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"Derartiger Koalitionspartner nicht zu gebrauchen"

Der Fraktionschef der CDU in Schleswig-Holstein, Johann Wadephul, hat den Bruch der Großen Koalition mit der SPD auf Landesebene befürwortet. Die CDU-Fraktion habe gestern Abend einstimmig dafür gestimmt, das Bündnis mit der Union aufzukündigen. Nun solle die SPD Neuwahlen mittragen.

Johann Wadephul im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Viele Monate hat es mehr als nur geknirscht, es hat vielmehr richtig gekracht in der Großen Koalition von Schleswig-Holstein. Reibereien und auch ernsthafte Konflikte, die offenbar auch auf das persönliche Verhältnis der Spitzenpolitiker beider Parteien zurückgegangen sind. Gestern Abend ist die Koalition in Schleswig-Holstein nun offiziell geplatzt.

    Darüber sprechen wollen wir nun mit Johann Wadephul, CDU-Fraktionschef im Kieler Landtag. Guten Morgen!

    Johann Wadephul: Guten Morgen!

    Müller: Herr Wadephul, können Sie auch nicht mit Ralf Stegner?

    Wadephul: Ja, also im politischen Sinne nicht, und das ist der entscheidende Punkt. Es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten an vorderster Stelle, aber man muss Vertrauen zueinander haben, man muss Verabredungen treffen können und diese Verabredungen auch gemeinsam miteinander umsetzen können.

    Das ist von Anfang an mit Herrn Stegner außerordentlich schwierig gewesen. Er ist 2007 Parteivorsitzender geworden und dann später Fraktionsvorsitzender, und je näher auch der gesetzliche Wahltermin im nächsten Mai rückt, desto schwieriger wurde es hier, sodass wir jetzt diese Konsequenz gezogen haben. Der Ministerpräsident hat gesagt, er hat kein Vertrauen mehr zu dieser SPD unter dieser Führung, und deswegen streben wir jetzt die Auflösung des Landtages an.

    Müller: Sie haben das jetzt sehr diplomatisch beantwortet, das können Sie, dürfen Sie natürlich auch tun, aber ist Ralf Stegner das eigentliche Problem in Kiel?

    Wadephul: Also das könnte man so sehen, denn zuvor unter seinem Vorgänger, unter Claus Möller, dem ehemaligen Finanzminister und dann SPD-Landeschef, ging es besser.

    Die ersten zwei Jahre liefen ordentlich, obwohl der Start schwierig war. Sie erinnern sich vielleicht noch, Heide Simonis hatte gleich nach der Wahl 2005 eine Große Koalition brüsk abgelehnt, wollte mit Grünen und den Vertretern der dänischen Minderheit hier eine ganz knappe Regierung durchführen. Das scheiterte in den berühmten vier Wahlgängen von Frau Simonis.

    Trotzdem hat Peter Harry Carstensen immer viel Langmut bewiesen, war bereit, diese Große Koalition einzugehen, hat ihr über viele Klippen geholfen, schon mit viel Unverständnis in der CDU, aber in dem Willen, staatspolitisch das Richtige zu tun. Aber jetzt ist bei ihm auch der Geduldsfaden gerissen, und ich glaube, das ist richtig so.

    Müller: Also Sie tragen das voll mit, mit den möglichen Konsequenzen, die ja noch nicht absehbar sind?

    Wadephul: Mit allen Konsequenzen, die Fraktion hat das einstimmig gestern Abend in einer Sondersitzung gebilligt. Man muss einfach erkennen, wenn wir festgefahren sind, wenn wir in einer Situation sind, dass eine Große Koalition nichts mehr bewegen kann, formal noch Beschlüsse fast, die dann in öffentlichen Äußerungen kritisiert werden, nicht vertreten werden, hintergangen werden. Wenn wir Beschlüsse fassen, die im SPD-Kabinett nicht mit Inhalt gefüllt werden, nicht umgesetzt werden, wie das bei wichtigen Sparbeschlüssen der Fall gewesen ist, dann muss eine CDU erkennen, hier muss ein Schnitt gemacht werden, hier müssen wir einen Neuanfang versuchen in diesem Land. Wir brauchen gerade in diesen schwierigen Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise eine klare politische Mehrheit für den Ministerpräsidenten.

    Müller: Herr Wadephul, wenn wir das richtig verstanden haben, ging es zuletzt ja auch um einen inhaltlichen Punkt, nicht nur um diese kosmetische, diplomatische, chemische Situation sozusagen zwischen den Kontrahenten. Die Bonuszahlungen an den Nordbank-Chef, das hat niemand im Land verstanden, sage ich jetzt einmal, da hat es harte Kritik gegeben von allen Seiten. Warum haben Sie das trotzdem durchgezogen?

    Wadephul: Na, die Regierung hat das durchgezogen. Kritik hat es von vielen Seiten gegeben, auch Fragen in der CDU, aber der Punkt ist, dass die Vertreter im Aufsichtsrat, der Finanzminister, das Kabinett in Gänze der Auffassung gewesen sind, dass wir zum einen bei einer Landesbank, wo schon viele Vorstandsmitglieder fehlen, uns nicht auch noch erlauben können, dass der Vorstandsvorsitzende wegläuft, der in der Tat abstruse Forderungen aufgestellt hat, die überhaupt nicht zu erklären sind.

    Und das Zweite ist, dass dieser Vorstandsvorsitzende offensichtlich vertragliche Rechte hatte, die er in jedem Fall hätte durchsetzen können und die in jedem Falle dieses Millionenvolumen erreicht hätten. Ich halte das für moralisch in keinster Weise zu rechtfertigen, aber man muss dann eine nüchterne Abwägung treffen als Eigner, und da ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass es diese Zahlung geben müsse. Und das Schlimme daran ist, dass nicht nur der CDU-Finanzminister dem zugestimmt hat, sondern auch der SPD-Innenminister, der im Aufsichtsrat ist, und Herr Stegner jetzt im Nachhinein so tut, als wenn die SPD das alles nicht mittragen wolle, lässt also die CDU hier im Regen stehen, in einer außerordentlich schwierigen Frage, die überhaupt nicht öffentlich zu vermitteln ist. Und so was ist schlicht und ergreifend nicht nur politisch, sondern auch menschlich verwerflich, so was macht man nicht. Und wenn es so weit geht, dann muss man auch sagen, ist jedes Vertrauen hinweg.

    Müller: Also geht es doch um persönliche Motive dann und private Motive beziehungsweise ...

    Wadephul: Nein, es geht darum, dass man Politik auch in schwierigen Zeiten nur dann gemeinsam machen kann, wenn man sie auch gemeinsam vertritt und auch schwierige Beschlüsse - diese HSH-Geschichte, auch Sparbeschlüsse, im Land Schleswig-Holstein werden vier Milliarden Euro in den nächsten Jahren fehlen, wir haben 24 Milliarden Euro Schulden bei einem Haushalt von neun Milliarden.

    Also ich will nicht allzu viel Zahlen sagen. Wir sind eines der ärmsten Bundesländer Deutschlands, und da muss man den Gürtel enger schnallen, da muss man vielen Menschen erklären, dass gekürzt wird, dass gestrichen wird, und es kann nicht angehen, dass das immer die CDU machen muss, während dann die SPD erklärt, sie wäre ganz anderer Auffassung und würde ganz andere Sachen machen wollen und vertritt das nicht mit.

    Müller: Ich muss, Herr Wadephul, da einmal noch mal nachhaken, also Bonuszahlungen an den Nordbank-Chef. Da sagt Ralf Stegner, der SPD-Landeschef, er hat davon nichts gewusst oder ganz, ganz spät davon erfahren. War das denn richtig, ihn da nicht mit einzubinden?

    Wadephul: Nein, das ist Sache der SPD, wissen Sie, das ist mit allen Kabinettsmitgliedern der SPD, mit der stellvertretenden Ministerpräsidentin, die von der SPD gestellt wird, en détail erörtert worden. Diese haben es übernommen, mit Herrn Stegner über die Sache zu sprechen, und wenn die SPD, wie er selber einräumt, eine schlechte Kommunikation hat, dann ist das deren Problem, aber dann darf es nicht dazu führen, dass man sich von gemeinsamen Verabredungen verabschiedet.

    Also wir haben hier zwei Aussagen der SPD: Innenminister Hay hat gesagt, er hat diese Zahlung mitgetragen, er billigt sie, er findet sie auch im Nachhinein zwar schwierig, aber richtig. Und Herr Stegner erklärt, die SPD trägt es nicht mit. So etwas ist nicht zu vermitteln, und ein derartiger Koalitionspartner ist schlicht und ergreifend für eine stabile Regierung, die wir jetzt brauchen, nicht zu gebrauchen.

    Müller: Herr Wadephul, wir haben leider nur noch eine halbe Minute, dennoch die Frage: Wird die Auflösung des Landtages gelingen?

    Wadephul: Ja, das ist eine Frage, glaube ich, auch an die politische Ehre der SPD. Wenn der Ministerpräsident und die größte Koalitionsfraktion sagt, es geht nicht mehr, dann glaube ich, muss die SPD das auch einsehen. Alle Oppositionsfraktionen sehen das ebenso, und deswegen ist mein dringender Appell, dass die SPD zustimmt. Ich gehe auch davon aus, dass am Schluss die Besonnenen in der SPD sagen, wir müssen jetzt aufrecht in einen Wahlkampf gehen.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk, Johann Wadephul, CDU-Fraktionschef im Kieler Landtag. Vielen Dank für das Gespräch!