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Deutsch-Nachhilfe für Ärzte aus dem Ausland

Ein Patient hat Hühneraugen und der Allgemeinmediziner verweist ihn an den Augenarzt: ein amüsantes Beispiel für Sprachverwirrungen fremdsprachlicher Ärzte in Deutschland. Doch im Praxisalltag kann dies zu Problemen führen.

Von Thomas Wagner | 02.07.2013
    "Seit einigen Jahren führen wir einen Sprachtest durch, in dem ein Patientengespräch simuliert wird. Und da gab es Fälle, dass eben ein Patient über Hühneraugen klagt und der ausländische Arzt zu einem Augenarzt schicken wollte."

    Peter Zaar ist Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart, das für die Approbation aller Ärzte in Baden-Württemberg zuständig ist. Wenn er über die Ergebnisse der speziellen Deutschsprachtests für Mediziner aus dem Ausland erzählt, fallen ihm eine Fülle kurios anmutender Fallbeispiele ein:

    "Ein anderer Fall war, dass ein Patient über Durchfall klagte. Das Fallen ist dem ausländischen Prüfling im Kopf hängen geblieben."

    Also ab mit dem Patienten zum Unfallchirogen oder zum Orthopäden. Man könnte darüber schmunzeln. Doch die Sache ist dafür viel zu ernst: Weil viele Ärzte aus dem Ausland häufig nur unzureichende Deutschkenntnisse mitbringen, hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland spezielle Spracheingangstests eingeführt, die in einem fingierten Patientengespräch bestehen. Acht weitere Bundesländer haben sich dieser Praxis angeschlossen. Nach einem jüngsten Beschluss der Gesundheitsminister aller Bundesländer sollen solche Deutschtests bundeseinheitlich zur Regel werden. Denn, so Peter Zaar vom Regierungspräsidium Stuttgart:

    "Wir hatten immer wieder Rückmeldungen bekommen vor allem aus Kliniken, die uns immer wieder gesagt haben: Die Leute, die ihr uns geschickt habt, die sprechen so schlecht Deutsch, die kann man alleine gar nicht auf den Patienten loslassen."

    Was auch damit zu tun hat, dass der Anteil ausländischer Ärzte ständig steigt, weil kurioserweise immer mehr deutsche Ärzte, unzufrieden mit Bezahlung und Arbeitsbedingungen hiezulande, ins Ausland gehen. Unter den 3000 Approbationen und Arbeitserlaubnissen, die das Regierungspräsidium als dafür zuständige Behörde pro Jahr in Baden-Württemberg ausstellt, gehen über die Hälfte an Bewerber aus dem Ausland. Die müssen zwar, wenn sie in Deutschland um einen Job nachsuchen, das sogenannte B-2-Diplom für grundlegende deutsche Sprachkenntnisse nachweisen. Das reicht zum Bierholen und Brot einkaufen völlig aus. Für den medizinischen Sprechstundenalltag braucht's aber deutlich mehr, betont Oliver Erens von der Landesärztekammer Baden-Württemberg:

    "Vielfach geht es nicht nur darum, die täglichen Besorgungen und Nöte auszudrücken. Sondern es geht um die medizinische Fachsprache. Der Arzt kommuniziert nicht nur mit dem Patienten. Sondern er kommuniziert auch mit seinen Kollegen und dem Pflegepersonal. Und hier ist eine besondere Sprache notwendig. Und das Sprachniveau ist wesentlich höher, wenn es beispielsweise um Aufklärung geht und um interdisziplinäre Fachgespräche. All das erfordert, dass der Arzt mehr kann, als nur im Restaurant was bestellen oder im Supermarkt einkaufen.""

    Soweit die Notwendigkeit im medizinischen Alltag. Die Praxis dagegen sieht anders aus. Peter Zaar über die Ergebnisse der jüngsten Sprachprüfung für Mediziner:

    "20 Prozent, also jeder fünfte Arzt, der vorgesprochen hat, hat diese Deutschprüfung nicht bestanden und wurde dann eben nochmals aufgefordert, sein Deutsch nachzubearbeiten."

    Weil sich der Ärztemangel bundesweit eher noch verschärfen wird, müssten vor allem auch Kliniken als Arbeitgeber der Ärzte aus dem Ausland über eine Lösung des Problems nachdenken, glaubt Peter Zaar vom Regierungspräsidium Stuttgart:

    "Es wäre dann auch schön, wenn die Krankenhäuser den entsprechenden Ärzten Sprachkurse finanzieren. Sie sind ja dann auf ausländische Mitarbeiter angewiesen. Aber wie gesagt: Es wäre wichtig, dass die Leute nicht erst hier die Erkenntnis bekommen, dass einfach ein sehr gutes deutsches Sprachniveau verlangt wird."

    Vokabeln lernen müssen aber auch die deutschen Mediziner, wenn sie ihrerseits ins Ausland gehen. Oliver Erens von der Landesärztekammer Baden-Württemberg:

    "Wenn es ins innereuropäische Ausland geht, wie beispielsweise in skandinavische Länder, dann sind dort ähnliche Anforderungen, wie wenn einer aus dem Ausland zu uns kommt. Denn es ist wichtig, dass ein fachsprachliches hohes Niveau erreicht wird, das eine Kommunikation mit den Patienten und den ärztlichen Kollegen ermöglicht."