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Der Traum vom "Daxit"
Dänemarks EU-Feinde lassen nicht locker

Mit dem Brexit wird Dänemark einen wichtigen Bündnispartner in der EU verlieren. Einen "Daxit" plant die dänische Regierung deshalb aber nicht. Damit spricht sie dem Großteil der dänischen Bevölkerung aus der Seele. Aber nicht allen: Die EU-Kritiker schimpfen weiter auf Brüssel - und den deutschen Wolf.

Von Gunnar Köhne |
    Drei Wölfe (Canis Lupus Lupus), aufgenommen am 18.01.2017 in einem Gehege des Biotopwildpark Anholter Schweiz in Isselburg (Nordrhein-Westfalen).
    "Wenn wir wirklich wollen, könnten wir unsere eigene Politik in Sachen Wölfe durchsetzen", sagt Landwirt Steffen Troldtoft von der Bürgerinitiative "Wolfsfreies Dänemark" (dpa / picture-alliance / Bernd Thissen)
    Auf der Fahrt nach Nord-Jütland: Im Autoradio wird die neueste Meinungsumfrage zur Europäischen Union verkündet. 66 Prozent der Dänen würden in einer Volksabstimmung für einen Verbleib ihres Landes in der EU stimmen. Nur 22 Prozent für einen Austritt – so wenige wie seit Jahren nicht mehr. Das liege am abschreckenden Beispiel des Brexit, sagt der Kommentator der Sendung.
    Ankunft auf dem Hof von Jørgen Grøn. Der Pensionär begrüßt mich in Hausschuhen auf der Steintreppe, die in das rot geklinkerte Gutshaus führt. Der 65-Jährige trägt einen dicken Strickpullover mit Norweger-Muster und muss sich ein wenig bücken, als er durch eine niedrige Tür in Wohnstube voraus geht. Aus den Holzfenstern fällt der Blick hinaus auf die weite, leicht hügelige Landschaft. Bis zum Skagerak, der Meerenge zwischen Dänemark und Norwegen, ist es nicht mehr weit. Nördlicher geht es fast nicht in Dänemark. Und Brüssel ist weit weg.
    Der dänische EU-Gegner Jørgen Grøn vor seinem Haus in Jütland
    Jørgen Grøn kandidiert für die "Volksbewegung gegen die EU" bei der Europawahl im Mai (Deutschlandradio/ Gunnar Köhne)
    Einsatz für den Austritt
    Und das findet Jørgen Grøn gut so. Denn er gehört der "Volksbewegung gegen die EU" an, einem landesweiten Bündnis, das für den "Daxit" eintritt – dem Austritt Dänemarks aus der EU. Dabei, erzählt Grøn bei Gebäck und Kaffee, sei er beileibe kein rechter Populist, sondern Sozialist. Als Linker ist er dagegen, dass immerfort in Brüssel entschieden werde und nicht in Kopenhagen. Gerade hier oben im Norden gebe es doch Alternativen:
    "Wir wollen eine stärkere nordische Zusammenarbeit. Nicht alle skandinavischen Länder sind ja EU-Mitglied. Dänemark könnte eine Art Schweiz sein."
    Das Brexit-Gezerre schreckt die EU-Feinde nicht ab
    Grøn kandidiert für die Anti-EU-Bewegung für das Europaparlament. Vor vier Jahren erreichten sie landesweit acht Prozent – das reichte für eine Abgeordnete im ungeliebten Straßburg. Die "Folkebevægelse" ist nur eine von drei EU-feindlichen Parteien und Bündnissen, die zur Wahl im Mai antreten wollen. Kandidat Grøn steht auf Listenplatz sechs. Wenn das für einen Einzug ins Europaparlament nicht reichen sollte, dann trage daran die negative Medienberichterstattung über den Brexit eine Mitschuld, sagt er:
    "Wir haben das ja bei der Volksabstimmung über den Euro vor 19 Jahren erlebt. Da wurde uns vorher gesagt, dass wir ohne den Euro wirtschaftlich abstürzen würden. Die Aktienkurse gingen nach unten und die dänische Krone schwächelte. Aber kurz nachdem die Mehrheit Nein gesagt hatte, beruhigte sich die Lage wieder vollständig."
    Noch hat der EU-Wahlkampf in Nord-Jütland nicht begonnen. Jørgen Grøn hat aber schon eine Internetseite, auf der seine Forderungen zu lesen sind. Ganz oben steht ein Nein zum Beitritt Dänemarks zum Europäischen Patentgericht. Das koste nur Arbeitsplätze daheim. Genauso wie die EU-weite Freizügigkeit von Personen und Dienstleistungen:
    "Auf den dänischen Autobahnen sehen wir immer mehr Lastwagen mit ausländischen Nummernschildern. Nicht aus Deutschland, sondern aus Osteuropa. Und das nur, weil die Fahrer durch schlechtere Bezahlung und weniger Arbeitsschutz billiger sind."
    Wölfe in Jütland
    250 Kilometer weiter südlich, in der Hafenstadt Esbjerg, sorgt sich Steffen Troldtoft um die Freizügigkeit einer viel gefährlicheren EU-Spezies: den Wölfen.
    "Ich hatte schon Wölfe vor dem Fenster meines Wohnzimmers. Ich habe sie zwar nicht gesehen, aber ihre Spuren gefunden. Ich arbeite oft bis in den späten Abend. Und ich will es in der Dunkelheit ehrlich gesagt nicht gern mit Wölfen zu tun haben."
    Dabei ist Troldtoft ein kräftig gebauter Landwirt Anfang dreißig, außerdem hat er eine Jagdlizenz. Aber er dürfe die Wölfe ja nicht schießen, das sei auch in Dänemark nur in Ausnahmefällen erlaubt. Bis das erste Kleinkind gerissen wird, sagt Troldtoft in spöttischem Tonfall. Damit es gar nicht erst so weit kommt, hat er die Bürgerinitiative "Wolfsfreies Dänemark" gegründet:
    "Die gehören in wilde Natur. Und die haben wir hier in Dänemark nicht. Wir sind zu dicht besiedelt. Der Staat sollte darum ihren Abschuss freigeben."
    Die Wolfspolitik als Symbol für Gängelung aus Brüssel
    Vier Wölfe seien derzeit in Jütland unterwegs, sagt Troldtoft. Eingewandert aus dem Süden, aus Deutschland. Dort und anderswo in Europa seien die Raubtiere gesetzlich geschützt, aber das sollte die Regierung in Kopenhagen nicht davon abhalten, ihre Bürger zu schützen:
    "Wenn wir wirklich wollen, könnten wir unsere eigene Politik in Sachen Wölfe durchsetzen. Die EU würde wahrscheinlich protestieren. Aber so ist sie nun mal, die EU. Beklagt sich ständig, wenn man als souveräner Staat etwas machen möchte."
    Immerhin plant die dänische Regierung einen Wildzaun entlang der deutsch-dänischen Grenze zu errichten. Doch Troldtoft winkt ab: Der solle bloß Wildschweine fernhalten, die mit der afrikanischen Schweinepest infiziert sind. Gegen die Wölfe aus der EU helfe der nicht.