Christoph Heinemann: Guten Tag, Frau Schäfter.
Elke Schäfter: Guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Frau Schäfter, der Sportfunktionär und frühere Grünen-Politiker Michael Vesper hat wie gehört die chinesische Internetkontrolle mit der Sperrung etwa von rechtsextremen Internetseiten in Deutschland in Beziehung gesetzt. Ist dieser Vergleich Ihrer Meinung nach zulässig?
Schäfter: Der Vergleich ist unsäglich. Es ging ja bei der Sperrung der Internetseiten beispielsweise um die chinesische Ausgabe der BBC, um die chinesische Ausgabe der Deutschen Welle. Es ging um die internationale Seite von "Reporter ohne Grenzen", die jetzt wieder zugänglich ist, aber der chinesische Teil ist gesperrt. Und wenn wir uns die gesamte Zensur angucken, also was ist dem chinesischen Bürger oder der Bürgerin überhaupt zugänglich, so müssen wir ja von Tausenden Seiten ausgehen, die gesperrt sind. Dabei geht es um Menschenrechtsfragen, um kritische Berichterstattung zu allen möglichen Themen, die vor allem die chinesische Normalbevölkerung betreffen. Insofern hinkt der Vergleich vollkommen. Es geht hier bei der Sperrung von Web-Seiten in China, bei der Zensur nicht um Aufrufe zu Gewalt und ähnlichen Dingen; es geht eben um Zensur.
Heinemann: Wie sollten die Sportfunktionäre auf diese chinesische Pressepolitik reagieren?
Schäfter: Sie sollten einfach mehr Druck machen. Das IOC hat es von Anfang an versäumt, die Versprechen, die China gegeben hat, auch umzusetzen. Es sind keine Schritte angemahnt worden, bis wann was stattzufinden hat, was man dann auch wirklich als Verbesserung sehen kann.
Wenn wir uns beispielsweise jetzt die durchaus als positiv zu bezeichnende Veränderung anschauen, die seit 1. Januar 2007 gilt, nämlich Bewegungsfreiheit für Journalisten, für ausländische Journalisten, und auch die freie Wahl der Interview-Partner, sofern diese zustimmen, so sehen wir ja auch immer wieder die Einschränkungen. Tibet wurde gesperrt. Auch bei dem Erdbebenunglück kam es zu vielen Vorfällen, bei denen Journalisten bei der Arbeit behindert wurden, beispielsweise als es um die Schulen ging, warum sind die Schulen eingestürzt. Außerdem sehen sich die Journalisten seit Januar auch vor neuen Herausforderungen, denn sie müssen sich sehr viel mehr Gedanken machen über ihre Mitarbeiter und über diejenigen, die ihnen Interviews geben, weil diese immer wieder massiv unter Druck gesetzt werden. Da gäbe es noch sehr viel anzumahnen und das hat das IOC versäumt. Das hat sich jetzt auch daran gezeigt, dass Internetseiten wieder gesperrt wurden und eben nicht frei zugänglich sind, wie es ursprünglich versprochen war.
Heinemann: Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Das heißt jetzt kann das IOC kaum noch Druck ausüben, denn zum Druck gehört das Drohen. Und da fragt man: womit?
Schäfter: Es gibt jetzt weniger konkrete Schritte, die man noch umsetzen könnte. Aber ich meine es ist noch nicht vorbei. Das IOC kann nach wie vor Druck machen. Ich meine die Öffnung der Internetseiten hat doch gezeigt, dass eben Druck möglich ist. Das Vorgehen des IOC muss einfach eindeutig sein und da muss eine eindeutige Sprache her und da müssen auch eindeutige Forderungen her. Darum geht es und das ist noch nicht vorbei. Das kann das IOC sehr wohl noch tun.
Heinemann: Frau Schäfter, die "Süddeutsche Zeitung" schildert heute den Fall eines deutschen Journalisten, der für eine Sportagentur arbeitete und der - so der Tenor des Berichtes - dem IOC seit geraumer Zeit nach dem Munde schreibt, auch den chinesischen Veranstaltern. Der Mann sei mittlerweile von seinem Posten abgezogen worden. - Inwiefern ist der "Kotau" auch unter Journalisten verbreitet?
Schäfter: Ich kann jetzt den Fall nicht kommentieren, weil "Reporter ohne Grenzen" diesen Fall noch prüft. Sie meinen, inwiefern jetzt Journalisten die Propaganda einfach weiter verbreiten?
Heinemann: So ist es.
Schäfter: Nun gut. Wir müssen da natürlich ein bisschen unterscheiden, um was es geht. Sicherlich gibt es Journalisten, die vielleicht sich weniger Mühe bei der Recherche machen und wiedergeben, was in öffentlichen Verlautbarungen berichtet wird und auch was in den staatlichen Medien berichtet wird. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie sich stärker auf die chinesischen Journalisten beziehen oder auf die deutschen, ausländischen Journalisten, die von dort, von China berichten.
Heinemann: Im konkreten Fall jetzt eher auf die deutschen oder ausländischen Journalisten. Inwiefern sind die auch unkritisch?
Schäfter: Ich möchte jetzt nicht kommentieren, ob Journalisten unkritisch sind oder nicht. Uns von "Reporter ohne Grenzen" geht es ja darum, die Arbeitsbedingungen von Journalisten zu klären und vor allem Druck zu machen, damit freie Berichterstattung möglich ist. Das heißt eben auch Berichterstattung recht und links des Sports und die freie Wahl der Themen sowie der freie Zugang zu den Informationen. Da haben wir eben sehr viel zu bemängeln in China. Wie Journalisten jetzt ihre Themen setzen und zu welchen Schlüssen sie gelangen, das möchte ich weniger kommentieren.
Heinemann: Sie sprachen eben, um jetzt mal auf die Arbeitsbedingungen der chinesischen Kolleginnen und Kollegen zu sprechen zu kommen, über die Berichterstattung auch über das Erdbeben. War das so eine Art Zeitenwende in der chinesischen Pressepolitik? Erstmals waren die Opfer in der Berichterstattung wichtiger als die Politiker, die das Katastrophengebiet besuchten, und es wurde - das haben Sie angesprochen - auch offen über Pfusch am Bau gesprochen.
Schäfter: Ja. Das war sicherlich eine neue Seite und auch eine neue Informationspolitik in China. Das ist zunächst ja sehr positiv aufgegriffen worden. Die öffentliche Meinung ist ja fast gekippt. Nachdem Tibet ja mehr oder weniger für die Berichterstattung blockiert wurde, wurde das natürlich als ein positives Signal aufgenommen - unter anderem auch vom IOC. Doch es war etwas voreilig, denn es gab wie gesagt zahlreiche Vorfälle, bei denen Journalisten abgedrängt wurden, bei denen sie ihre Materialien einpacken mussten, bei denen ihre Materialien beschlagnahmt werden mussten. Da gab es sehr viele Gängeleien und es war auch klar, dass die Berichterstattung nach wie vor gelenkt ist. Was man freigeben will, das wird freigegeben. Was Journalisten von sich aus selber wählen und aussuchen, das wird eben kritisch beobachtet und eventuell auch wieder verhindert. Das hat man auch beim Erdbeben gesehen. Als es um die Schulen ging, war es ja genauso. Vor den zusammengefallenen Schulen, als es um die Versäumnisse der Behörden ging und um die Fragen, die sich auch in der Bevölkerung zunehmend aufgetan haben, unter den Opfern, wie kam es überhaupt dazu, warum sind so viele Schulen eingestürzt, wo lagen die Versäumnisse, gab es Versäumnisse, bei diesen Fragen hat man wieder versucht zu blocken. Diese Berichterstattung hat man versucht, zu verhindern.
Heinemann: Frau Schäfter, mit welcher Entwicklung nach den Olympischen Spielen rechnen Sie? Wird ein Hauch der Freiheit durchs Land wehen, oder rechnen Sie im Gegenteil mit einer Verschärfung?
Schäfter: Es ist ja jetzt so, dass die neuen Regelungen für ausländische Journalisten nur bis zum Oktober gelten, also bis nach den Spielen. Bisher gab es keine Verlautbarung aus China, ob die neuen Regelungen, die Erleichterungen bei den Arbeitsbedingungen, weiterhin gelten. Ich meine aber auch, dass es die Aufgabe des IOC wäre, hier mit etwas mehr Nachdruck zu arbeiten und anzumahnen, dass diese Bestimmungen beibehalten werden. Es wäre natürlich sehr zu bedauern, wenn die alte restriktive Politik wieder Einzug halten würde. Wir von "Reporter ohne Grenzen" werden jedenfalls alles dazu tun, damit die erleichterten Arbeitsbedingungen aufrecht erhalten werden.
Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir im Deutschlandfunk mit Elke Schäfter, der Geschäftsführerin der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen". Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Schäfter: Gerne, Herr Heinemann.
Elke Schäfter: Guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Frau Schäfter, der Sportfunktionär und frühere Grünen-Politiker Michael Vesper hat wie gehört die chinesische Internetkontrolle mit der Sperrung etwa von rechtsextremen Internetseiten in Deutschland in Beziehung gesetzt. Ist dieser Vergleich Ihrer Meinung nach zulässig?
Schäfter: Der Vergleich ist unsäglich. Es ging ja bei der Sperrung der Internetseiten beispielsweise um die chinesische Ausgabe der BBC, um die chinesische Ausgabe der Deutschen Welle. Es ging um die internationale Seite von "Reporter ohne Grenzen", die jetzt wieder zugänglich ist, aber der chinesische Teil ist gesperrt. Und wenn wir uns die gesamte Zensur angucken, also was ist dem chinesischen Bürger oder der Bürgerin überhaupt zugänglich, so müssen wir ja von Tausenden Seiten ausgehen, die gesperrt sind. Dabei geht es um Menschenrechtsfragen, um kritische Berichterstattung zu allen möglichen Themen, die vor allem die chinesische Normalbevölkerung betreffen. Insofern hinkt der Vergleich vollkommen. Es geht hier bei der Sperrung von Web-Seiten in China, bei der Zensur nicht um Aufrufe zu Gewalt und ähnlichen Dingen; es geht eben um Zensur.
Heinemann: Wie sollten die Sportfunktionäre auf diese chinesische Pressepolitik reagieren?
Schäfter: Sie sollten einfach mehr Druck machen. Das IOC hat es von Anfang an versäumt, die Versprechen, die China gegeben hat, auch umzusetzen. Es sind keine Schritte angemahnt worden, bis wann was stattzufinden hat, was man dann auch wirklich als Verbesserung sehen kann.
Wenn wir uns beispielsweise jetzt die durchaus als positiv zu bezeichnende Veränderung anschauen, die seit 1. Januar 2007 gilt, nämlich Bewegungsfreiheit für Journalisten, für ausländische Journalisten, und auch die freie Wahl der Interview-Partner, sofern diese zustimmen, so sehen wir ja auch immer wieder die Einschränkungen. Tibet wurde gesperrt. Auch bei dem Erdbebenunglück kam es zu vielen Vorfällen, bei denen Journalisten bei der Arbeit behindert wurden, beispielsweise als es um die Schulen ging, warum sind die Schulen eingestürzt. Außerdem sehen sich die Journalisten seit Januar auch vor neuen Herausforderungen, denn sie müssen sich sehr viel mehr Gedanken machen über ihre Mitarbeiter und über diejenigen, die ihnen Interviews geben, weil diese immer wieder massiv unter Druck gesetzt werden. Da gäbe es noch sehr viel anzumahnen und das hat das IOC versäumt. Das hat sich jetzt auch daran gezeigt, dass Internetseiten wieder gesperrt wurden und eben nicht frei zugänglich sind, wie es ursprünglich versprochen war.
Heinemann: Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Das heißt jetzt kann das IOC kaum noch Druck ausüben, denn zum Druck gehört das Drohen. Und da fragt man: womit?
Schäfter: Es gibt jetzt weniger konkrete Schritte, die man noch umsetzen könnte. Aber ich meine es ist noch nicht vorbei. Das IOC kann nach wie vor Druck machen. Ich meine die Öffnung der Internetseiten hat doch gezeigt, dass eben Druck möglich ist. Das Vorgehen des IOC muss einfach eindeutig sein und da muss eine eindeutige Sprache her und da müssen auch eindeutige Forderungen her. Darum geht es und das ist noch nicht vorbei. Das kann das IOC sehr wohl noch tun.
Heinemann: Frau Schäfter, die "Süddeutsche Zeitung" schildert heute den Fall eines deutschen Journalisten, der für eine Sportagentur arbeitete und der - so der Tenor des Berichtes - dem IOC seit geraumer Zeit nach dem Munde schreibt, auch den chinesischen Veranstaltern. Der Mann sei mittlerweile von seinem Posten abgezogen worden. - Inwiefern ist der "Kotau" auch unter Journalisten verbreitet?
Schäfter: Ich kann jetzt den Fall nicht kommentieren, weil "Reporter ohne Grenzen" diesen Fall noch prüft. Sie meinen, inwiefern jetzt Journalisten die Propaganda einfach weiter verbreiten?
Heinemann: So ist es.
Schäfter: Nun gut. Wir müssen da natürlich ein bisschen unterscheiden, um was es geht. Sicherlich gibt es Journalisten, die vielleicht sich weniger Mühe bei der Recherche machen und wiedergeben, was in öffentlichen Verlautbarungen berichtet wird und auch was in den staatlichen Medien berichtet wird. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie sich stärker auf die chinesischen Journalisten beziehen oder auf die deutschen, ausländischen Journalisten, die von dort, von China berichten.
Heinemann: Im konkreten Fall jetzt eher auf die deutschen oder ausländischen Journalisten. Inwiefern sind die auch unkritisch?
Schäfter: Ich möchte jetzt nicht kommentieren, ob Journalisten unkritisch sind oder nicht. Uns von "Reporter ohne Grenzen" geht es ja darum, die Arbeitsbedingungen von Journalisten zu klären und vor allem Druck zu machen, damit freie Berichterstattung möglich ist. Das heißt eben auch Berichterstattung recht und links des Sports und die freie Wahl der Themen sowie der freie Zugang zu den Informationen. Da haben wir eben sehr viel zu bemängeln in China. Wie Journalisten jetzt ihre Themen setzen und zu welchen Schlüssen sie gelangen, das möchte ich weniger kommentieren.
Heinemann: Sie sprachen eben, um jetzt mal auf die Arbeitsbedingungen der chinesischen Kolleginnen und Kollegen zu sprechen zu kommen, über die Berichterstattung auch über das Erdbeben. War das so eine Art Zeitenwende in der chinesischen Pressepolitik? Erstmals waren die Opfer in der Berichterstattung wichtiger als die Politiker, die das Katastrophengebiet besuchten, und es wurde - das haben Sie angesprochen - auch offen über Pfusch am Bau gesprochen.
Schäfter: Ja. Das war sicherlich eine neue Seite und auch eine neue Informationspolitik in China. Das ist zunächst ja sehr positiv aufgegriffen worden. Die öffentliche Meinung ist ja fast gekippt. Nachdem Tibet ja mehr oder weniger für die Berichterstattung blockiert wurde, wurde das natürlich als ein positives Signal aufgenommen - unter anderem auch vom IOC. Doch es war etwas voreilig, denn es gab wie gesagt zahlreiche Vorfälle, bei denen Journalisten abgedrängt wurden, bei denen sie ihre Materialien einpacken mussten, bei denen ihre Materialien beschlagnahmt werden mussten. Da gab es sehr viele Gängeleien und es war auch klar, dass die Berichterstattung nach wie vor gelenkt ist. Was man freigeben will, das wird freigegeben. Was Journalisten von sich aus selber wählen und aussuchen, das wird eben kritisch beobachtet und eventuell auch wieder verhindert. Das hat man auch beim Erdbeben gesehen. Als es um die Schulen ging, war es ja genauso. Vor den zusammengefallenen Schulen, als es um die Versäumnisse der Behörden ging und um die Fragen, die sich auch in der Bevölkerung zunehmend aufgetan haben, unter den Opfern, wie kam es überhaupt dazu, warum sind so viele Schulen eingestürzt, wo lagen die Versäumnisse, gab es Versäumnisse, bei diesen Fragen hat man wieder versucht zu blocken. Diese Berichterstattung hat man versucht, zu verhindern.
Heinemann: Frau Schäfter, mit welcher Entwicklung nach den Olympischen Spielen rechnen Sie? Wird ein Hauch der Freiheit durchs Land wehen, oder rechnen Sie im Gegenteil mit einer Verschärfung?
Schäfter: Es ist ja jetzt so, dass die neuen Regelungen für ausländische Journalisten nur bis zum Oktober gelten, also bis nach den Spielen. Bisher gab es keine Verlautbarung aus China, ob die neuen Regelungen, die Erleichterungen bei den Arbeitsbedingungen, weiterhin gelten. Ich meine aber auch, dass es die Aufgabe des IOC wäre, hier mit etwas mehr Nachdruck zu arbeiten und anzumahnen, dass diese Bestimmungen beibehalten werden. Es wäre natürlich sehr zu bedauern, wenn die alte restriktive Politik wieder Einzug halten würde. Wir von "Reporter ohne Grenzen" werden jedenfalls alles dazu tun, damit die erleichterten Arbeitsbedingungen aufrecht erhalten werden.
Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir im Deutschlandfunk mit Elke Schäfter, der Geschäftsführerin der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen". Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Schäfter: Gerne, Herr Heinemann.