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Deutsch-französischer Wirtschaftsrat
"Wir wollen ein ökonomisches Schengen aufbauen"

"Deutschland und Frankreich müssen heute über einen echten gemeinsamen Wirtschaftsraum nachdenken," das ist die Überzeugung des Ökonomen Henrik Enderlein. Im Auftrag der Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich haben er und andere Experten ein Papier ausgearbeitet, mit dem das gelingen soll.

Von Ursula Welter | 02.12.2014
    Die deutsche und die französische Nationalflagge wehen aus Anlass des Besuches von Frankreichs Regierungschef Manuel Valls vor dem Bundeskanzleramt in Berlin am 22.09.14.
    Auf der Suche nach Vertrauen: die deutsch-französischen Beziehungen (afp / Odd Andersen)
    "Wir glauben, dass wir uns einer Zäsur nähern, ökonomisch wie politisch, nicht wahr Henrik ?"
    "Absolut, gemeinsame Aktionen von Deutschland und Frankreich sind essenziell."
    Die Ökonomen Henrik Enderlein und Jean Pisani-Ferry blättern ihre Zukunftspläne für das deutsch-französische Paar auf. Im Auftrag der Wirtschaftsminister, Macron und Gabriel , beschreiben sie die Probleme beider Länder, machen Vorschläge in beide Himmelsrichtungen.
    "Das ist keine diplomatische Übung, das ist eine gemeinsame Übung, um gemeinsame Lösungen zu finden."
    Henrik Enderlein wechselt zwischen den Sprachen, die französischen Journalisten im Saal greifen zu den Übersetzungs-Kopfhörern: "Deutschland und Frankreich müssen heute über einen echten, gemeinsamen Wirtschaftsraum nachdenken. Wir nennen das ein ökonomisches Schengen, das wir aufbauen wollen."
    Für die Bereiche Energie, digitale Wirtschaft und für den Ausbildungsmarkt.
    "Und wir reden hier nicht über den Abbau von Regeln, sondern wir reden davon, dass Deutschland und Frankreich gemeinsamen einen Regelrahmen, gemeinsame Gesetze und gemeinsame Institutionen aufbauen müssen, um diese Prozesse zu steuern."
    Deutsch-französische Papiere hat es schon viele gegeben. Auch nach diesem Nachmittag gibt es Skeptiker, die unken "wieder ein dickes Papier für die Schublade".
    Und doch liegt diesmal etwas in der Luft. Für einen Augenblick wirkt es, als sei der belehrende Ton hin wie her verhallt, als habe die Stunde der Zukunftsplanung geschlagen.
    "Da ist womöglich etwas Wichtiges geschehen," kommentiert am Morgen danach Vincent Giret von der Zeitung "Le Monde" im Sender "France Info". Sicher, sagt der Journalist, man könne auch sagen, "zu spät, zu dünn, zu technokratisch."
    Ein "New Deal" für das deutsch-französische Paar?
    Aber er habe die Studie der Wissenschaftler einmal, zweimal durchgelesen und er finde, die Miesepeter seien diesmal im Irrtum.
    Wie andere spricht Giret von einem "New Deal" für das deutsch-französische Paar. Vom gelungenen Versuch zu zeigen, dass beide Länder Probleme haben, die sie angehen müssen, und beide Länder Vorzüge, die sie nutzen können. Das alternde Deutschland gegen das kinderreiche Frankreich, der Reformstau hier die fehlenden Investitionen dort, eine Studie mit deutsch-französischer Handschrift.
    "Merci beaucoup , Sigmar", bedankt sich Emanuel Macron für die gemeinsame Arbeit. Beim deutsch-französischen Wirtschaftsrat in Berlin sehen sich die beiden wieder. Dann wird der Gast aus Paris auch die Meinung des konservativen Teils der Bundesregierung zu den Vorschlägen der Ökonomen hören und Macron wird seinerseits berichten, was er plant.
    Mitte Dezember will er einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem er den verkrusteten Arbeitsmarkt aufbrechen will. Das wird ihm neuen Ärger mit Teilen der linken Mehrheit einbringen, die schon jetzt findet, der Reformweg Frankreichs sei zu "unternehmerfreundlich". Dabei sehen es die Betriebe ganz anders. Zum ersten Mal seit vielen Jahren gehen in dieser Woche die Unternehmer auf die Straße: "Sie sehen und hören es hinter mir, Tausende Firmenchefs aus ganz Frankreich," sagte Jean-Francois Roubaud für die Mittelständler. Die Regierung rede von Bürokratieabbau, aber die Realität sehe anders aus.
    "Wussten Sie dass das Arbeitsrecht um 300 Seiten dicker geworden ist innerhalb der letzten zwei Jahre? Wussten Sie, dass wir mehr als 700.000 Normen haben, die uns Unternehmen strangulieren. Die Firmenchefs hier können nicht mehr und wollen das zeigen."
    Daheim bleibt es also ungemütlich für die regierenden Sozialisten. Um so entspannter geht es auf der deutsch-französischen Bühne zu, da beantwortet der deutsche Minister die Fragen, die eigentlich dem französischen Minister gestellt wurden. Und der französische Minister kontert voller Ironie, dafür werde er in Deutschland investieren.