Farhang: Was in Afghanistan zurzeit gilt, ist die Verfassung von 1964. Es geht eindeutig aus den Petersberger Vereinbarungen hervor. Diese Verfassung war und ist immer eine demokratische Verfassung. In einem Artikel steht: Wo es keine Gesetze für einen Fall gibt, könnte man auf die Bestimmungen zurückgegriffen werden, und das gilt. Die Scharia in dem Sinne, wie das in einigen anderen islamischen Ländern mit Abhacken der Hand oder Ähnlichem praktiziert wird, war nie in Afghanistan vorhanden, und das wird es auch nicht geben.
Liminski: Welche Orientierung verfolgt denn die neue Regierung? Handelt es sich um eine islamische Republik?
Farhang: Es gab einen Antrag bei der Loja Dschirga, dass die Übergangsregierung in Afghanistan islamisch genannt werden soll. Das wurde von einem Teilnehmer zur Wahl gestellt, nicht von dem Vorsitzenden des Rates. Deshalb war diese Entscheidung auch nicht legal, weil ein Teilnehmer eine solch wichtige Angelegenheit nicht zur Wahl stellen kann.
Liminski: Islamische Gelehrte und Studenten scheinen nach Presseberichten wieder mehr Einfluss auch im Alltag zu erlangen. Halten Sie denn eine Hinwendung zur Scharia, vielleicht in einer gemäßigteren Form für ausgeschlossen?
Farhang: Afghanistan ist ein islamisches Land, und der Islam spielt eine große Rolle, aber das bedeutet nicht, dass das ganze Leben der Afghanen von den strengen Bestimmung des Islams bestimmt wird. Man wird versuchen, nach den Bestimmungen der Verfassung von 1964 eine Mischung aus islamischen Regeln und demokratischen Mitteln zu entwerfen, um das Land zu regieren. Es hängt alles ab von der neuen Verfassung, die in der Übergangszeit ausgearbeitet wird.
Liminski: Es heißt, der Arm der Regierung Karsai reiche kaum über Kabul hinaus. Konnte denn die Loja Dschirga die Macht der Regionalfürsten einschränken?
Farhang: Es stimmt nicht, dass der Machtbereich Karsais nur auf Kabul beschränkt ist. Es gibt in einigen Provinzen Probleme, aber man kann sie lösen. Afghanistan hat 24 Jahre Krieg hinter sich, und es gibt diese Warlords. Aber bei dem ersten Schritt hat man gesehen, dass die Zentralregierung versucht, diese Leute nach Kabul zu holen, damit sie sich an der Zentralmacht beteiligen. Man könnte sie dann durch andere Gouverneure ersetzen und so auch die Machtbereiche weiter ausgleichen.
Liminski: In anderthalb Jahren wird in Afghanistan frei gewählt. Heißt es, dass die Schutztruppen der internationalen Staaten, insbesondere die Deutschen solange in Afghanistan bleiben sollen und auch werden?
Farhang: Solange die Warlords in Afghanistan noch stark sind, und solange die nationale Armee von Afghanistan nicht ausgebaut ist, müssen die internationalen Schutztruppen in Afghanistan bleiben, und das wird vielleicht länger dauern als diese Übergangsregierung. Wenn man will, dass Afghanistan nicht zurückfällt in den Bereich des internationalen Terrorismus, dann muss man das machen. Man darf nicht den Fehler wiederholen, den man 1992 gemacht hat.
Liminski: Welche Teile des Landes sind noch unkontrollierbar? Wie sieht es im Grenzgebiet zu Pakistan aus? Da sollen ja noch sehr viele Terroristen sein.
Farhang: Es gibt da Probleme, aber das hängt nicht nur mit Afghanistan zusammen. Auch die pakistanische Regierung muss etwas dafür tun und seinerseits einige Grenzen kontrollieren. Ich glaube, viele El-Kaida- und Taliban-Leute haben gerade wegen der Nachlässigkeit der pakistanischen Behörden freien Durchgang zwischen Afghanistan und Pakistan.
Liminski: Herr Farhang, das Land lag oder liegt am Boden. Wie kommt der Wiederaufbau voran?
Farhang: Der Wiederaufbau kommt sehr schleppend voran, weil die Weltgemeinschaft ihre Versprechungen nicht eingehalten hat. Es gibt immer Ausreden, einmal die Scharia-Bestimmungen, zum anderen, dass die politische Lage und die Stabilität nicht gut seien. Es wurden große Versprechungen gemacht. Jetzt haben wir die Loja Dschirga erfolgreich hinter uns, und ich hoffe, dass die Welt endlich einsieht, dass dieses Land den Wiederaufbau braucht und auch etwas dafür tut. Ich habe den Eindruck, dass man uns wieder im Stich lassen und sich drücken will.
Liminski: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Liminski: Welche Orientierung verfolgt denn die neue Regierung? Handelt es sich um eine islamische Republik?
Farhang: Es gab einen Antrag bei der Loja Dschirga, dass die Übergangsregierung in Afghanistan islamisch genannt werden soll. Das wurde von einem Teilnehmer zur Wahl gestellt, nicht von dem Vorsitzenden des Rates. Deshalb war diese Entscheidung auch nicht legal, weil ein Teilnehmer eine solch wichtige Angelegenheit nicht zur Wahl stellen kann.
Liminski: Islamische Gelehrte und Studenten scheinen nach Presseberichten wieder mehr Einfluss auch im Alltag zu erlangen. Halten Sie denn eine Hinwendung zur Scharia, vielleicht in einer gemäßigteren Form für ausgeschlossen?
Farhang: Afghanistan ist ein islamisches Land, und der Islam spielt eine große Rolle, aber das bedeutet nicht, dass das ganze Leben der Afghanen von den strengen Bestimmung des Islams bestimmt wird. Man wird versuchen, nach den Bestimmungen der Verfassung von 1964 eine Mischung aus islamischen Regeln und demokratischen Mitteln zu entwerfen, um das Land zu regieren. Es hängt alles ab von der neuen Verfassung, die in der Übergangszeit ausgearbeitet wird.
Liminski: Es heißt, der Arm der Regierung Karsai reiche kaum über Kabul hinaus. Konnte denn die Loja Dschirga die Macht der Regionalfürsten einschränken?
Farhang: Es stimmt nicht, dass der Machtbereich Karsais nur auf Kabul beschränkt ist. Es gibt in einigen Provinzen Probleme, aber man kann sie lösen. Afghanistan hat 24 Jahre Krieg hinter sich, und es gibt diese Warlords. Aber bei dem ersten Schritt hat man gesehen, dass die Zentralregierung versucht, diese Leute nach Kabul zu holen, damit sie sich an der Zentralmacht beteiligen. Man könnte sie dann durch andere Gouverneure ersetzen und so auch die Machtbereiche weiter ausgleichen.
Liminski: In anderthalb Jahren wird in Afghanistan frei gewählt. Heißt es, dass die Schutztruppen der internationalen Staaten, insbesondere die Deutschen solange in Afghanistan bleiben sollen und auch werden?
Farhang: Solange die Warlords in Afghanistan noch stark sind, und solange die nationale Armee von Afghanistan nicht ausgebaut ist, müssen die internationalen Schutztruppen in Afghanistan bleiben, und das wird vielleicht länger dauern als diese Übergangsregierung. Wenn man will, dass Afghanistan nicht zurückfällt in den Bereich des internationalen Terrorismus, dann muss man das machen. Man darf nicht den Fehler wiederholen, den man 1992 gemacht hat.
Liminski: Welche Teile des Landes sind noch unkontrollierbar? Wie sieht es im Grenzgebiet zu Pakistan aus? Da sollen ja noch sehr viele Terroristen sein.
Farhang: Es gibt da Probleme, aber das hängt nicht nur mit Afghanistan zusammen. Auch die pakistanische Regierung muss etwas dafür tun und seinerseits einige Grenzen kontrollieren. Ich glaube, viele El-Kaida- und Taliban-Leute haben gerade wegen der Nachlässigkeit der pakistanischen Behörden freien Durchgang zwischen Afghanistan und Pakistan.
Liminski: Herr Farhang, das Land lag oder liegt am Boden. Wie kommt der Wiederaufbau voran?
Farhang: Der Wiederaufbau kommt sehr schleppend voran, weil die Weltgemeinschaft ihre Versprechungen nicht eingehalten hat. Es gibt immer Ausreden, einmal die Scharia-Bestimmungen, zum anderen, dass die politische Lage und die Stabilität nicht gut seien. Es wurden große Versprechungen gemacht. Jetzt haben wir die Loja Dschirga erfolgreich hinter uns, und ich hoffe, dass die Welt endlich einsieht, dass dieses Land den Wiederaufbau braucht und auch etwas dafür tut. Ich habe den Eindruck, dass man uns wieder im Stich lassen und sich drücken will.
Liminski: Vielen Dank für das Gespräch.
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