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"Der Schlussverkauf ist die natürliche Heimat der Rabatte"

Pellengahr: Heute morgen um acht Uhr beginnt bundesweit der Sommerschlussverkauf. Da fragt sich mancher und denkt: "Wieso das, der Sommerschlussverkauf ist doch abgeschafft?" Tatsächlich darf ja jeder jetzt Angebote und Rabatte machen, wann er will. Aber der Einzelhandel will trotzdem auf den Sommerschlussverkauf nicht verzichten. Anfang Juli ist das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft getreten, jetzt ist das Ganze also eine freiwillige Schlussverkaufsaktion der Einzelhändler. Am Telefon in Berlin begrüße ich Hubertus Pellengahr, er ist der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels. Guten Morgen Herr Pellengahr.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Pellengahr: Einen wunderschönen Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Wieso gibt es einen Sommerschlussverkauf?

    Pellengahr: Es gibt ja auch einen Sommer dieses Jahr, auch das scheinen viele Menschen nicht zu glauben, wenn man nach draußen schaut. Aber der größte Teil des Sommers liegt noch vor uns und da kommt der Sommerschlussverkauf gerade richtig. Das ist ein großes Fest des Einzelhandels. In dieser Gemeinschaftsaktion erreichen die Geschäfte viel mehr, als wenn sie ihren Ausverkauf zu unterschiedlichen Terminen machen würden. Die Nachfrage der Kunden nach dem Sommerschlussverkauf war da, die Kunden wollten weiterhin Sommerschlussverkauf haben und deshalb bietet der Handel jetzt in den nächsten zwei Wochen heute um acht Uhr beginnend einen Sommerschlussverkauf an.

    Meurer: Welchen Sinn macht aber der Schlussverkauf, wenn es doch in den letzten Wochen schon eine ganze Reihe und geradezu überall schon Rabattaktionen gegeben hat?

    Pellengahr: Das ist richtig, dass wir angesichts der schleppenden Nachfrage, wegen des kühlen und nassen Wetters viele, viele Rabattaktionen bereits in den vergangenen Wochen gesehen haben. Trotzdem hat das nicht ausgereicht, die Lager zu räumen. Die Lager sind noch übervoll und das schafft man eben nur mit dem Sommerschlussverkauf. Die Kunden können sich freuen, denn die Preisnachlässe sind natürlich in dieser Situation gewaltig. Der Handel kann diese Ware nicht auf Lager nehmen, dazu kommen neue Sortimente im Einzelhandel, die jetzt erstmals am Sommerschlussverkauf teilnehmen dürfen, Möbel zum Beispiel, auch Baumarktartikel, Elektroartikel, Haushaltswaren. Es gibt keine Beschränkung mehr auf Textilien und wenige andere Sortimente.

    Meurer: Mit welcher Resonanz, Herr Pellengahr, rechnet der Einzelhandel in den nächsten zwei Wochen?

    Pellengahr: Wir rechnen erstmal damit, dass über Zweidrittel der Geschäfte am Sommerschlussverkauf teilnehmen und gehen davon aus, dass der Schlussverkauf gut bei den Kunden ankommt, gerade auch weil sie ja derzeit ihr Geld aufgrund der konjunkturellen Situation sehr zusammenhalten müssen. Die Menschen sind preisbewusst und da bietet sich ein Schlussverkauf an, da kann man einfach so günstig einkaufen, wie sonst nie - allen Rabattaktionen zum Trotz.

    Meurer: Nun ist es ja so, dass die Deutschen sich zu regelrechten Schnäppchenjägern entwickelt haben, vor allen Dingen weil das Rabattgesetz verändert worden ist. Das wird ja aber durchaus skeptisch gesehen, der Einzelhandel hat Angst, dass man sich sozusagen zu Tode rabattiert. Warum setzen Sie da noch eins drauf mit dem Sommerschlussverkauf?

    Pellengahr: Das ist richtig. Es besteht die große Sorge, dass die Rabatte überhaupt keine Wirkung mehr zeigen bei den Konsumenten, dass die Konsumenten das Gefühl haben, wenn sie in der einen Woche 30 Prozent weniger bezahlen müssen, dass sie darauf warten, in der nächsten Woche vielleicht 50 Prozent weniger zu bezahlen. Die Konsumenten sind durch die vielen Rabatte irritiert, sie halten die Preise im Einzelhandel für willkürlich und das ist natürlich eine ganz gefährliche Entwicklung. Im Schlussverkauf ist das anders, der Schlussverkauf ist sozusagen die natürliche Heimat der Rabatte. Da wissen die Verbraucher, es geht um Lagerräumung, das ist eine Ausnahmesituation, so niedrige Preise gibt es danach nicht mehr, im Schlussverkauf muss man kaufen. Wir wollen sozusagen auch mit den Schlussverkäufen einen Schlusspunkt, einen Höhepunkt, ein Finale setzen unter diese zahlreichen Rabattaktivitäten des Einzelhandels.

    Meurer: Nun war es ja so, dass der Einzelhandel selbst wollte, dass das alte Rabattgesetzt aufgehoben wird. Wie fällt denn jetzt ihre Bilanz des neuen Gesetzes aus?

    Pellengahr: Das ist sehr, sehr zwiespältig, weil der Handel mit den transparenten Preisen der Vergangenheit gut gefahren ist, wohl auch die Konsumenten sind gut damit gefahren. Man konnte die Preise leicht miteinander vergleichen, das alles hat sich in der Zwischenzeit geändert. Das ist in gewisser Weise der Preis der Freiheit, den wir zu zahlen haben. Der Grund für die Lockerungen ist der internationale Wettbewerb, ist die Europäische Union, die uns dazu gezwungen hat, unsere Gesetze anzupassen. Damit können die Händler teilweise auch noch nicht richtig umgehen, sie müssen noch weiter Erfahrungen sammeln. Schwierigkeiten hat vor allem der Mittelstand, dem wir ganz dringend raten, sich auf diese Rabattitis überhaupt nicht einzulassen, sondern mit einem klaren Angebot seinen Kunden gegenüberzutreten, um wirklich um das Vertrauen der Kunden zu werben. Nur dann hat der Mittelstand eine Chance und diese Chance, da sind wir ganz sicher, die hat er verdient, die braucht er auch.

    Meurer: Aber der Mittelstand wird sagen, oder die kleinen Händler: "Was sollen wir denn machen, wenn die großen Kaufhäuser ständig Rabattaktionen fahren?"

    Pellengahr: Die großen Kaufhäuser mit ihren Rabattaktionen sind auch nicht immer erfolgreich. Die Rabatte gehen auf jeden Fall zulasten des Gewinns und die Ertragslage der Unternehmen wird sehr stark geschmälert durch die Rabattaktionen. Es ist wichtig, dass man ein unverwechselbares Angebot hat und die Kunden Vertrauen zu den Preisen des Einzelhandels haben, dass die Kunden das Gefühl haben, das sind faire Preise, dafür bekomme ich eine gute Leistung. Dahin müssen wir kommen und wir müssen auch mehr Service und Qualität wieder in den Vordergrund stellen, nicht nur den Preis. Im Moment ist allerdings Schlussverkauf, da geht es tatsächlich um den Preis, billig, billiger am billigsten. Das ist in Ordnung, das ist aber am 7. August vorbei.

    Meurer: Hätten Sie es denn insgesamt gerne so wie früher?

    Pellengahr: Man kann das Rad nicht zurückdrehen, die Freiheit bietet auch große Chancen für alle Beteiligten. Man muss verantwortungsbewusst und natürlich auch kreativ mit den neuen Möglichkeiten umgehen. Hier müssen auch Erfahrungen gesammelt werden in Deutschland, da haben wir Neuland betreten. Wir sind hier auch in einer Phase rückläufiger Umsätze im Einzelhandel. Das Ganze kam zu einem denkbar ungünstigen Moment für den Handel. Es nützt nichts, wir müssen nach vorne schauen, jammern hilft nicht weiter. Das gilt auch für die konjunkturelle Entwicklung im Einzelhandel, das erste Halbjahr muss man abhaken. Wir wollen die Zukunft gewinnen und nicht über die Vergangenheit lamentieren.

    Meurer: Wird der Schlussverkauf, so wie wir ihn ab heute erleben werden, auch künftig noch überleben, wird es heute nicht der letzte Schlussverkauf sein?

    Pellengahr: Der Schlussverkauf hat gute Chancen zu überleben. Wir wollen ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte der Schlussverkäufe aufschlagen und das hängt natürlich auch sehr stark davon ab, ob es gelingt, hier zum ersten Mal wirklich einen freiwilligen Schlussverkauf zu inszenieren, der ein großer Erfolg wird, der die Stimmung auch im Lande hebt bei den Konsumenten und der für etwas frischen Wind sorgt. Dann sind wir sehr zuversichtlich, dass wir das im Winter wiederholen können, und dass der neue Schlussverkauf genauso beliebt bleibt, wie der alte war.

    Meurer: Das war Hubertus Pellengahr, er ist der Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels. Heute beginnt, trotz geänderten Gesetzen, der Sommerschlussverkauf. Herr Pellengahr, besten Dank und auf Wiederhören.