Archiv


Der Streit um Caio Koch-Weser

Remme: Zeigte sich die Bundesregierung gestern noch selbstbewusst, so meldet sich die Londoner FINANCEL TIMES sich zu Wort und sagt, in Berlin und in anderen europäischen Hauptstädten denke man nun doch schon über Alternativen zu Caio Koch-Weser nach. Am Telefon ist nun Friedbert Pflüger, CDU. Er ist Vorsitzender im Bundestagsausschuss für europäische Angelegenheiten. Guten Morgen, Herr Pflüger.

    Pflüger: Guten Morgen Herr Remme.

    Remme: Herr Pflüger, war es ein Fehler, Caio Koch-Weser offiziell zu nominieren, obwohl man in Brüssel und in Berlin längst um die Widerstände wusste?

    Pflüger: Nun, ich habe gar nichts gegen Herrn Koch-Weser und will mich zur Person gar nicht äußern. Ich glaube nur, dass es in der Tat sowohl aus Amerika wie aus unsern Partnerländern in Europa seit langem massive Warnungen gegeben hat. Es ist ja nicht nur so, dass die Amerikaner ihn ablehnen. Auch das europäische Votum ist durch Herrn Schröder erzwungen worden, obwohl man ihm gedeutet hat, dass man Herrn Koch-Weser nicht möchte. Mit anderen Worten: Hier droht Deutschland jetzt, voll gegen die Wand zu laufen. Die Sache ist absolut unzureichend vorbereitet gewesen, ohne Sensibilität gemacht worden. Wir verbrennen einen wahrscheinlich sehr guten Beamten. Und das wird langfristig sich für unser Land nicht gut auswirken, wenn wir immer auf diese Art und Weise - bei Bodo Hombach haben wir es schon einmal erlebt - unsere Personalvorschläge international durchsetzen. Also, überhaupt keine Gefahr für die deutsch-amerikanischen oder europäisch-amerikanischen Beziehungen; das ist Unfug. Die Amerikaner haben deutlich gemacht: Sie wollen einen Europäer dort hin haben. Aber fast überall ist zu hören: ‚Wir wollen jemanden von einer anderen Statur haben'. Und das ist eine legitime Erwägung, und deshalb würde ich der Bundesregierung dringend empfehlen, jetzt in den letzten 24 Stunden zu überlegen, mit den europäischen Partnern einen anderen Kandidaten zu präsentieren, der mehrheitsfähig ist, damit diese wichtige internationale Position von Europäern besetzt bleibt.

    Remme: Sehen Sie diesen Kandidaten in Deutschland?

    Pflüger: Das kann sehr gut sein, dass das ein Deutscher ist. Wir hätten eine sehr gute Chance, denn niemand bestreitet uns innerhalb der EU - nach der langen Amtszeit von Herrn Camdessus - das Recht, einen Deutschen zu präsentieren. In Amerika bestreitet niemand den Europäern das Recht, hier jemanden aus Europa zu nominieren. Also, es liegt an dem Kandidaten und nicht an einer Ablehnung Deutschlands. Und das sollte Herr Schröder endlich einmal begreifen. Wenn ich Herr Koch-Weser wäre, wäre ich stocksauer auf Herrn Schröder, dass er mich in ein solches Rennen schickt und hart bleibt, ohne die geringste Chance zu haben, diesen Kandidaten durchzusetzen.

    Remme: Herr Pflüger, wer in Deutschland hätte diese Statur?

    Pflüger: Ich muss nun keine Kandidaten nennen, ich bin Oppositionspolitiker. Ich äußere mich übrigens auch für die CDU/CSU, und nicht für den Europaausschuss des Bundestages. Das werden Sie verstehen: Wenn ich als Oppositionspolitiker einen Namen nenne, dann wäre der schon verbrannt. Ich hätte eine ganze Reihe von Vorstellungen. Wenn man so an die Kategorie denkt, dann würde ich sagen, so jemand wie Karl-Otto Pöhl, also jemand mit großem internationalen Bekanntheitsgrad, der lange Jahre in diesem Geschäft tätig ist. Das hat gar nichts mit Parteien zu tun, überhaupt nicht, sondern hier muss man einfach den besten Mann oder übrigens auch die beste Frau suchen, und die präsentieren, und nicht irgendeinen sich in den Kopf setzen und den - koste es, was es wolle - als Prestigefrage durchzusetzen. Das ist eine diplomatische Tollpatschigkeit.

    Remme: Herr Pflüger, wir haben Sie als Europapolitiker eingeladen, weil wir uns fragen, ob dieser Streit ein wachsendes Konfliktpotential zwischen den USA und der EU ist.

    Pflüger: Überhaupt nicht. Ich darf es nochmal sagen: Die Amerikaner bestreiten den Europäern gar nicht das Recht, einen eigenen Kandidaten zu bringen. Wenn das der Fall wäre, könnte man über solche Frage nachdenken. Hier geht es um Qualitätserfordernisse, und das ist das Entscheidende. Ich sehe natürlich, dass wir hin und wieder - wie immer in den letzten fünf Jahrzehnten - auch mit Amerika Meinungsverschiedenheiten haben. Aber grundsätzlich sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen gesund. Allerdings ist das deutsche Gewicht in Amerika - ich bin vor vier Wochen in Amerika gewesen und habe mich davon überzeugen können - drastisch gesunken; zum Beispiel auf dem Capital Hill, also dem Senat und dem Repräsentantenhaus, gibt es quasi keinen führenden Politiker der Regierung, der wirklich Gewicht besitzt. Und das sollte uns zu denken geben.

    Remme: Kommen wir noch auf ein anderes - ein innenpolitisches - Thema zu sprechen, Herr Pflüger. Helmut Kohl ist offenbar dabei, Geld einzusammeln, um den finanziellen Schaden, den er angerichtet hat, wieder gutzumachen. Ihr neuer Fraktionsvorsitzender, Friedrich Merz, hat das begrüßt. Was halten Sie davon?

    Pflüger: Ich finde, das ist eine Geste des Bundeskanzlers, aber es ist nicht die Problemlösung.

    Remme: Es hat sich eigentlich doch - selbst mit dieser Initiative - nichts geändert. Ganz im Gegenteil - heißt das Motto dann nicht: ‚Geld soll Wunden heilen?'

    Pflüger: Darf ich jetzt einfach von mir aus sagen: Ich bin von Ihnen als Europapolitiker eingeladen worden, um mich zu Herrn Koch-Weser und dem IWF zu äußern. Und ich sehe überhaupt keine Veranlassung, mich jetzt in Einzelheiten dieser Fragen zu äußern.

    Remme: Das war der Vorsitzende im Bundestagsausschuss für europäische Angelegenheiten, Friedbert Pflüger von der CDU. Ich danke für das Gespräch.

    Pflüger: Bitteschön.