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Der Wiederaufbau in Afghanistan kommt gut voran

Remme: Ich begrüße Herrn Amin Farhang, verantwortlich für den Wiederaufbau in Afghanistan. Er ist der Minister für dieses Ressort. Guten Morgen, Herr Farhang.

    Farhang: Guten Morgen.

    Remme: Herr Farhang, wir haben gerade gehört: Die Kanzlermaschine im Radar einer Raketenstellung, ein Zeichen dafür, dass Afghanistan doch von Normalität noch weit entfernt ist, oder?

    Farhang: Ja, das ist bedauerlich was geschehen ist, aber das bestätigt gleichzeitig, dass die Zellen der Terroristen von Al Quaida und Taliban noch immer nicht beseitigt sind. Diese Zelle ist überall mobil tätig, und es passieren manchmal solche Sachen. Das ist bedauerlich, aber eine Realität.

    Remme: Herr Farhang, der Bundeskanzler hat Ihrer Hauptstadt, Ihrer Regierung gestern einen Besuch abgestattet. Sind Ihre Erwartungen erfüllt worden?

    Farhang: Ja, unsere Erwartungen sind erfüllt worden. Wir haben ausführliche Gespräche gehabt, sowohl auf politischer wie auch auf wirtschaftlicher Ebene, und ich glaube, wir sind auf dem besten Wege, die Zusammenarbeit wird wachsen. Wenn wir jetzt das neue Gesetz zur Förderung privater Investitionen in Afghanistan demnächst verabschieden, werden sich diese Beziehungen noch intensivieren.

    Remme: Die Milliarden der internationalen Staatengemeinschaft, so habe ich den Eindruck, fließen langsam. Woran liegt das?

    Farhang: Es gibt natürlich einmal die bürokratischen Hürden in den Geberländern. Auf der anderen Seite - das habe ich auch gestern bei Herrn Bundeskanzler Schröder erwähnt - glaube ich, dass die Weltgemeinschaft auf die politische Entwicklung in Afghanistan wartet und sehen möchte, wie die politische Entwicklung nach der Abhaltung der Loya Dschirga läuft. Wenn das gut läuft, dann werden auch die Milliarden fließen, aber ich glaube, das ist ein Fehler. Man hätte schon jetzt damit anfangen können, damit dann auch die Loya Dschirga besser laufen könnte.

    Remme: Loya Dschirga, das ist die Stammesversammlung, die im kommenden Monat eine Regierung bilden soll. Herr Fahang, sind Ihnen bis dahin die Hände gebunden?

    Farhang: Man kann nicht sagen, dass die Hände völlig gebunden sind. Wir haben schon einige Projekte durch, die jetzt auch in Angriff genommen werden, aber so wie wir das wollten, hat sich das leider nicht entwickelt. Das ist bedauerlich und das wird natürlich auch einige negative Auswirkungen auf die Loya Dschirga und vor allen Dingen auf die Mentalität der Bevölkerung haben.

    Remme: Wie kommt denn der Wiederaufbau konkret voran?

    Farhang: Der Wiederaufbau kommt sehr gut voran. Die Menschen, die tagtäglich aus dem Exil zurückkommen, fangen selbst an, ihre Gebiete wieder aufzubauen, obwohl sie vor dem Nichts stehen. Es fehlen sehr viele infrastrukturelle Mittel, und wir sind sehr intensiv damit beschäftigt, den internationalen Institutionen zu versichern, dass es jetzt höchste Zeit ist, dass sie tätig werden, um diesen Menschen zu helfen.

    Remme: Die Delegation des Bundeskanzlers bestand ja nicht nur aus Franz Beckenbauer und dem Regierungschef selber. Auch Vertreter von Wirtschaft waren mit dabei, aber es war eine relativ kleine Gruppe. Wen brauchen Sie zur Zeit konkret, damit Investitionen in Afghanistan fruchten können?

    Farhang: Wir brauchen die deutschen Investoren. Wenn unser neues Gesetz jetzt durch ist und bekannt gegeben wird, dann werden die deutschen Investoren selbst sehen, dass Afghanistan die besten Voraussetzungen für deutsche Investitionen in Afghanistan geschaffen hat. Die Deutschen haben auf diesem Gebiet eine sehr lange Tradition. Es gibt sehr viele Projekte, die jetzt durch deutsche Investitionen wieder aufgebaut werden. Einige Anträge sind schon eingegangen und heute - bei uns ist heute Feiertag - habe ich ein Gespräch mit der Firma Siemens, und diese Firma ist sehr interessiert. Ähnliche Firmen können sich auch melden. Wir werden sehr gut mit ihnen zusammenarbeiten.

    Remme: Und diese Investitionen, wenn sie dann erfolgen, sind das "Almosen", oder kann man da Geld verdienen?

    Farhang: Nein, Sie können auch damit Geld verdienen. Das sind keine Almosen, das sind regelrechte normale Investitionen, mit allem was zu einer ausländischen Investition gehört, und wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen.

    Remme: Herr Farin, Sie haben gerade gesagt, der Wiederaufbau kommt, auch durch die Tatkraft der eigenen Bevölkerung, gut voran. Wenn Sie das sagen, reden Sie dann von der Gegend um Kabul oder reden Sie über das ganze Land?

    Farhang: Nein, das habe ich auch in einigen Provinzen festgestellt, obwohl in einigen Regionen des Landes das Ausmaß der Zerstörung sehr groß ist, aber die Lokalbevölkerung hat schon angefangen, ihre Felder zu bestellen, wieder herzustellen und ihre zerstörten Plantagen wieder in Gang zu bringen. Also, da sieht man eine rege Aktivität auf eigene Initiative, aber die Hilfeleistungen aus dem Ausland kommen sehr langsam.

    Remme: Kommen wir noch auf die internationale Truppe zu sprechen. Der Bundeskanzler hat gestern deutlich gemacht: Die Bundeswehrsoldaten und nicht nur diese werden vermutlich länger bleiben als geplant. Wie lange werden sie bleiben müssen?

    Farhang: Das kann man im voraus jetzt noch nicht sagen, aber die Normalität kehrt langsam zurück. Dieser tragische Vorfall von gestern hat gezeigt, dass das Land noch immer nicht sicher ist. Die Al Quaida und Taliban sind noch immer in den Provinzen tätig. Afghanistan braucht eine völlige Sicherheit. Diese Zellen müssen beseitigt und vernichtet werden, sonst werden sie wiederbelebt, und der Boden in Afghanistan ist zur Zeit noch günstig dafür. Also, das spricht dafür, dass die Einsatzkräfte in Afghanistan mindestens bis zum Ende der Übergangszeit, die nach der Abhaltung der Loya Dschirga beginnt, hier bleiben müssen.

    Remme: Was heißt das in Jahreszahlen?

    Farhang: Das wird noch zwei Jahre dauern, und danach werden wir sehen, wie die Lage oder die Sicherheitslage in Afghanistan aussieht.

    Remme: Amin Fahang war das, der Minister für Wiederaufbau in Afghanistan. Herr Fahang, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio