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Illegal und lukrativ

Ob Handys, PCs, Staubsauger oder Kühlschränke: Das Geschäft mit Elektroschrott boomt. Der Handel findet oft in rechtlichen Grauzonen statt - und kann, weit enfernt von Deutschland, auch zur Belastung von Umwelt und Menschen führen.

Von Andreas Ebert | 17.08.2011
    Ein Wertstoffhof in Nürnberg – ein Container steht neben dem anderen. Getrennt wird nach weißer Ware, Kühlschränken oder Elektrokleingeräten. Hier entsorgen täglich hunderte Menschen ihre alten oder kaputten Elektroartikel.

    "Das war eine Lautsprecherbox." – "Ein Bildschirm für den Computer, der war im Keller gestanden und wir hatten Hochwasser, das hat er nicht überlebt."

    Diese Beiden hier hoffen, dass sich der Weg zum Wertstoffhof auch gelohnt hat und die Geräte ordentlich entsorgt werden. Doch was mit dem Bildschirm passieren wird, weiß keiner von ihnen so recht.

    "Wenn ich solche Kisten hier sehe, sieht zwar alles geordnet aus, aber trotzdem denkt man am Ende, viel kann damit eigentlich niemand anfangen, außer es wird vielleicht nach Indien geschippert und dort fein zerlegt."

    Gut 800.000 Tonnen Elektroschrott fallen in Deutschland jährlich an. Die Stiftung Elektro Altgeräte Register - kurz EAR - mit Sitz im mittelfränkischen Fürth hat alle offiziellen kommunalen Sammelstellen im Blick. Sie ist eine Gründung der Elektrogerätehersteller. Denn laut Gesetz müssen diese nicht nur die Produktion, sondern auch die Entsorgung ihrer Geräte verantworten. Sind ausreichend viele Altgeräte irgendwo in einem deutschen Wertstoffhof gesammelt, wird dies nach Fürth gemeldet. Die EAR wiederum beauftragt die bei ihr gelisteten Hersteller, den vollen Container abzuholen und weiter an spezialisierte Recycle- und Entsorgungsunternehmen zu liefern. Je nach Gerätegruppe mittlerweile ein gutes Geschäft, weiß EAR-Vorstand Alexander Goldberg:

    "Wenn der Dienstleister die Altgeräte bekommt, kann man sicher heute in den einzelnen Fraktionen Erlöse erzielen. Das spiegelt sich auch in den Eigenvermarktungen – wir nennen das Optierungen - der Kommunen wieder, das ist die Berechtigung der Kommunen, ein Sammelbehältnis selbst zu vermarkten. Diese Tendenz ist in vielen Gruppen, wo Erlöse erzielbar sind, insbesondere bei den Haushaltsgroßgeräten, wo Sie viele Metalle, Eisen haben, zunehmend und weiterhin steigend zu verzeichnen."

    Mit einem PC lässt sich mehr Geld verdienen als mit einem Kühlschrank, und so werden inzwischen vier Fünftel der abgegebenen Haushaltsgroßgeräte von den Kommunen selbst an die Recyclefirmen weiterverkauft.

    Auch ökologisch macht das Recyceln Sinn: In der Natur müsste man 200 Tonnen Erz abbauen, um eine Tonne Kupfer zu gewinnen. Beim Recycling reichen 14 Tonnen Elektroschrott.

    Aber was mit dem Inhalt der Sammelbehälter nach der Abholung beim Recycler passiert, kann die Stiftung EAR nicht sagen. Nur so viel ist ihr bekannt: Oft kommen Geräte an, die so gut wie ausgeschlachtet sind, verwertbare Dinge wie Kupfer oder Metall wurden schon vorher entfernt. Mehr als den Rest dann zu verschrotten, bleibt meist nicht. Der EAR-Vorstand bestätigt illegale Machenschaften:

    "Wir verzeichnen mit den zunehmenden Wertstoffpreisen auch eine gewisse Möglichkeit, dass Behältnisse und deren Inhalte – wir nennen es – beraubt werden. Wir selber nehmen Sortierungen bestimmter Container vor und untersuchen sie auf ihre Zusammensetzung und müssen immer wieder feststellen, dass einzelne Fraktionen recht stark beraubt sind, wir sprechen von 20 bis 30 Prozent und das wird sicher auch noch zunehmen – das gab es aber schon immer."

    Geschätzte 150.000 Tonnen deutsche PCs, Bildschirme und Fernseher landen jährlich außerhalb der EU – häufig illegal, denn eigentlich dürfen nur gebrauchsfähige Altgeräte exportiert werden. In Ghana oder Pakistan werden dann zum Beispiel aus Glaseinsätzen von Waschmaschinen Kochtöpfe gemacht oder Computerbildschirme gewinnbringend zerlegt. Der Rest wird einfach verfeuert, zu Lasten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen.

    Dass Elektrogeräte, die auf einem Wertstoffhof gelandet sind, anschließend illegal ins Ausland exportiert werden, hält Christina Schepel vom Umweltbundesamt für unwahrscheinlich. Sie ist sich sicher, dass hier überwiegend private Sammler ihre Hände im Spiel haben.

    "Also wenn zum Beispiel gewerbliche Unternehmen Zettel in Haushalte einwerfen und sagen "Ich sammle Ihre alten Produkte, unter anderem ein altes Elektrogerät, dass noch gebrauchsfähig ist oder leicht defekt", dann stellen die Bürger die Geräte dann auf die Straße, und die gewerblichen Sammler holen das, das ist dann eine Grauzone zwischen Abfall und Produkt."

    Ein Zustand, der dem Bundesumweltministerium nicht gefällt. Minister Norbert Röttgen forderte unlängst die zuständigen Behörten auf, die Sammelplätze sowie Exporte stärker zu kontrollieren.

    Um die Recyclingquote und die Rohstoffausbeute zu erhöhen, plädiert das Ökoinstitut für einen globalen Ansatz. Statt wie bislang die Altgeräte maschinell in Europa zu recyceln und dabei in Kauf zu nehmen, dass ein Teil illegal in Entwicklungsländern landet, sollten die ausrangierten Geräte lieber gleich offiziell nach Afrika transportiert werden, so der Vorschlag. Dort könnten die Arbeiter PCs und Fernseher manuell und kontrolliert zerkleinern und die nicht verwerteten Teile wieder nach Europa zurückschicken.

    Schätze vom Schrottplatz - fünfteilige Sendereihe zum Recycling in "Umwelt und Verbraucher" (DLF)