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Der Über-Maler

Der Österreicher Arnulf Rainer begann Mitte der 50er-Jahre damit, zu übermalen, was andere geschaffen hatten. 1961 wurde er dafür von einem Gericht verurteilt. Inzwischen zählt der bald 80-Jährige neben Maria Lassnig und Alfred Hrdlicka zu den größten Künstlern unseres Nachbarlandes.

Von Beatrix Novy | 29.09.2009
    "Er selbst sagt ja, er tut sich schwer, vorm weißen Blatt Papier was entstehen zu lassen, er macht Übermalungen, er will was Vorgegebenes, genauso ist es mit diesem Gebäude, für uns Architekten war es auch so, da war die alte Bausubstanz, wir haben genauso gearbeitet, wie er arbeitet. Behutsamer natürlich, aber ich glaube, deshalb liebt er das Gebäude."

    Weil Bilder für Arnulf Rainer nach eigener Aussage nicht zum Anschauen, sondern zum Ändern da sind, kann Marko Dumpelnik in der Umgestaltung einer Kur-Badeanstalt zum Arnulf-Rainer-Museum erfreuliche Analogien finden. Auch Gebäude sind zum Ändern da, zumal wenn sie, wie das alte Frauenbad in Baden bei Wien, schon seit den 1970er-Jahren bedauerlicherweise nicht mehr in Gebrauch sind. Seither hat der Zeitgeist, wie im Jahrhundert zuvor auch schon, ziemlich an ihm herumgebastelt; von all diesen Zufügungen ist jetzt nichts mehr zu sehen: Die Architekten haben sozusagen reinen Tisch gemacht – reines Museumsweiß lässt die alten Umkleideräumen fast zu abstrakten Installationen werden, in denen Arnulf Rainers Bilder, aufgehängt in den Kabinen, geheimnisvoll eingekastelt hängen.

    "Diese Kabinen bieten eine konzentrierte Betrachtungsweise, fast wie ein Beichtstuhl."
    Aus der Bildmitte sich entfaltende Strichexplosionen, gefiederte Kreuzformen, Zellengewimmel; das sind Bilder aus den frühen 50er-Jahren, als Arnulf Rainer sich von den gegenständlichen Phantasmagorien seiner surrealistischen Anfänge löste. Die Architekten haben die Stockwerksebenen geöffnet, so kann man auch von oben in die ehemaligen Umkleiden hineinsehen, ein seltsam voyeuristisches Erlebnis; die Erinnerung an Frauen, die hier ihre Mieder lösten, ist übermächtig, und das ist die Problematik des ganzen Gebäudes

    "Die Räume, im klassizistischen Stil erbaut, haben eigentlich schon sehr viel Charakter gehabt."
    Zuviel Charakter, so erscheint es auf den ersten Blick, hier findet ein Kampf statt, gewöhnungsbedürftig ist jedenfalls das Miteinander des üppig marmorverkleideten Baderaums samt antikisierendem Portikus und den sparsam auf die Wand verteilten großen monochromen Übermalungen in Rot, Dunkelgrün, Schwarz. Aber Sparsamkeit mildert den Zusammenstoß zwischen Kunst und Architektur doch wesentlich, auch die Sparsamkeit der behutsamen Eingriffe der Architekten gehört dazu, die die Räume fließend und begehbar machen, mitunter auch auf verschiedenen Ebenen: So kann man zum Beispiel die Wirkung der Farbschichten im Bild "Grüne Übermalung mit Flammenecke" vom gläsernen Steg aus über den Raum hinweg sehen – oder von unten, vom Fußboden aus. "Ideal für mich ist das ganz dunkle Bild, voll von einem überwältigenden Schweigen" – Der Meister, der sich und sein Werk immer schon kommentiert hat, gibt auch hier zu jeder Bildgruppe einen schriftlichen Kommentar.

    Und unterm Dach ist ihm ein ganzer Raum gewidmet, kleine Bibliothek, Erinnerungsfotos, ein Film läuft, in dem Arnulf Rainer nur schwer zu verstehen ist. Die wilden Zeiten, die Skandale und Publikumsbeschimpfungen sind lang vorbei, im prächtigen Foyer stellt ein kleiner Museumsshop signierte Waschlappen und Seifen aus. Dieses Museum bedeutet auch eine Rückkehr: Bei Baden wurde Arnulf Rainer geboren, in die schon fast surreale Putzigkeit des schönen Biedermeierstädtchens fügt sich nun widerspruchslos das Werk des früheren Surrealisten, die hellgelbe säulengeschmückte Fassade glänzt wie der Traum eines Denkmalschützers. Aber was ist das da obendrauf? Wo vorher eine Dachlaterne für die Belichtung des Bades sorgte, lagert jetzt eine anthrazitfarbene Konstruktion aus Aluminiumlochblechen mit dem Schriftzug des Museums. Wieder eine Gelegenheit für den Architekten Christopher Lottersberger, sich auf den Maler Arnulf Rainer zu beziehen
    "Der Aufbau saß da so exzentrisch drauf, und hat uns gestört, da haben wir im Archiv eine Übermalung Rainers gefunden, wo er über diese Dachlaterne mit schwarzer Farbe drübergegangen ist, und das war der Ansatz für die Idee, das Ding zu umhüllen. Das war wichtig, mit einem klaren Zeichen nach außen zu sagen, schaut da ist was neues entstanden."

    Info:
    Arnulf Rainer Museum