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Der Wert des Elektroschrotts

In Deutschlands Haushalten lagern wahre Schätze: alte Mobiltelefone, Computer, Monitore, Fernseher und andere Elektronik. Sie alle enthalten Metalle und teilweise auch Seltene Erden. Doch die Technologie zum Recycling der wertvollen Ressourcen steckt noch in den Kinderschuhen.

Von Axel Schröder | 06.02.2013
    Die Müllberge wachsen rasant: Platinen, Kabel, Displays, Festplatten und Elektromotoren unserer Hightechgeräte landen in immer kürzeren Zyklen auf dem Schrott. Kaum haben wir uns an das neueste Handymodell gewöhnt, wird ein neues angeboten. Die Professorin Kerstin Kuchta forscht am Institut für Umwelt- und Energiewirtschaft an der TU Hamburg. Sie sieht angesichts der anschwellenden Elektroschrottmengen ein schier unerschöpfliches Betätigungsfeld:

    "Es wächst dramatisch an! Die am stärksten wachsende Gruppe von Abfall, die es gibt. Und wir haben in Deutschland zwischen 1,5 bis 2 Millionen Tonnen. Die anstehen könnten zur Entsorgung jedes Jahr. Und das ist kontinuierlich aufgewachsen. Und es sieht so aus, als wenn es weiter wachsen würde"

    Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung, so Kuchta am Rande der Tagung "Wertstoff Elektroschrott" in Hamburg, ist einerseits die zunehmende Elektronifizierung der Haushalte. Dort, wo früher ein einziger Computer erst eine Ausnahme, später die Regel war, stehen heute oft zwei oder drei Rechner. Für Frau und Mann und die Kinder.

    "Wir haben auch eine Sättigung auf dem Markt! Sodass man heute, wenn man einen neuen Kühlschrank kauft, dann gibt man den alten ins Recycling. Während man früher den alten vielleicht noch an die Kinder weitergegeben hat oder in die Zweitwohnung – das ist jetzt alles gesättigt. Sodass dann tatsächlich immer ein Austausch ist"

    Mit unseren heutigen Technologien können wir diese Müllberge noch lange nicht komplett recyceln. Trotz großer Fortschritte bei der Wiederverwertung. Perfektioniert sind diese Verfahren für Metalle wie Eisen oder Kupfer. Kupferanteile im Elektroschrott lassen sich nahezu vollständig wiederverwerten, ohne Abstriche bei der Qualität des so erzeugten Rohstoffs. Weitaus schwieriger ist das Recycling sogenannter Seltener Erden: unter diesem Sammelbegriff werden 17 unterschiedliche Elemente zusammengefasst, die durch ihre chemisch-physikalischen Eigenschaften besondere Fähigkeiten haben: zum Beispiel Scandium, Lanthan oder Neodym. In jedem Mobiltelefon stecken heute Seltene Erden. Und die sind zwar gar nicht so selten wie der Name suggeriert, aber ihr Abbau ist aufwendig und belastet die Umwelt. Wo sich das Recycling Seltener Erden lohnt, erklärt Prof. Thomas Jüstel von der Fachhochschule Münster:

    "Nehmen wir mal das Handy als Beispiel. Wovon immer alle reden. Da sind die Konzentrationen so gering, dass es sich wahrscheinlich gar nicht lohnen würde. Es gibt allerdings andere Produkte: Leuchtstoffröhren oder Energiesparlampen oder eben auch Magnete, Elektromotoren, wo die Konzentrationen relativ hoch sind und damit lohnend"

    Immerhin, so Jüstel, koste eine Tonne Kupfer heutzutage rund 6.000 Euro. Neodymoxid bringt es gegenwärtig schon auf 85.000 Euro pro Tonne. Aber noch gibt es keine Verfahren, die im industriellen Maßstab zum Beispiel Neodym aus Windkraftanlagen zurückgewinnen können. Fortschritte gibt es bei der Verwertung von Seltenen Erden aus Leuchtstoffröhren, so der Forscher Thomas Jüstel:

    "2012 hat die Firma Rodia in Frankreich damit begonnen, Seltene Erden aus Entladungslampen zu recyceln. Aus Fluoreszenzlampen, Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen. Die haben jetzt angekündigt, dass sie dieses Jahr 2.500 Tonnen Pulver aufbereiten wollen pro Jahr. Und die nehmen dafür die Lampen aus dem ganzen europäischen Raum zurück, die momentan in verschiedenen Stellen eingelagert sind. Teilweise in Minen, unterirdisch. Und das ist auch technisch machbar"

    Neodym aus Elektromotoren kann bisher nicht wiederverwertet werden. Dieser Stoff türmt sich hierzulande zu Abfallbergen, während Wissenschaftler rund um den Globus an einem Verfahren tüfteln, diese teuren Abfallstoffe wieder nutzbar zu machen. Professor Kerstin Kuchta von der TU Hamburg ist sicher: mit einem Verfahren zur Neodym-Rückgewinnung lässt sich viel Geld verdienen. Und lange wird es nicht mehr dauern:

    "Für Neodym müssten wir den Durchbruch innerhalb der nächsten fünf Jahre kriegen. Weil die Materialien sind identifiziert, sie sind in großen Mengen da. Und dann ist es nur noch so ein kleiner Schritt"