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Deutsch-Italienische Beziehungen
Renzis Berlinbesuch in schwierigen Zeiten

Bundeskanzlerin Merkel empfängt heute den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Seit Monaten sucht Renzi die Konfrontation mit Deutschland und der EU, vor allem wenn es um die Finanzierung der Türkeihilfen geht, mit denen der Flüchtlingszustrom aus Syrien in Richtung Europa eingedämmt werden soll. Es gilt also zunächst, die Wogen zu glätten.

Von Jan-Christoph Kitzler | 29.01.2016
    Renzi gestikuliert bei einer Pressekonferenz vor den Fahnen Italiens und Mexikos sowie einem Gemälde mit Reitern.
    Der italienische Ministerpräsident bei einer Pressekonferenz in Rom. (AFP/ANDREAS SOLARO)
    Die Zeiten sind längst vorbei, in denen Matteo Renzi, als junger, unerfahrener Regierungschef nach Berlin kam und Angela Merkel ihn fast schon ein wenig mütterlich empfangen konnte.
    Renzi ist mit 41 Jahren zwar immer noch ein junger Regierungschef, noch keine zwei Jahre ist er im Amt – aber in puncto Selbstbewusstsein kann er es inzwischen mit den ganz alten Hasen aufnehmen:
    "Das ist Italien – wir müssen zu verstehen geben, dass die Zeiten vorbei sind, in denen irgendwer auf die Idee kommt, uns von außen fernzusteuern."
    Renzi weiß, dass Merkel ihn in der Flüchtlingskrise braucht
    Volle Breitseiten hat Renzi in den letzten Wochen immer wieder abgefeuert. Fast täglich wettert er gegen Europa – und dabei ist klar, dass er vor allem Deutschland meint. Streitpunkte gibt es genug – und Matteo Renzi findet immer wieder Gründe, beleidigt zu reagieren, wenn aus Europa Kritik an Italien kommt. Zum Beispiel daran, dass es Italien in Zeiten massenhafter Ankünfte von Flüchtlingen mit der Registrierung nicht besonders genau genommen hat.
    "Das ist kein Problem für Italien, für die Italiener. Dieses super-bürokratische Europa schadet sich selbst. Und das betrifft nicht nur Italien. Als im letzten August die Migranten kamen, hat die Merkel ganz einfach gesagt: zuerst die Solidarität und dann die Bürokratie. Das kann nicht nur für ein Land gelten. Entweder gelten die Regeln in Europa für alle oder sie gelten nicht für Europa. Das ist das Problem."
    Matteo Renzi weiß, dass Angela Merkel ihn in der Flüchtlingskrise braucht. Da sind zum Beispiel die drei Milliarden, die die EU der Türkei zugesagt hat, für Hilfe bei Eindämmung des Flüchtlingsstroms. Italien soll dazu 300 Millionen Euro beisteuern – bislang hält die Regierung dieses Geld aber zurück, und stellt damit den ganzen Beschluss infrage.
    Matteo Renzi braucht Verhandlungsspielraum, denn eigentlich geht es ihm vor allem um die Wirtschaft. Für Italien will er in Brüssel mehr Flexibilität beim Haushalt herausschlagen. Auch deshalb immer wieder diese Breitseiten gegen Brüssel und gegen Deutschland:
    Italien will wieder ernst genommen werden
    "Es geht nicht, dass wir hier auf der Basis von 0,1 oder 0,2 Prozent mehr diskutieren. Ich respektiere die Regeln – aber darf ich mir erlauben zu sagen, dass die Arbeitslosigkeit sinken muss? Denn das hat Priorität. Was für ein Europa wollen die, die die Wirtschaftspolitik vorgeben? Ein Europa das nur technokratisch ist oder ein soziales Europa?"
    Wenn Matteo Renzi heute nach Berlin kommt, dann hat er das Gefühl im Gepäck, geliefert zu haben. Italiens Wirtschaft zeigt zarte Zeichen des Aufschwungs, seine Regierung hat Reformen angepackt, über die jahrzehntelang nur geredet worden war. Renzi setzt auf staatliche Investitionen – und verlangt dafür in Europa mehr Flexibilität:
    "Europa hat aufgehört, sich um den Arbeitsmarkt zu kümmern, es ging nur um den Sparkurs und ich glaube, das ist ein Fehler. Wir brauchen eine Diskussion über die europäische Wirtschaftspolitik – da bin ich mir mit der Merkel nicht immer einig. Weil ich glaube, dass in Europa das Bestehen auf Haushaltsdisziplin, strengen Regeln, und nicht auf Investitionen, Wachstum, Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, ein Fehler ist."
    Und vor allem verlangt Renzi, dass Italien wieder ernst genommen wird. Vorbei sollen die Zeiten sein, in denen Politiker aus Rom auf europäischer Bühne belächelt wurden. Es könne nicht reichen, hat er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, wenn Angela Merkel zuerst den Französischen Präsidenten Hollande, dann EU-Kommissionspräsident Juncker anrufe und er das Ergebnis aus der Presse erfahre.
    So gesehen, ist Renzis Besuch in Berlin schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.