand, der Öffentliches und Privates vermischt zum eigenen Vorteil. Hat das Militär in gewisser Hinsicht hier die Notbremse gezogen?
Bünte: Notbremse sicherlich, weil die parlamentarischen Institutionen schon seit Mitte dieses Jahres eigentlich nicht mehr richtig funktioniert haben. Die Polarisierung im Lande war ungeheuer groß: Thaksins Anhänger auf der einen Seite im Norden und Nordosten und seine Gegner in Bangkok. Die haben sich gegenüber gestanden. Und die Polarisierung war so groß, dass das Militär höchstwahrscheinlich keinen anderen Weg gesehen hat, um ihn aus der Macht zu bekommen.
Heinemann: Also der Putsch lag ein bisschen schon in der Luft?
Bünte: Der Putsch lag schon in der Luft. Schon mehrere Wochen verdichteten sich die Anzeichen, dass es da Gerangel gibt zwischen Premierminister Thaksin und dem Militärchef. Er hat auch aktiv in die Personalpolitik des Militärs eingegriffen. Es gab Konflikte um den Süden des Landes. Da haben sich doch Konflikte zwischen Militär und ziviler Führung angebahnt, die auch in der Vergangenheit sehr häufig für einen Putsch gesorgt hatten.
Heinemann: Das heißt im Süden: Da gibt es Unruhen in den muslimisch geprägten Provinzen. Spielte das bei dem Militärputsch jetzt eine Rolle?
Bünte: Das wird sicherlich auch eine Rolle gespielt haben neben dieser Polarisierung im Lande. Im Süden kämpfen ja separatistische Rebellen, und die Regierung hat es in den letzten zwei Jahren einfach nicht geschafft, dort Ruhe in die Provinzen zu bringen. Das Militär hat ein Auseinanderbrechen Thailands hier befürchtet.
Heinemann: Bildet das Militär eine Art Staat im Staate?
Bünte: Ja. Allerdings ist die Rolle des Militärs in den 90er Jahren mit der Demokratisierung ein Stück weit zurückgegangen, und man hat eigentlich gedacht, dass das Militär nicht mehr diese Rolle einnimmt und dass das Militär zunehmend unter zivile Kontrolle geraten ist. Allerdings müssen wir jetzt sehen, dass das Militär immer noch eine eminent politische Rolle in Thailand spielt.
Heinemann: Vergleichbar vielleicht ein bisschen mit der Türkei in den 80er, 90er Jahren?
Bünte: Das kann man, glaube ich, durchaus vergleichen.
Heinemann: Hat die Empfindlichkeit für unmoralisches Verhalten in der Politik in Thailand zugenommen?
Bünte: Sicherlich. Thaksin geriet insbesondere seit Mitte des Jahres eben wegen seiner Korruption oder wegen des Verkaufs von Medienanteilen in die Kritik. Deswegen ist diese Polarisierung überhaupt in Thailand entstanden. Deshalb ist er seit Mitte des Jahres mit massiven Protesten der Mittelschicht konfrontiert. Mehr als 100.000 sind in Bangkok im April auf die Straßen gegangen und haben gegen Thaksin demonstriert. Insofern ist die Wut der Bevölkerung auf Thaksin sicherlich hier auch ein Grund gewesen.
Heinemann: Herr Bünte, höchste politische und moralische Autorität in Thailand ist König Bhumibol, der mit byzantinisch anmutendem Hofzeremoniell herrscht. Diener nähern sich dem Monarchen auf Knien rutschend. Wie traditionsbewusst schreitet Thailand auf dem Weg in die Moderne?
Bünte: Thailand ist eine sehr traditionelle Gesellschaft und mit sehr starken Traditionen. Das Königtum spielt eine unheimlich große Rolle, und das thailändische Königtum hat hier so ein bisschen auch die Rolle des Ziehvaters der Demokratie. Insofern wird dort ein bestimmter Weg in die Moderne gewählt, nämlich der Weg der Demokratie unter der Herrschaft des Königtums.
Heinemann: Und weniger Raubtierkapitalismus, vielleicht verglichen zum Beispiel mit China?
Bünte: Weniger Raubtierkapitalismus, für den ja auch Thaksin gestanden hat. Das heißt, Thaksin als Berlusconi Asiens, wie Sie es bezeichnet haben, war immer schon etwas wie ein Fremdkörper in Thailand.
Heinemann: Herr Bünte, heute ist Weltkindertag. Thailand macht in Deutschland vor allem im Zusammenhang mit Triebtätern Schlagzeilen, die Kinder und Jugendliche missbrauchen. Wie wirksam versucht die Regierung, die jungen Menschen vor geilen Ausländern zu schützen?
Bünte: Die thailändische Regierung - das ist ein strukturelles Problem in Thailand mit der Kriminalität - versucht, hier Wege zu beschreiten, um dieses Übel zu bekämpfen.
Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir mit Marco Bünte, dem Thailand-Experten des Instituts für Asienkunde in Hamburg. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Bünte: Auf Wiederhören.
Marco Bünte: Schönen guten Tag!
Heinemann: Herr Bünte, werden die Militärs wie angekündigt wieder in die Kasernen zurückkehren?
Bünte: Ich gehe davon aus, dass das Militär in den nächsten Wochen wieder in die Kasernen zurückkehrt, weil es primär um die Absetzung von Thaksin geht und das Militär keine langfristigen Interessen hat, an der Macht zu bleiben.
Heinemann: Thaksin gilt ja so als eine Art asiatischer Berlusconi, das heißt jemand, der Öffentliches und Privates vermischt zum eigenen Vorteil. Hat das Militär in gewisser Hinsicht hier die Notbremse gezogen?
Bünte: Notbremse sicherlich, weil die parlamentarischen Institutionen schon seit Mitte dieses Jahres eigentlich nicht mehr richtig funktioniert haben. Die Polarisierung im Lande war ungeheuer groß: Thaksins Anhänger auf der einen Seite im Norden und Nordosten und seine Gegner in Bangkok. Die haben sich gegenüber gestanden. Und die Polarisierung war so groß, dass das Militär höchstwahrscheinlich keinen anderen Weg gesehen hat, um ihn aus der Macht zu bekommen.
Heinemann: Also der Putsch lag ein bisschen schon in der Luft?
Bünte: Der Putsch lag schon in der Luft. Schon mehrere Wochen verdichteten sich die Anzeichen, dass es da Gerangel gibt zwischen Premierminister Thaksin und dem Militärchef. Er hat auch aktiv in die Personalpolitik des Militärs eingegriffen. Es gab Konflikte um den Süden des Landes. Da haben sich doch Konflikte zwischen Militär und ziviler Führung angebahnt, die auch in der Vergangenheit sehr häufig für einen Putsch gesorgt hatten.
Heinemann: Das heißt im Süden: Da gibt es Unruhen in den muslimisch geprägten Provinzen. Spielte das bei dem Militärputsch jetzt eine Rolle?
Bünte: Das wird sicherlich auch eine Rolle gespielt haben neben dieser Polarisierung im Lande. Im Süden kämpfen ja separatistische Rebellen, und die Regierung hat es in den letzten zwei Jahren einfach nicht geschafft, dort Ruhe in die Provinzen zu bringen. Das Militär hat ein Auseinanderbrechen Thailands hier befürchtet.
Heinemann: Bildet das Militär eine Art Staat im Staate?
Bünte: Ja. Allerdings ist die Rolle des Militärs in den 90er Jahren mit der Demokratisierung ein Stück weit zurückgegangen, und man hat eigentlich gedacht, dass das Militär nicht mehr diese Rolle einnimmt und dass das Militär zunehmend unter zivile Kontrolle geraten ist. Allerdings müssen wir jetzt sehen, dass das Militär immer noch eine eminent politische Rolle in Thailand spielt.
Heinemann: Vergleichbar vielleicht ein bisschen mit der Türkei in den 80er, 90er Jahren?
Bünte: Das kann man, glaube ich, durchaus vergleichen.
Heinemann: Hat die Empfindlichkeit für unmoralisches Verhalten in der Politik in Thailand zugenommen?
Bünte: Sicherlich. Thaksin geriet insbesondere seit Mitte des Jahres eben wegen seiner Korruption oder wegen des Verkaufs von Medienanteilen in die Kritik. Deswegen ist diese Polarisierung überhaupt in Thailand entstanden. Deshalb ist er seit Mitte des Jahres mit massiven Protesten der Mittelschicht konfrontiert. Mehr als 100.000 sind in Bangkok im April auf die Straßen gegangen und haben gegen Thaksin demonstriert. Insofern ist die Wut der Bevölkerung auf Thaksin sicherlich hier auch ein Grund gewesen.
Heinemann: Herr Bünte, höchste politische und moralische Autorität in Thailand ist König Bhumibol, der mit byzantinisch anmutendem Hofzeremoniell herrscht. Diener nähern sich dem Monarchen auf Knien rutschend. Wie traditionsbewusst schreitet Thailand auf dem Weg in die Moderne?
Bünte: Thailand ist eine sehr traditionelle Gesellschaft und mit sehr starken Traditionen. Das Königtum spielt eine unheimlich große Rolle, und das thailändische Königtum hat hier so ein bisschen auch die Rolle des Ziehvaters der Demokratie. Insofern wird dort ein bestimmter Weg in die Moderne gewählt, nämlich der Weg der Demokratie unter der Herrschaft des Königtums.
Heinemann: Und weniger Raubtierkapitalismus, vielleicht verglichen zum Beispiel mit China?
Bünte: Weniger Raubtierkapitalismus, für den ja auch Thaksin gestanden hat. Das heißt, Thaksin als Berlusconi Asiens, wie Sie es bezeichnet haben, war immer schon etwas wie ein Fremdkörper in Thailand.
Heinemann: Herr Bünte, heute ist Weltkindertag. Thailand macht in Deutschland vor allem im Zusammenhang mit Triebtätern Schlagzeilen, die Kinder und Jugendliche missbrauchen. Wie wirksam versucht die Regierung, die jungen Menschen vor geilen Ausländern zu schützen?
Bünte: Die thailändische Regierung - das ist ein strukturelles Problem in Thailand mit der Kriminalität - versucht, hier Wege zu beschreiten, um dieses Übel zu bekämpfen.
Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir mit Marco Bünte, dem Thailand-Experten des Instituts für Asienkunde in Hamburg. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Bünte: Auf Wiederhören.