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Der sichtbare Beitrag

In den meisten Bundesländern werden Studenten für ihr Studium zur Kasse gebeten. Wofür diese Gebühren verwendet werden sollen, ist klar geregelt: Die Hochschulen müssen damit die Lehre verbessern. Einige Universitäten machen die Verwendung sofort transparent - so auch die Universität in Kassel.

Von Beatrice Weiskircher | 17.12.2007
    Kleine, unscheinbare Aufkleber sollen künftig an der Uni in Kassel für Transparenz sorgen. "Der sichtbare Beitrag" steht drauf. Und dort wo sie kleben, sind Studiengebühren investiert worden. Auf dem Campus in Kassel sucht man sie allerdings vergeblich.

    Eine erste Anlaufstelle ist die Unibibliothek. Die hat seit diesem Semester länger geöffnet und das ist mit den neuen Studiengebühren finanziert worden, sagt Sebastian Böttge vom ASTA in Kassel:

    "Mir wurde gesagt, hier sollte es den geben, weil neue Öffnungszeiten da sind und da wo das drauf steht, sollte der Aufkleber sein. Aber ich hab ihn trotzdem nicht gefunden."

    Tatsächlich klebt auf keinem der riesigen Schilder mit den neuen Öffnungszeiten ein Aufkleber. Und bei den Studierenden erntet man auch nur fragende Blicke:

    "Ich hab eben grade das erste Mal mitbekommen, dass es Aufkleber gibt, aber noch keinen gesehen.

    Diese ominösen Aufkleber sind mir niemals übern Weg gelaufen.

    Ich hab bisher keine gesehen. Aber ich würde mich freuen, wenn ich irgendwas sehen könnte, wofür die Gelder ausgegeben worden sind. "

    Seit Oktober müssen die Studierenden in Hessen Gebühren zahlen. In die Kassen der Uni Kassel fließen damit seit diesem Semester rund 10,5 Millionen Euro mehr. Es ist gesetzlich klar geregelt, wofür sie ausgegeben werden müssen. Die Studierenden haben nämlich jetzt das Recht, dass ihr Studium in "angemessener Zeit" studierbar sein muss. Dafür muss die Hochschule sorgen. In diesem Punkt gäbe es an der Kasseler Uni Nachbesserungsbedarf. Besonders bei der Raumsituation. In fast allen Fachbereichen seien die Veranstaltungen überfüllt, sagt ASTA-Sprecher Sebastian Böttge:

    "Beispiel Wirtschaftswissenschaften: Da sind Veranstaltungen, da müssen Wirtschaftspädagogen rein, Wirtschaftswissenschaftler, Sprachwissenschaftler und dann noch die Wirtschaftsingenieure. Und da sind so viele Leute in den Veranstaltungen, dass die natürlich aus allen Nähten platzen. "

    Ähnliche Verhältnisse herrschen in den Seminaren der Sprach- und Literaturwissenschaften, sagt ein Germanistikstudent:

    "Letztendlich die beiden Hauptveranstaltungen, die ich besuche, sind wir mit über 200 Leuten. Seminar heißt ja eigentlich 30 bis 40 Studenten, um eben ein dialogisches Arbeiten zu ermöglichen. Und es läuft natürlich auf eine One-Man-Show von dem Dozenten hinaus. Also es gibt keine Dialoge in dem Sinne. "

    Die Raumsituation ist aus Sicht der Kasseler Studierenden immer noch katastrophal. Die Aufkleber, die die Verbesserungen markieren sollen, sind nirgendwo auf Anhieb zu finden. Bleibt die Frage, was bislang mit den Gebühren an der Uni in Kassel passiert ist. Die Pressesprecherin Anette Ulbricht sagt, ganz grundsätzlich ginge nur ein kleiner Teil der Gebühren in zentrale Einrichtungen. Das Gros erhalten die Fachbereiche. Das sind vier Millionen Euro. Mit 1,2 Millionen davon sollen neue Lehrkräfte finanziert werden:

    "Dazu muss man grundsätzlich sagen, die Studienbeiträge sind nicht dafür gedacht, Dauerpersonal zu beschäftigen. Das heißt, die grundsätzliche Besetzung einer Professur kann darüber nicht geleistet werden. Aber es kann überbrückt werden, wenn Engpässe bestehen. Indem zusätzliche Lehraufträge vergeben werden oder Gastprofessuren eingerichtet werden und ähnliches. "

    Das sind rund 600 Tutorien, die die Unileitung geschaffen hat, um ihre Studierenden besser zu betreuen. Die erfüllen auch noch einen anderen Zweck: pro Tutorium gibt’s im Semester nämlich 500 Euro. Das entspricht den Studiengebühren. Ein sozialer Gedanke der Uni-Leitung, der aber bei den Studierenden offenbar nicht so gut ankommt:

    "Es ist halt einfach ein bißchen zynisch. Ich meine, wenn ich Studiengebühren zahle und dann muss ich mir das Geld an der Uni wieder verdienen durchn Tutorium, das ist halt – ja, fast schon ein Paradoxon, eigentlich.

    Ich finde schön, dass die Uni zusätzliche Jobs schaffen möchte. Allerdings: wir brauchen mehr Fachkräfte, viel eher als dass wir andere Studenten als unsere Lehrer brauchen. Das hätte ich viel lieber.

    Tutorien finde ich persönlich eigentlich total furchtbar. Ist vielleicht mein subjektives Gefühl, aber ich hab immer das Gefühl, okay, jetzt warste in der Vorlesung, jetzt musste da auch noch hin und das bringt sowieso nichts, da wird nur gelabert. "

    Es scheint also an der Uni in Kassel so zu sein, dass die Studiengebühren an den Bedürfnissen der Studierenden vorbei verwendet werden und sich bislang noch nicht viel an den Studienbedingungen verbessert hat. Auch die Aufkleber "Der sichtbare Beitrag", die ja eigentlich transparent machen sollen, wo das Geld hingeht, sind auf dem Campus eher unsichtbar. Da drängt sich der Verdacht auf, dass es dabei doch mehr eine PR-Kampagne der Uni handelt:

    "In der Tat ist es eine Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit, es soll kein Gag sein. Wir haben ja erst vor zweieinhalb Wochen die Aufkleber-Aktion gestartet und das muss sich erst umsetzen. Zudem sind die jetzt auch nicht riesengroß, sondern sind klein, damit sie auch auf Buchrücken und PCs passen. Das kann man natürlich auch übersehen. Aber ich glaube, das kommt noch. "