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Kleinwagen für die Kanzlerin

Der Marktforscher Heinz van Deelen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Umstieg auf einen Kleinwagen aufgefordert. Um spritsparende Kleinwagen an Stelle kraftstrotzender Limousinen auf dem Markt durchzusetzen, seien Vorbilder vonnöten, sagte er. Zur Reduzierung von Abgasen reiche der Katalysator heute nicht mehr aus.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die Autohersteller müssen ihre Abgase reduzieren. Allerdings hatten sie sich bei der EU erfolgreich für mildere Grenzwerte eingesetzt, unterstützt von der deutschen Ratspräsidentschaft. Was bringt die neue Verordnung, die die EU-Kommission heute offiziell vorstellen wird? Wie muss die Automobilindustrie sich jetzt umstellen, und weshalb hat sie sich damit bisher so schwer getan?

    Das habe ich vor der Sendung Heinz van Deelen gefragt. Er war Manager bei großen deutschen Automobilfirmen und betätigt sich jetzt als Marktforscher. Ich wollte zunächst wissen, was er von der jetzt abgemilderten Version bei den CO2-Grenzwerten hält.

    Heinz van Deelen: Was derzeit bekannt ist, das ist die Anrechnung von Bio-Sprit und anderen Sachen wie zum Beispiel verbesserter Reifen oder ein anderes Fahrverhalten und Ähnliches. Dazu ist sicherlich der Bio-Sprit-Ansatz der zielführendste, weil hier ja ein klimaneutrales Element reinkommt. Bio-Sprit produziert kein zusätzliches CO2, und die Anrechnung wäre sicherlich sinnvoll. Bei Reifen und ähnlichen technischen Fortschritten, das sind ja Dinge, die immer schon eingerechnet wurden. Also hier kann ich keine neuen Ansätze erkennen.

    Klein: Reicht das aus, was die EU-Kommission jetzt vorschlägt?

    Deelen: Diskutiert ist ja die Frage, ob die Reduzierung auf 120 oder mehr auf 130 Gramm erfolgen soll. Das sind sicherlich schon Ansätze, die bis zum Jahr 2012 erhebliche Anstrengungen erfordern. Wenn das so kommt, würde das aus meiner Sicht schon ausreichen.

    Klein: Erhebliche Anstrengungen erforderlich, sagen Sie. Welche?

    Deelen: Die Autohersteller, insbesondere die Hersteller von großen, schweren Fahrzeugen, sind dann schon gefordert, ihre Technologie in Richtung Kraftstoffreduzierung voll auszuspielen. Das heißt auch, dass sie im Marketing gegenüber den Konsumenten, gegenüber dem normalen Autofahrer kommunizieren müssen, dass hier neue Werte notwendig sind, um einfach auch die Emotionalität im Autofahren neu zu besetzen.

    Klein: Kraftstoffreduzierung ist sozusagen das Anliegen der Zukunft. Weshalb ist da bisher noch nicht mehr geschehen?

    Deelen: Das ist eine schwierige Frage. Ich möchte da den Schwarzen Peter nicht alleine der Industrie zuschieben, sondern das ist ein Wechselspiel zwischen Kunden und Herstellern. Einerseits haben die Hersteller an den großen, teuren, leistungsstarken Autos gut verdient. Geländewagen seien da genannt, aber auch eben sehr schnell fahrende Fahrzeuge. Andererseits haben die Kunden das eben auch nachgefragt. Und für viele Bürger ist mit dem Katalysator das Thema Schadstoff erledigt, ist es aber nicht, wie wir jetzt lernen, weil eben CO2 nicht durch den Katalysator oder auch andere technische Einrichtungen gefiltert werden kann und eben zu der Klimaerwärmung beiträgt.

    Klein: Der Schwarze Peter liegt dann doch beim Verbraucher, der eben gerne große und abgasintensive Autos fährt. Und die Industrie sagt dann, was sollen wir in die kleineren investieren, wenn der Verbraucher, wenn der Kunde doch lieber diese Art der Autos wünscht?

    Deelen: Das ist ein Wechselspiel. Der Hersteller verdient überproportional an leistungsstarken Fahrzeugen. Das gleiche Fahrzeug mit einem größeren Motor hat eine größere Gewinnspanne als das Basismodell. Das haben die Hersteller auch so gefördert. Sie haben den Mythos aufgebaut, das leistungsstärkere Auto ist das, das eher der Oberklasse zuzuzählen ist. Und damit kannst Du, lieber Kunde, präsentieren, dass du erfolgreich bist. Das hat der Kunde gerne wahrgenommen. Also das ist letztendlich ein Wechselspiel, und da müssen wir wohl alle umlernen, dass zum Beispiel große Autos nicht unbedingt die leistungsstärksten sein müssen, sondern durchaus durch andere Luxuselemente wie Ausstattung, intelligente Funktionen oder Materialien sich eben absetzen.

    Klein: Wie lässt sich denn ein solcher neuer Mythos, nenne ich es mal, publizieren?

    Deelen: Zunächst mal durch Vorbilder. Ich erlaube mir zu sagen, hier versagen unsere Eliten. Sämtliche exponierten Persönlichkeiten in Politik und in Wirtschaft fahren große, schwere Limousinen und demonstrieren damit, das ist das Ziel des wirtschaftlichen Erfolgs, ich habe es geschafft. Das eifern natürlich viele Menschen nach, und hier wäre es wünschenswert, dass hier mal Politiker - ich nenne jetzt durchaus mal Frau Merkel - anfangen und sagen, ich brauche keine 2,5- oder 3-Tonnen-Limousine. Den Sicherheitsanforderungen, die so eine Person hinsichtlich Personenschutz hat, kann man auch mit leichteren Fahrzeugen begegnen.

    Klein: Aber was sollte einen Menschen, was sollte Eliten oder auch die Bundeskanzlerin dazu bringen, auf ein großes, leistungsstarkes Auto zu verzichten?

    Deelen: Ihre Exponiertheit, ihre Vorbildfunktion, die sie dann damit lebt und damit auch demonstriert, dass hier durchaus andere Werte notwendig sind. Das wäre ein Anfang, wie gesagt. Andere Anfänge sind die, dass die Autoindustrie auf Shows durchaus auch, ich sage mal, verbrauchsgünstigere Fahrzeuge emotionaler positioniert und nicht nur in die Öko-Ecke stellt, wo einfach die Kunden nicht zu finden sind.

    Klein: Haben die Autofirmen da auch aus eigener Sicht aufs falsche Pferd gesetzt, weil sie dann doch irgendwann mal wegkommen müssen von den Premium-Modellen, mehr Geld, mehr investieren müssen in die Technik, die abgasreduzierter zum Beispiel ist, mehr investieren müssen in die Herstellung kleinerer Autos?

    Deelen: Die Manager der Autoindustrie sind ja zunächst mal verpflichtet, gegenüber den Aktionären Gewinne zu machen. So gesehen haben sie mit den großen, leistungsfähigen Autos und leistungsstärkeren Motoren - heute hat ein Golf durchaus 100, 120 PS im Durchschnitt, früher waren das mal 50 PS, also heute mehr als das doppelte- , die Industrie hat damit sicherlich Geld verdient und damit ihren Hauptzweck erfüllt. Sie hat aber auch Absicherungen gefahren. Man darf nicht vergessen: Nei Volkswagen gab es einen Lupo-Drei-Liter. Bei Mercedes hat man einen Smart entwickelt, und BMW hat den Mini nicht nur gemacht, weil er schick ist, sondern weil es eine Absicherung ist gegenüber solchen Szenarien, wie sie jetzt ja kommen. Das Geld wurde aber immer mit den großen Autos verdient, und jetzt geht es darum, dass die Hersteller ihre Intelligenz, ihre Entwicklungsressourcen nutzen, um eben die Wertsetzung, Autokauf ist emotional, in Richtung Ökologie zu verschieben. Das ist eine Herausforderung, die aber eben nur gemeinsam gelingen kann mit entsprechenden politischen Akzenten, die dann auch dem Bürger klar machen, Katalysator reicht heute nicht mehr.

    Klein: Besteht bereits die Gefahr, dass deutsche Autofirmen dort ins Hintertreffen geraten gegenüber der europäischen oder internationalen Konkurrenz?

    Deelen: Nein. Das sehe ich relativ entspannt, weil die europäische Konkurrenz, die gibt es ja eigentlich nur in Frankreich, Italien, die ist auf dem Sektor Motorentechnologie-Leichtbau sicher nicht weiter. Das kann man so beruhigt sagen. Die amerikanischen Hersteller sind in einer dramatischen Krise, weil sie jahrzehntelang auf diese schweren Geländefahrzeuge gesetzt haben. Und die amerikanischen Kunden wenden sich jetzt ab. Die deutschen Hersteller sind schon führend. Nur die Verbrauchsersparnisse der letzten 10, 15 Jahre sind überkompensiert worden durch Leistungssteigerungen. Man hat 5. 6 Prozent Spritverbrauch reduziert und gleichzeitig die Leistung der Motoren um 10, 20 Prozent gesteigert. Durch diese Steigerungsraten ist einfach der technische Fortschritt nicht in einem Verbrauchsfortschritt angekommen.

    Klein: Und wenn wir bei den europäischen Parallelen bleiben, dann fragt sich natürlich schon, weshalb deutsche Firmen ihre Selbstverpflichtung nicht einhalten konnten im Gegensatz zu Unternehmen anderer europäischer Staaten?

    Deelen: Ist mir so nicht bekannt. Ich weiß, dass Renault, Peugeot, Citroen und Fiat im Schnitt ungefähr jetzt bei 150 Gramm pro Kilometer liegen. Die Selbstverpflichtung lautete 140 Gramm bis 2008. Auch die haben es nicht ganz geschafft. In der Tat haben diese Hersteller allerdings ein Fahrzeugprogramm, das einfach kleinere, leichtere Fahrzeuge beinhaltet. Da ist selbst Volkswagen als großer deutscher Volumenhersteller mit, glaube ich, 160 Gramm, so viel ich weiß, derzeit noch nicht dran, aber Volkswagen verkauft tendenziell auch größere Autos als zum Beispiel Fiat.

    Klein: Viele Unternehmen aus der Branche stöhnen jetzt und sagen, das geht uns sehr an die Arbeitsplätze, wenn wir das einhalten sollen, was von uns gefordert ist. Wie beurteilen Sie mit einem gewissen Abstand jetzt, Sie waren ja auch Top-Manager bei Autounternehmen, wie beurteilen Sie die Auswirkungen dessen, was die EU-Kommission jetzt der Automobilbranche zumutet?

    Deelen: Zunächst mal ist die Autobranche da immer etwas innovationsresistent, wenn es darum geht, dass Innovationen von außen aufgedrängt werden. Das war schon beim Katalysator so. Die Keule Arbeitsplätze wird dann gerne rausgeholt. De facto, glaube ich, das hat sich immer wieder gezeigt, sind diese Impulse dann doch notwendig, um die deutsche Industrie auch technologisch führend zu halten. Das kann man allerdings wahrscheinlich nicht, da muss ich den Herstellern Recht geben, bis 2012 erreichen, aber ich sehe nicht, dass es hier zu einem drastischen Arbeitsplatzabbau kommt. Eher umgekehrt: Hier werden dann Technologien entwickelt, die wiederum die deutsche Industrie weltweit führend machen.

    Klein: Sagt Heinz van Deelen. Er war Automanager und hat eine aktuelle Studie entwickelt zu den Umweltanforderungen an die Automobilindustrie.