Silvia Engels: Das Collegium Polonicum ist der polnische Teil der Viadrina-Universität Frankfurt/Oder in Slubice. Es eröffnet heute sein akademisches Jahr und das zu Zeiten, die nicht leicht sind. In den vergangenen Monaten gab es ja diverse Spannungen im deutsch-polnischen Verhältnis. Auch in den Beziehungen zwischen Polen und der EU sind einige Fragen zu klären. Nicht zuletzt aus diesem Grund reist heute EU-Kommissionspräsident Barroso nach Warschau. Der Direktor des Collegiums Polonicum, das rund 1300 Studenten betreut, ist Krzysztof Wojciechowski und der ist nun am Telefon, guten Morgen.
Krzysztof Wojciechowski: Guten Morgen.
Engels: Die letzten Monate hatten es ja in sich, Streit um eine Ausstellung um Vertreibung in Berlin, dann Streit und Gesprächsabsagen auf Regierungsebene zwischen Berlin und Warschau. Wird über diese Themen auch auf ihrem Campus diskutiert?
Wojciechowski: Gott sei Dank nicht zu intensiv. Wissen Sie, wir praktizieren schon seit gut 15 Jahren deutsch-polnische Annähung und im Grunde genommen schon Mitte der 90er Jahre waren wir im vereinten Europa, was alle Aspekte des akademischen Lebens und auch des Grenzverkehrs anbetrifft. Wir lassen uns nicht so einfach abschrecken von dieser Zusammenarbeit. Selbst wenn es auf der höchsten Ebene Spannungen gibt. Allerdings, ich muss zugeben, wir spüren diese Spannungen am eigenen Leibe, die Atmosphäre wird ab und zu etwas nervöser und die Leute werden empfindlicher.
Engels: Wie äußert sich das? Haben Sie da Beispiele?
Wojciechowski: Ja, wir hatten ein ganz einfaches Beispiel: Diese ganzen Geschichten, die um Homosexuelle sozusagen eine Spannung in Polen erzeugt haben - die Homophobie des Präsidenten ist ja bekannt, und seine Partei und die Koalitionspartei stößt ab und zu ganz ekelhafte Töne von sich. Also wir hatte eine Ausstellung über Homosexuelle in Polen, die sozusagen einen milden, aufgeklärten Charakter hatte. Einer der Professoren der Konservativen hat einen Protestbrief geschrieben, und das ganze Milieu hat sich sofort in zwei Lager geteilt. Die einen sagten: Na ja, man müsste irgendwie berücksichtigen seine Meinung. Und die anderen sagten: Nein, wir sollen kämpfen, weil dahinter eine ganz schlimme Tendenz steht. Erst mal waren das Trennungslinien, die Pro und Kontra, und dann irgendwie hat sich das auf das deutsch-polnische Verhältnis ausgewirkt, weil natürlich die Deutschen viel entschlossener zum Kampf gegen Homophobie gingen als die Polen, die natürlich im eigenen Milieu kompromissbereit waren. Es ist eine alte Regel: Zwischen den Nationen geht es gut, so lange es keine Konflikte gibt. Wenn es Konflikte gibt, selbst wenn sie einen neutralen Charakter haben, nicht nationalbedingt sind, irgendwann ziehen sich die Leute auf die nationalen Positionen zurück und sagen: Ja, ihr denkt das und das, weil ihr eben halt Polen oder Deutsche seid.
Engels: Nach Zeitungsberichten zahlt die polnische Regierung derzeit nicht mehr in das Deutsch-Polnische Jugendwerk ein. Gibt es auch rund um Projekte des Collegium Polonicum Probleme oder bei anderen bilateralen Projekten die Sie kennen?
Wojciechowski: Gott sei Dank nicht. Also wir haben bisher keinen einzigen Fall verzeichnet, wo die Regierung oder irgendeine Organisation uns nicht finanziell unterstützen wollte, wenn sie dazu verpflichtet war, und ich hoffe, dass es auch nicht der Fall sein wird. Diese Geschichten mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk haben natürlich ein anderes Ausmaß. Es dreht sich darum, dass der Bildungsminister rechtsradikaler mit eigenen Leuten das besetzen wollte und alle haben dagegen protestiert. Er rächt sich auf diese Weise. Also das hat eine andere Dimension. Man muss immer eines bedenken. Die Polen sagen etwas anderes und tun was anderes, das heißt, ich bin sicher, früher oder später werden sie dieses Jugendwerk wieder in Stand setzen, aber im innerpolnischen Verhältnis wollen sie irgendwie Stärke demonstrieren oder symbolische Gesten tun, dass sie sich nicht sagen lassen von den Deutschen, was sie tun wollen. Dieses ist für die Deutschen schwer verständlich aber man muss das eben berücksichtigen.
Engels: Stärke ist ein gutes Stichwort, denn wir haben ja nun eine Regierungskrise in Warschau, die Mehrheiten sind da nicht gesichert. Fürchten Sie deshalb auch eine längere Stagnation im deutsch-polnischen Verhältnis, allein schon deshalb weil die Regierung derzeit nicht recht handlungsfähig ist?
Wojciechowski: Ich befürchte, diese Regierung wird noch so ein Jahr vor sich hindümpeln, das heißt, nicht stark genug sein, um eine feste Basis im Parlament zu haben und sich den äußeren Problemen zu widmen, und stark genug gleichzeitig, um irgendwelche Ad-hoc-Koalitionen zu bilden. Ich weiß nicht, ob sich das noch stärker auf das deutsch-polnische Verhältnis auswirken wird, aber natürlich ist das nicht ein Zeichen für steigende Effizienz dieser Regierung. Nur eines ist optimistisch: Die soziologischen Untersuchungen zeigen, dass das Volk, das polnische und das deutsche, so gut wie noch nie miteinander auskommen. Die Akzeptanz der Deutschen ist in allen Bereichen des Lebens, vom Tourismus bis zur Politik in Polen überraschend hoch, im sehr positiven Bereich. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit blüht. Vernünftige Menschen hoffentlich achten nicht so sehr auf diese pathologischen Verhältnisse, die wir jetzt in der Politik haben.
Engels: Heute ist der EU-Kommissionspräsident Barroso in Warschau zu Gast. Gilt denn Ihre Sorge vor diesem Hindümpeln der Regierung auch mit Blick auf die polnischen Beziehungen gegenüber der EU?
Wojciechowski: Ja, ich bin sicher, dass er mit offenen Armen empfangen wird, und dass man ihm mehrmals beteuern wird, dass man für die EU ist und für die Zusammenarbeit und für das Engagement und so weiter, weil eben, wie ich gesagt habe, diese symbolischen Gesten oder diese Drohungen gegenüber der europäischen Union halt innerpolnische Aufwertungsrituale sind und nichts weiter. Das habe ich in allen Bereichen beobachtet. Einer sagt, zu Hause sagt man, ja, ja, die EU, wir lassen uns nicht unterkriegen und auf der anderen Seite streckt man die Hand aus und sagt, wir sind treue Mitglieder, bitte, bitte, die nächste Rate.
Krzysztof Wojciechowski: Guten Morgen.
Engels: Die letzten Monate hatten es ja in sich, Streit um eine Ausstellung um Vertreibung in Berlin, dann Streit und Gesprächsabsagen auf Regierungsebene zwischen Berlin und Warschau. Wird über diese Themen auch auf ihrem Campus diskutiert?
Wojciechowski: Gott sei Dank nicht zu intensiv. Wissen Sie, wir praktizieren schon seit gut 15 Jahren deutsch-polnische Annähung und im Grunde genommen schon Mitte der 90er Jahre waren wir im vereinten Europa, was alle Aspekte des akademischen Lebens und auch des Grenzverkehrs anbetrifft. Wir lassen uns nicht so einfach abschrecken von dieser Zusammenarbeit. Selbst wenn es auf der höchsten Ebene Spannungen gibt. Allerdings, ich muss zugeben, wir spüren diese Spannungen am eigenen Leibe, die Atmosphäre wird ab und zu etwas nervöser und die Leute werden empfindlicher.
Engels: Wie äußert sich das? Haben Sie da Beispiele?
Wojciechowski: Ja, wir hatten ein ganz einfaches Beispiel: Diese ganzen Geschichten, die um Homosexuelle sozusagen eine Spannung in Polen erzeugt haben - die Homophobie des Präsidenten ist ja bekannt, und seine Partei und die Koalitionspartei stößt ab und zu ganz ekelhafte Töne von sich. Also wir hatte eine Ausstellung über Homosexuelle in Polen, die sozusagen einen milden, aufgeklärten Charakter hatte. Einer der Professoren der Konservativen hat einen Protestbrief geschrieben, und das ganze Milieu hat sich sofort in zwei Lager geteilt. Die einen sagten: Na ja, man müsste irgendwie berücksichtigen seine Meinung. Und die anderen sagten: Nein, wir sollen kämpfen, weil dahinter eine ganz schlimme Tendenz steht. Erst mal waren das Trennungslinien, die Pro und Kontra, und dann irgendwie hat sich das auf das deutsch-polnische Verhältnis ausgewirkt, weil natürlich die Deutschen viel entschlossener zum Kampf gegen Homophobie gingen als die Polen, die natürlich im eigenen Milieu kompromissbereit waren. Es ist eine alte Regel: Zwischen den Nationen geht es gut, so lange es keine Konflikte gibt. Wenn es Konflikte gibt, selbst wenn sie einen neutralen Charakter haben, nicht nationalbedingt sind, irgendwann ziehen sich die Leute auf die nationalen Positionen zurück und sagen: Ja, ihr denkt das und das, weil ihr eben halt Polen oder Deutsche seid.
Engels: Nach Zeitungsberichten zahlt die polnische Regierung derzeit nicht mehr in das Deutsch-Polnische Jugendwerk ein. Gibt es auch rund um Projekte des Collegium Polonicum Probleme oder bei anderen bilateralen Projekten die Sie kennen?
Wojciechowski: Gott sei Dank nicht. Also wir haben bisher keinen einzigen Fall verzeichnet, wo die Regierung oder irgendeine Organisation uns nicht finanziell unterstützen wollte, wenn sie dazu verpflichtet war, und ich hoffe, dass es auch nicht der Fall sein wird. Diese Geschichten mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk haben natürlich ein anderes Ausmaß. Es dreht sich darum, dass der Bildungsminister rechtsradikaler mit eigenen Leuten das besetzen wollte und alle haben dagegen protestiert. Er rächt sich auf diese Weise. Also das hat eine andere Dimension. Man muss immer eines bedenken. Die Polen sagen etwas anderes und tun was anderes, das heißt, ich bin sicher, früher oder später werden sie dieses Jugendwerk wieder in Stand setzen, aber im innerpolnischen Verhältnis wollen sie irgendwie Stärke demonstrieren oder symbolische Gesten tun, dass sie sich nicht sagen lassen von den Deutschen, was sie tun wollen. Dieses ist für die Deutschen schwer verständlich aber man muss das eben berücksichtigen.
Engels: Stärke ist ein gutes Stichwort, denn wir haben ja nun eine Regierungskrise in Warschau, die Mehrheiten sind da nicht gesichert. Fürchten Sie deshalb auch eine längere Stagnation im deutsch-polnischen Verhältnis, allein schon deshalb weil die Regierung derzeit nicht recht handlungsfähig ist?
Wojciechowski: Ich befürchte, diese Regierung wird noch so ein Jahr vor sich hindümpeln, das heißt, nicht stark genug sein, um eine feste Basis im Parlament zu haben und sich den äußeren Problemen zu widmen, und stark genug gleichzeitig, um irgendwelche Ad-hoc-Koalitionen zu bilden. Ich weiß nicht, ob sich das noch stärker auf das deutsch-polnische Verhältnis auswirken wird, aber natürlich ist das nicht ein Zeichen für steigende Effizienz dieser Regierung. Nur eines ist optimistisch: Die soziologischen Untersuchungen zeigen, dass das Volk, das polnische und das deutsche, so gut wie noch nie miteinander auskommen. Die Akzeptanz der Deutschen ist in allen Bereichen des Lebens, vom Tourismus bis zur Politik in Polen überraschend hoch, im sehr positiven Bereich. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit blüht. Vernünftige Menschen hoffentlich achten nicht so sehr auf diese pathologischen Verhältnisse, die wir jetzt in der Politik haben.
Engels: Heute ist der EU-Kommissionspräsident Barroso in Warschau zu Gast. Gilt denn Ihre Sorge vor diesem Hindümpeln der Regierung auch mit Blick auf die polnischen Beziehungen gegenüber der EU?
Wojciechowski: Ja, ich bin sicher, dass er mit offenen Armen empfangen wird, und dass man ihm mehrmals beteuern wird, dass man für die EU ist und für die Zusammenarbeit und für das Engagement und so weiter, weil eben, wie ich gesagt habe, diese symbolischen Gesten oder diese Drohungen gegenüber der europäischen Union halt innerpolnische Aufwertungsrituale sind und nichts weiter. Das habe ich in allen Bereichen beobachtet. Einer sagt, zu Hause sagt man, ja, ja, die EU, wir lassen uns nicht unterkriegen und auf der anderen Seite streckt man die Hand aus und sagt, wir sind treue Mitglieder, bitte, bitte, die nächste Rate.