Paulig: Ich grüße Sie!
Koczian: Es wird ja nun kein Parteitag der Einigkeit werden. Das muß den Grünen, die Streitkultur als demokratisch wünschenswert pflegen, nicht schaden. Doch in der Sache verbirgt sich ein Selbstverständnis-Problem. Selbst der politische Gegner attestiert ja, daß Joschka Fischer ein Naturtalent als Außenminister ist, dem auch gar nichts Grünes mehr anhaftet. Die Grünen als NATO-Partei, macht Ihnen das nicht Bauchgrimmen?
Paulig: Ja, natürlich ist das eine ganz schwierige Situation für uns, aber ich denke, wir sind uns bewußt, daß wenn jemand in dieser schwierigen Situation, in diesem Kosovo-Konflikt politische Lösungen voranbringt, dann ist es Joschka Fischer. Nicht zuletzt haben jetzt die G8-Staaten den Friedensplan von Joschka Fischer in der Grundlage angenommen. Kofi Annan unterstützt ihn. Und wenn es gelänge, auf dieser Grundlage jetzt wirklich zu einer politischen Lösung zu kommen, ich denke, dann haben die Grünen auch wieder den Rücken frei und können zivile Friedenspolitik ausarbeiten und voranbringen.
Koczian: Nun weiß die Tageszeitung "die Welt" bereits, daß Joschka Fischer zurücktreten will, wenn eine einseitige Feuerpause von den Grünen verlangt wird. Macht es Sinn, den Parteitag derart unter Druck zu setzen, oder wirkt das eher kontraproduktiv?
Paulig: Da muß man jetzt einmal abwarten, wie weit dieses Zitat zutrifft. Ich denke, Joschka Fischer weiß, worum es in dieser Situation geht. Er kennt die Unterstützung aus den Landesverbänden. Es ist aber in der Tat so, daß sehr viele sagen, wir müssen jetzt den politischen Dialog, die diplomatischen Lösungen verstärken mit dem Signal einer einseitigen Feuerpause, einer Unterbrechung der Luftangriffe. Ich möchte meinen, daß auch die Berater von Joschka Fischer ihn sehr wohl stützen, falls dieser Beschluß auf dem Parteitag gefällt wird.
Koczian: Das Dilemma heißt doch, wer den NATO-Druck vermindern will, verrät die Kosovo-Flüchtlinge in ihrem Elend. Verlangt Politik eine Erosion des Mitleids jedenfalls auf der linken Seite?
Paulig: Ja, wir müssen die Realitäten sehen. Wir müssen unterbrechen, um den Flüchtlingen, die im Kosovo sind, zu helfen, um hier voranzukommen und natürlich Druck auf den Rückzug der serbischen Truppen zu machen. Das ist ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche, und das ist Handeln aus Humanität, wenn wir unterbrechen. Insofern denke ich, ist die politische Friedenslösung und eine befristete Pause sehr wohl vereinbar, und ich denke, sie gibt auch ein neues Signal an die Weltöffentlichkeit.
Koczian: Die Kontroverse in der Partei ist laut. Die Landesverbände stehen in der Mitte. Wie weit hat sich die Bonner Riege von der Basis entfernt?
Paulig: Ich habe den Eindruck, sie sind sehr eng mit der Basis verknüpft, aber in der Basis ist es manchmal schwer zu verstehen, in welchen Zwängen hier diese Bundesregierung im Kosovo-Konflikt steht. Ich meine, das sind Versäumnisse von zehn Jahren. Man hat die gewaltfreie Politik Rugowas von der Staatengemeinschaft nicht anerkannt. Man hat die Frage der Kosovo-Albaner nicht in das Dayton-Abkommen mit einbezogen. All das sind gravierende Versäumnisse, die jetzt zu dieser Zwangslage geführt haben. Und hier die Realitäten zu sehen, gleichzeitig den Einsatz von Joschka Fischer anzuerkennen und zu sagen, aber wir fordern auch von der NATO, von dieser militärischen Strategie, daß zivile Ziele ausgenommen werden, daß einseitig kurz unterbrochen wird, eine befristete Unterbrechung der Luftangriffe, um wieder den politisch-diplomatischen Lösungen das neue Gewicht zu geben, ich denke, das ist ein Weg, den viele, viele unterstützen. Und ich hoffe, daß Joschka Fischer in dieser Frage dann auch wirklich Standfestigkeit beweist und sagt, ich habe die Unterstützung der Partei.
Koczian: Sie sprechen von Zwängen. Wenn diese Zwänge aber nun gegen Grundüberzeugungen verstoßen, weswegen man überhaupt grüne Politik macht, wie soll man dann reagieren?
Paulig: Grüne Politik ist eine zivile Friedenspolitik. Wir wollen die UNO stärken, die UNO reformieren. Wir wollen die OSZE stärken. Wir wollen eine andere NATO-Strategie. All dieses kann ich nicht von heute auf morgen umsetzen. Diese Regierung ist im Oktober 1998 in diesen Konflikt eingetreten, und ich kann nicht in diesem Konflikt gleichzeitig eine zivile europäische Friedenspolitik voranbringen. Um diese aufzubauen, fortzusetzen, zu stärken, brauchen wir natürlich Grüne in dieser Bonner Regierung, und diese Einsicht, denke ich, ist bei den Grünen weit verbreitet.
Koczian: Wenn nun Gesinnungsethik durch Verantwortungsethik abgelöst wird, dann hat es die PDS zum Beispiel natürlich leicht, das Erbe des Pazifismus zu übernehmen. Wie wollen Sie denn dieses Terrain behaupten?
Paulig: Ja, das ist ebenfalls eine wirklich schwierige Situation, denn das ist populistisch. Ich kann jetzt leicht sagen, ja natürlich, wir verzichten auf Waffen, aber wir sehen ja, Gysi hat auch in Belgrad nichts erreicht, ist keinen Schritt vorangekommen. Es ist eine ausgesprochen schwierige Situation, in der wir stehen, und es geht nicht mit schnellen Lösungen und um populistische Forderungen in dem Fall, sondern konkret sind die Staaten für eine politische Lösung zu vereinen, und das erfordert Knochenarbeit. Diese Arbeit, diese intensive engagierte Arbeit die leistet im Moment Joschka Fischer. Hier müssen wir einfach diese Politik fortsetzen.
Koczian: Nun ist die Konkurrenz auch auf der anderen Seite groß, die Witterung mancher Politiker erstaunlich. Auch der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber, sonst eher der Rechtsausleger der deutschen Politik, übt die Kritik an der NATO-Strategie. Eine überraschend schwarz-grüne Gemeinsamkeit?
Paulig: Schwarz-grüne Gemeinsamkeiten sind in Ordnung, wenn es darum geht, militärischen Druck wegzunehmen, um politisch friedliche, zivile Lösungen voranzubringen und vor allem jetzt den Menschen zu helfen. Das Elend ist in den Nachbarstaaten riesig, organisatorisch im Moment kaum zu bewältigen, und wir wissen überhaupt nicht, wie es im Kosovo selbst aussieht. Dort ist sicher dringend Hilfe nötig. Darum müssen alle politisch verantwortlichen Kräfte zusammenwirken.
Koczian: Wenn heute nun konkret eine NATO-Aktion zum Streitthema bei den Grünen wird, dann wäre es ja nur folgerichtig, die Bündnisfrage, die Frage der Bündnispolitik noch einmal zu stellen. Ist sie bei den Grünen wirklich ausdiskutiert?
Paulig: Sie wird immer wieder gestellt, weil wir es natürlich immer an den Ergebnissen in dieser Regierung überprüfen müssen, was können wir erreichen. Aber diese politische Partei Die Grünen, sie hat ja zwei Dinge. Ich denke, die Partei hat eine ganz starke Aufgabe, politische Lösungen, Konzepte voranzubringen, einzufordern, das gesellschaftliche Umfeld auf Reformschritte einzustellen. Und die, die in der Regierung sind, die haben die Möglichkeit, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren, aber in kleinen Schritten eine zivile ökologische Politik umzusetzen. Darum geht es, und das ist immer ein Wandern auf dem Grad. Ich muß schauen, was kann ich in dieser Situation erreichen. Die Mehrheitsverhältnisse sind für die Grünen nicht so, daß wir alle unsere Forderungen umsetzen können; das weiß nun jedes Kind. Also wird es immer eine Balance sein. Die Partei hat die Aufgabe, klar die Zielvorstellungen, die Konzeptionen breit nach außen zu tragen, und das muß sich ergänzen und stützen. Da kann nicht das eine als Angriff für den anderen gesehen werden.
Koczian: Die NATO hat die Vertreibung nicht verhindern können. Die Luftschläge haben Milosevic darin sogar die letzten Hemmungen genommen. Konsequenterweise müßte man nun mehr Flüchtlinge aufnehmen. Gerade 10 000 mehr, und das unter Bedingungen, gesteht Deutschland zu. Entspricht diese "Großzügigkeit" der entschlossenen Bereitschaft zur Teilnahme an den Luftschlägen?
Paulig: Da haben wir Grünen ja die klare Aussage, daß wir, ohne jetzt Flüchtlinge im Elend als Druckmittel für andere europäische Staaten zu verwenden, sagen, wir müssen mehr aufnehmen. Im Moment zeigt sich ja eine gewisse weitere Bereitschaft, auch bei den anderen europäischen Staaten. Wir sagen, Flüchtlinge aufnehmen. Wir haben ja den Bürgerkriegs-Flüchtlingsparagraphen und die Anerkennung nach dem Ausländergesetz. Also Flüchtlinge aufnehmen, ihnen hier jetzt helfen, gleichzeitig dort die Hilfsaktionen intensivieren. Wir sagen aber bebispielsweise auch, serbische Dissidenten, Kriegsflüchtlinge, Deserteure aus der serbischen Armee hier in Deutschland als Flüchtlinge anzuerkennen, ihnen in konkreten Fällen sogar das Asyl zu geben, um ein Signal an die serbische Opposition zu setzen, Leute, macht dort nicht mehr mit, unterstützt nicht mehr das Milosevic-Regime. Ich denke, das ist auch ein ganz wichtiges Zeichen, was wir setzen müssen, daß wir verhandlungsbereit sind mit der Opposition, daß wir die Opposition in Serbien stärken wollen, denn dann können wir politische Lösungen einfordern. Ich denke, langfristig brauchen wir eine Balkan-Konferenz, brauchen wir einen Stabilitätspakt für den südosteuropäischen Raum, denn diese Länder, diese ethnischen Minderheiten werden Teil dieses Europas sein. Sie sollen sich hier aufgenommen fühlen, und sie werden über den europäischen Gedanken zusammenwachsen. Das ist ein langer Weg, aber nur der Weg führt wirklich zu einer Lösung und führt zum Frieden.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das Ruth Paulig, die Vorsitzende der bayerischen Grünen. Danke nach Herrsching!
Koczian: Es wird ja nun kein Parteitag der Einigkeit werden. Das muß den Grünen, die Streitkultur als demokratisch wünschenswert pflegen, nicht schaden. Doch in der Sache verbirgt sich ein Selbstverständnis-Problem. Selbst der politische Gegner attestiert ja, daß Joschka Fischer ein Naturtalent als Außenminister ist, dem auch gar nichts Grünes mehr anhaftet. Die Grünen als NATO-Partei, macht Ihnen das nicht Bauchgrimmen?
Paulig: Ja, natürlich ist das eine ganz schwierige Situation für uns, aber ich denke, wir sind uns bewußt, daß wenn jemand in dieser schwierigen Situation, in diesem Kosovo-Konflikt politische Lösungen voranbringt, dann ist es Joschka Fischer. Nicht zuletzt haben jetzt die G8-Staaten den Friedensplan von Joschka Fischer in der Grundlage angenommen. Kofi Annan unterstützt ihn. Und wenn es gelänge, auf dieser Grundlage jetzt wirklich zu einer politischen Lösung zu kommen, ich denke, dann haben die Grünen auch wieder den Rücken frei und können zivile Friedenspolitik ausarbeiten und voranbringen.
Koczian: Nun weiß die Tageszeitung "die Welt" bereits, daß Joschka Fischer zurücktreten will, wenn eine einseitige Feuerpause von den Grünen verlangt wird. Macht es Sinn, den Parteitag derart unter Druck zu setzen, oder wirkt das eher kontraproduktiv?
Paulig: Da muß man jetzt einmal abwarten, wie weit dieses Zitat zutrifft. Ich denke, Joschka Fischer weiß, worum es in dieser Situation geht. Er kennt die Unterstützung aus den Landesverbänden. Es ist aber in der Tat so, daß sehr viele sagen, wir müssen jetzt den politischen Dialog, die diplomatischen Lösungen verstärken mit dem Signal einer einseitigen Feuerpause, einer Unterbrechung der Luftangriffe. Ich möchte meinen, daß auch die Berater von Joschka Fischer ihn sehr wohl stützen, falls dieser Beschluß auf dem Parteitag gefällt wird.
Koczian: Das Dilemma heißt doch, wer den NATO-Druck vermindern will, verrät die Kosovo-Flüchtlinge in ihrem Elend. Verlangt Politik eine Erosion des Mitleids jedenfalls auf der linken Seite?
Paulig: Ja, wir müssen die Realitäten sehen. Wir müssen unterbrechen, um den Flüchtlingen, die im Kosovo sind, zu helfen, um hier voranzukommen und natürlich Druck auf den Rückzug der serbischen Truppen zu machen. Das ist ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche, und das ist Handeln aus Humanität, wenn wir unterbrechen. Insofern denke ich, ist die politische Friedenslösung und eine befristete Pause sehr wohl vereinbar, und ich denke, sie gibt auch ein neues Signal an die Weltöffentlichkeit.
Koczian: Die Kontroverse in der Partei ist laut. Die Landesverbände stehen in der Mitte. Wie weit hat sich die Bonner Riege von der Basis entfernt?
Paulig: Ich habe den Eindruck, sie sind sehr eng mit der Basis verknüpft, aber in der Basis ist es manchmal schwer zu verstehen, in welchen Zwängen hier diese Bundesregierung im Kosovo-Konflikt steht. Ich meine, das sind Versäumnisse von zehn Jahren. Man hat die gewaltfreie Politik Rugowas von der Staatengemeinschaft nicht anerkannt. Man hat die Frage der Kosovo-Albaner nicht in das Dayton-Abkommen mit einbezogen. All das sind gravierende Versäumnisse, die jetzt zu dieser Zwangslage geführt haben. Und hier die Realitäten zu sehen, gleichzeitig den Einsatz von Joschka Fischer anzuerkennen und zu sagen, aber wir fordern auch von der NATO, von dieser militärischen Strategie, daß zivile Ziele ausgenommen werden, daß einseitig kurz unterbrochen wird, eine befristete Unterbrechung der Luftangriffe, um wieder den politisch-diplomatischen Lösungen das neue Gewicht zu geben, ich denke, das ist ein Weg, den viele, viele unterstützen. Und ich hoffe, daß Joschka Fischer in dieser Frage dann auch wirklich Standfestigkeit beweist und sagt, ich habe die Unterstützung der Partei.
Koczian: Sie sprechen von Zwängen. Wenn diese Zwänge aber nun gegen Grundüberzeugungen verstoßen, weswegen man überhaupt grüne Politik macht, wie soll man dann reagieren?
Paulig: Grüne Politik ist eine zivile Friedenspolitik. Wir wollen die UNO stärken, die UNO reformieren. Wir wollen die OSZE stärken. Wir wollen eine andere NATO-Strategie. All dieses kann ich nicht von heute auf morgen umsetzen. Diese Regierung ist im Oktober 1998 in diesen Konflikt eingetreten, und ich kann nicht in diesem Konflikt gleichzeitig eine zivile europäische Friedenspolitik voranbringen. Um diese aufzubauen, fortzusetzen, zu stärken, brauchen wir natürlich Grüne in dieser Bonner Regierung, und diese Einsicht, denke ich, ist bei den Grünen weit verbreitet.
Koczian: Wenn nun Gesinnungsethik durch Verantwortungsethik abgelöst wird, dann hat es die PDS zum Beispiel natürlich leicht, das Erbe des Pazifismus zu übernehmen. Wie wollen Sie denn dieses Terrain behaupten?
Paulig: Ja, das ist ebenfalls eine wirklich schwierige Situation, denn das ist populistisch. Ich kann jetzt leicht sagen, ja natürlich, wir verzichten auf Waffen, aber wir sehen ja, Gysi hat auch in Belgrad nichts erreicht, ist keinen Schritt vorangekommen. Es ist eine ausgesprochen schwierige Situation, in der wir stehen, und es geht nicht mit schnellen Lösungen und um populistische Forderungen in dem Fall, sondern konkret sind die Staaten für eine politische Lösung zu vereinen, und das erfordert Knochenarbeit. Diese Arbeit, diese intensive engagierte Arbeit die leistet im Moment Joschka Fischer. Hier müssen wir einfach diese Politik fortsetzen.
Koczian: Nun ist die Konkurrenz auch auf der anderen Seite groß, die Witterung mancher Politiker erstaunlich. Auch der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber, sonst eher der Rechtsausleger der deutschen Politik, übt die Kritik an der NATO-Strategie. Eine überraschend schwarz-grüne Gemeinsamkeit?
Paulig: Schwarz-grüne Gemeinsamkeiten sind in Ordnung, wenn es darum geht, militärischen Druck wegzunehmen, um politisch friedliche, zivile Lösungen voranzubringen und vor allem jetzt den Menschen zu helfen. Das Elend ist in den Nachbarstaaten riesig, organisatorisch im Moment kaum zu bewältigen, und wir wissen überhaupt nicht, wie es im Kosovo selbst aussieht. Dort ist sicher dringend Hilfe nötig. Darum müssen alle politisch verantwortlichen Kräfte zusammenwirken.
Koczian: Wenn heute nun konkret eine NATO-Aktion zum Streitthema bei den Grünen wird, dann wäre es ja nur folgerichtig, die Bündnisfrage, die Frage der Bündnispolitik noch einmal zu stellen. Ist sie bei den Grünen wirklich ausdiskutiert?
Paulig: Sie wird immer wieder gestellt, weil wir es natürlich immer an den Ergebnissen in dieser Regierung überprüfen müssen, was können wir erreichen. Aber diese politische Partei Die Grünen, sie hat ja zwei Dinge. Ich denke, die Partei hat eine ganz starke Aufgabe, politische Lösungen, Konzepte voranzubringen, einzufordern, das gesellschaftliche Umfeld auf Reformschritte einzustellen. Und die, die in der Regierung sind, die haben die Möglichkeit, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren, aber in kleinen Schritten eine zivile ökologische Politik umzusetzen. Darum geht es, und das ist immer ein Wandern auf dem Grad. Ich muß schauen, was kann ich in dieser Situation erreichen. Die Mehrheitsverhältnisse sind für die Grünen nicht so, daß wir alle unsere Forderungen umsetzen können; das weiß nun jedes Kind. Also wird es immer eine Balance sein. Die Partei hat die Aufgabe, klar die Zielvorstellungen, die Konzeptionen breit nach außen zu tragen, und das muß sich ergänzen und stützen. Da kann nicht das eine als Angriff für den anderen gesehen werden.
Koczian: Die NATO hat die Vertreibung nicht verhindern können. Die Luftschläge haben Milosevic darin sogar die letzten Hemmungen genommen. Konsequenterweise müßte man nun mehr Flüchtlinge aufnehmen. Gerade 10 000 mehr, und das unter Bedingungen, gesteht Deutschland zu. Entspricht diese "Großzügigkeit" der entschlossenen Bereitschaft zur Teilnahme an den Luftschlägen?
Paulig: Da haben wir Grünen ja die klare Aussage, daß wir, ohne jetzt Flüchtlinge im Elend als Druckmittel für andere europäische Staaten zu verwenden, sagen, wir müssen mehr aufnehmen. Im Moment zeigt sich ja eine gewisse weitere Bereitschaft, auch bei den anderen europäischen Staaten. Wir sagen, Flüchtlinge aufnehmen. Wir haben ja den Bürgerkriegs-Flüchtlingsparagraphen und die Anerkennung nach dem Ausländergesetz. Also Flüchtlinge aufnehmen, ihnen hier jetzt helfen, gleichzeitig dort die Hilfsaktionen intensivieren. Wir sagen aber bebispielsweise auch, serbische Dissidenten, Kriegsflüchtlinge, Deserteure aus der serbischen Armee hier in Deutschland als Flüchtlinge anzuerkennen, ihnen in konkreten Fällen sogar das Asyl zu geben, um ein Signal an die serbische Opposition zu setzen, Leute, macht dort nicht mehr mit, unterstützt nicht mehr das Milosevic-Regime. Ich denke, das ist auch ein ganz wichtiges Zeichen, was wir setzen müssen, daß wir verhandlungsbereit sind mit der Opposition, daß wir die Opposition in Serbien stärken wollen, denn dann können wir politische Lösungen einfordern. Ich denke, langfristig brauchen wir eine Balkan-Konferenz, brauchen wir einen Stabilitätspakt für den südosteuropäischen Raum, denn diese Länder, diese ethnischen Minderheiten werden Teil dieses Europas sein. Sie sollen sich hier aufgenommen fühlen, und sie werden über den europäischen Gedanken zusammenwachsen. Das ist ein langer Weg, aber nur der Weg führt wirklich zu einer Lösung und führt zum Frieden.
Koczian: Im Deutschlandfunk war das Ruth Paulig, die Vorsitzende der bayerischen Grünen. Danke nach Herrsching!