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Detektionsverfahren für Plastiksprengstoff

Chemie - Bei den Anschlägen von London ist wahrscheinlich der Plastiksprengstoff TATP verwendet worden. Die Zutaten können in jeder Drogerie gekauft werden, ein Grund, warum der Stoff bei Terroristen hoch im Kurs steht. Der israelische Forscher Ehud Keinan hat sich dem Kampf gegen diesen Sprengstoff verschrieben.

Von Peter Podjavorsek | 20.07.2005
    Wo eben noch ein Trinkglas auf dem Tisch stand, befindet sich auf einmal nur noch ein kleines Häufchen weißes Pulver. Ehud Keinan, Chemiker am Technion Institut im israelischen Haifa, hat eines seiner Lieblings-Experimente durchgeführt. Gerade mal ein halbes Gramm TATP braucht er dazu. Tri-Aceton-Triperoxid, einen Sprengstoff, der außergewöhnliche Eigenschaften besitzt, und der sich - vor allem bei Terrorgruppen - zunehmender Beliebtheit erfreut.

    Bis vor Kurzem war praktisch unbekannt, wie die Explosion von TATP im Einzelnen abläuft. In 18-jähriger Forschungsarbeit hat Ehud Keinan nun die Geheimnisse des TATP enthüllt. Normale Sprengstoffe sind energetische Materialien. Das heißt, zu ihrer Herstellung wird Energie benötigt. Bei der Explosion wird sie dann innerhalb kurzer Zeit in Form von Hitze und anschließend als Druckwelle freigesetzt. Anders bei TATP.

    "Das Verblüffende an unseren theoretischen Berechnungen war: es wird keine Energie freigesetzt. Als ich die Ergebnisse sah, fragte ich die Studentin, die die Analysen gemacht hatte: Gut, diese und jene chemischen Verbindungen fallen auseinander. Aber wo bleibt die Energie – wir untersuchen hier doch einen Sprengstoff? Und sie sagte: Nun, da ist keine Energie. Und dann erkannten wir, dass es eine kalte Explosion ist. Es wird keinerlei Hitze, sondern ausschließlich Druckenergie freigesetzt."

    Und die ist um 80 Prozent größer als bei TNT. Denn bei der Explosion verwandelt sich ein Molekül der festen Substanz im Bruchteil einer Sekunde in vier Moleküle in Gasform, das heißt, aus einigen wenigen hundert Gramm Sprengstoff werden mehrere hundert Liter Gas.

    Im Gegensatz zu herkömmlichen Sprengstoffen war es bislang auch sehr schwierig, TATP mit Detektoren aufzuspüren. Denn die Substanz enthält keine Nitroverbindungen, in denen die Energie üblicherweise gespeichert ist. TATP besteht nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und ist in seiner Struktur dem Zucker ähnlich. Ehud Keinan hat nun ein Gerät zum Testen der Substanz entwickelt. In seiner Form ähnelt es einem Kugelschreiber mit drei Minen.

    "Hier haben wir eine kleine, durchsichtige Kammer. Nun drücke ich die Hebel. Jeder setzt kleine Mengen bestimmter Flüssigkeiten in diese Kammer frei. Bei der Anwesenheit von TATP bildet sich dann eine intensive grün-blaue Farbe. Es ist eine enzymatische Reaktion, die sofort stattfindet."

    Im Gegensatz zu bisherigen Detektoren kann Ehud Keinans Gerät bereits Spuren von TATP aufspüren. Mehrere US-amerikanische und deutsche Firmen haben bereits Interesse an einer Serienproduktion bekundet. Ehud Keinan will aber noch einen Schritt weiter. Bislang kann der Tester nur Proben des Sprengstoffes erkennen. Die nächste Generation seines Gerätes soll TATP auch in der Luft und aus größerer Entfernung registrieren können. Dann, so der Forscher, könnten endlich Flughäfen und andere gefährdete Orte efffektiv vor dem besonderen Sprengstoff geschützt werden.
    Technicon Institut in Haifa
    Ehud Keinan (Technion Institute)