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"Der Streit geht jetzt erst richtig los"

Die EU-Kommission hat eine entschärfte Version ihrer Klimaschutzstrategie für Autos beschlossen und kommt damit den Herstellern entgegen. Die Autobauer müssen nach den überarbeiteten Brüsseler Plänen den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Neuwagen bis 2012 um rund 30 Gramm gegenüber dem derzeitigen Durchschnitt senken. Karl-Heinz Florenz (CDU), Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament, indes verlangt differenzierte Vorgaben je nach Fahrzeugtyp.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Deutschland ist beim Umweltschutz nicht mehr Vorreiter. Das hatte der EU-Umweltkommissar vor wenigen Tagen behauptet, und er war dafür heftig von deutschen Politikern gescholten worden. Und doch: Wenn es noch eines Beweises für diese Behauptung bedurft hätte, so liegt dieser Beweis heute auf dem Tisch in Form verwässerter Pläne der EU-Kommission zur Senkung der Autoabgase. Denn für die Verwässerung haben Deutsche gesorgt. Die deutsche Autoindustrie hat sich, vereint mit der Bundeskanzlerin und mit Industriekommissar Verheugen, durchgesetzt, dem Klimaschutz zum Trotz. Es herrscht dicke Luft zwischen Berlin und Brüssel.

    Am Telefon in Brüssel ist nun Karl-Heinz Florenz, Europaabgeordneter der CDU und der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament. Guten Tag, Herr Florenz!

    Karl-Heinz Florenz: Schönen guten Tag, Herr Spengler!

    Spengler: Herr Florenz, können Sie mit dem Vorschlag der EU-Kommission leben, oder sind Sie enttäuscht?

    Florenz: Na ja, die Art und Weise, wie das alles gelaufen ist, hat mir auch nicht so gut gefallen, und zwar aus einem ganz einfachen Grunde nicht: Beide Kommissare tun so, als ob wir über einen Gesetzgebungsakt reden. Das ist bei weitem nicht so, sondern wir reden einfach darüber, wie kann man die Autoindustrie in Zukunft gesetzlich verpflichten, Ziele einzuhalten, die sie leider Gottes bis jetzt in einer freiwilligen Vereinbarung nicht eingehalten haben?

    Spengler: Das ist also nur eine Absichtserklärung heute?

    Florenz: Das ist erst einmal nur eine Absichtserklärung. Die sind dann im Grundsatz in einer Anfangsdebatte natürlich auch wichtig, aber der Streit geht jetzt erst richtig los. Das Parlament, will ich mal sagen, freut sich auch darauf, denn wir sind uns darüber im Klaren, dass wir die saubersten Autos der Welt bauen müssen, um sie weltweit verkaufen zu können. Deswegen ist die Industrie gut beraten, mit uns gemeinsam Lösungen zu finden, wie kann man denn so eine Gesetzgebung in Zukunft wirklich gestalten. Da ist so eine Lösung mit einer Säule 130 Gramm dann und dann zu einfach, denn das wird so nicht klappen. Ich bin da auch sehr erstaunt, dass der Umweltkommissar darin jetzt die Lösung findet. Ich glaube eher, dass wir zu einer weiter gefächerten Lösung kommen müssen, Mittelklasseautos, kleine Autos und Premiumklasseautos, und die müssen dann sehr ambitionierte Werte bekommen, und dann noch verbunden womöglich mit einem Bonus-Malus-System. Also es wird noch viel Wasser den Rhein herunterlaufen.

    Spengler: Wir sind am Beginn einer Diskussion, wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Florenz, aber man könnte schon sagen, dass die deutsche Autoindustrie zumindest einen Punktsieg errungen hat. Ist sie denn alleine Schuld? Sie argumentiert ja, der Kunde, der Autofahrer selbst wolle halt immer mehr PS. Tatsache ist, dass man heute keinen Passat mehr kaufen kann, der weniger hat als 110 PS hat.

    Wir spielen mal kurz ein, was Heinz van Deelen, ein Ex-Auto-Manager, heute Morgen dazu in unserem Programm gesagt hat:

    "Ich möchte da den Schwarzen Peter nicht alleine der Industrie zuschieben, sondern das ist ein Wechselspiel zwischen Kunden und Herstellern. Einerseits haben die Hersteller an den großen, teueren, leistungsstarken Autos gut verdient. Andererseits haben die Kunden das eben auch nachgefragt, und für viele Bürger ist mit dem Katalysator das Thema Schadstoff erledigt."

    Ist das so? Liegt es auch am Kunden, Herr Florenz?

    Florenz: Erst einmal ist der Katalysator nicht die Antwort für alles. Die zukünftige Politik muss dahin gehen, dass das Problem im Motorraum und im Motor selbst geregelt wird. Richtig ist, dass wie so oft im Leben meistens nicht einer Schuld hat, sondern immer eine Anzahl von vielen Faktoren, aber es wird schon sehr kräftig mit den Premiumautos geworben und nicht mit den kleinen. Aber der Gesetzgeber muss sich natürlich auch fragen, war er eigentlich gut beraten, als er diese freiwillige Vereinbarung der europäischen Automobilindustrie, das darf man ja nicht vergessen, das war nicht die deutsche, sondern die europäische Automobilindustrie, damals überhaupt angenommen hat. Damals war die deutsche Industrie schon benachteiligt. Jetzt, glaube ich, haben wir eine Chance, strenge, aber fairere Regeln aufzustellen mit dem Ziel, die sichersten, die modernsten und die saubersten Autos zu produzieren. Da werden wir alle eisern mitarbeiten, dass das auch so kommt.

    Spengler: Sie haben eben selber schon angedeutet, wie solche fairen Regeln aussehen könnten, nämlich dass man nach Autoklassen, kleine, große, mittlere, unterscheidet. Wäre das wirklich fair? Kann das sein, dass die Daimler-Flotte mehr CO2 ausstoßen darf als die Flotte von Peugeot oder von Fiat?

    Florenz: Aber feststeht, dass nach den jetzigen Kriterien ein Premiumauto niemals 130 Gramm einhalten kann. Da geht die Kungelei doch schon wieder los. Wie wird das denn tatsächlich aufgeteilt diese europäische Quote? Das muss der EU-Kommissar Dimas uns ja auch erklären. Wie wollen sie das denn dann für die einzelne Firma manifestieren?

    Spengler: Indem zum Beispiel die Firma Daimler auch kleine Autos baut, auch Autos baut, die wenig verbrauchen.

    Florenz: Ich glaube, es gibt ein Segment, in dem dann vielleicht nicht nach Firmen, sondern einfach nach Literklassen oder nach Ausstoß gerechnet wird. Da müssen motivierende Elemente herein, dass wir eine Umkehr bekommen von immer mehr Premium- zu mehr Mittelklasseautos mit Prämienabgaswerten. Das Bewusstsein muss sich ändern, und das muss man auch durch Angebote in der Industrie realisieren. Gehen Sie heute mal in ein Autogeschäft. Ich mache das gerade für meinen jüngsten Sohn. Wenn ich da nach Abgaswerten frage, dann müssen die Vertreter ins Büro rennen und irgendein Buch holen und nachblättern. Das sind auch Regeln in der Arche Noah; da müssen wir auch mal dran arbeiten.

    Spengler: Da gibt es Nachholbedarf. Herr Florenz, Angela Merkel hat sich als kompromisslose Kämpferin für die Autoindustrie entpuppt. Schämen Sie sich für Ihre Kanzlerin?

    Florenz: Überhaupt nicht! Das ist ein Glücksfall, diese Kanzlerin. Sie hat sehr genau erkannt, dass diese eine Säule für alle Autos in Europa als europäischer Flottenwert nicht funktionieren kann. Die Keilerei zwischen den beiden Kommissaren beginnt erst jetzt, weil niemand genau sagen kann, wer muss denn jetzt was überhaupt erfüllen? Das Premiumauto, der Kleinwagen, der Mittelwagen, geht das auf Länder, geht das auf Companys? Das scheint mir eine europäische Lösung zu sein, die zu Hause keiner versteht. Wir werden ja jetzt einen Gesetzesentwurf erwarten von der Kommission, und dann werden wir auch mit Hilfe von wissenschaftlichen Instituten mal ganz kritisch prüfen, ob das wirklich ein Instrument der Zukunft ist oder so ein typischer Euro-Kompromiss. Wir brauchen eine zukunftsweisende Gesetzgebung, verbunden mit Bonus-Malus- oder motivierenden Instrumenten. Umweltpolitik ist keine Politik zurück zur Pferdedroschke oder zur Windmühle, sondern das ist eine innovative, eine Forschungsaufgabe. Und am Ende stehen mehr Arbeitsplätze und nicht weniger.

    Spengler: Und das ist ein schönes Schlusswort. Das war Karl-Heinz Florenz, der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europäischen Parlament und Christdemokrat. Danke für das Gespräch.

    Florenz: Auf Wiederhören, Herr Spengler.