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Deutsch-türkisches Jurastudium

Seit dem Wintersemester 2013 können Studierende in Köln erstmals einen Bachelor-Studiengang in deutsch-türkischen Rechtswissenschaften belegen - bisher ohne Numerus clausus. Entstanden ist dieser in Deutschland einmalige Studiengang in Kooperation mit der Kemerburgaz Universität in Istanbul.

Von Ulrike Hummel, Anja Krüger | 17.10.2013
    Mittwochnachmittag bei der Begrüßungsveranstaltung des ersten deutsch-türkischen Bachelor-Studiengangs in Rechtswissenschaften. In der Bibliothek des Zentrums für Internationale Beziehungen an der Universität Köln werden die Erstsemester feierlich mit Organgensaft und Sekt als Pioniere begrüßt. Erstmals studieren deutsche und türkische Studenten gemeinsam deutsches und türkisches Recht: Die ersten vier Semester lernen die rund vierzig Studierenden an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Köln, dann gehen sie gemeinsam für vier weitere Semester an die Kemerburgaz Universität nach Istanbul. Darauf freut sich Aysegül Diker ganz besonders:

    "Es war schon immer ein Traum von mir, irgendwann einmal in einer Botschaft zu arbeiten. Ich habe dann erkannt, dass mir dieser Studiengang einfach viel ermöglichen kann – auch auf internationaler Ebene. Ich denke, als Deutsch-Türkin stehe ich für Internationalität, weil ich beide Kulturen in mir habe. Ich finde es auch sehr schön, dass man endlich einmal dieses Potenzial der Deutsch-Türken hier nutzt."

    Aysegül Diker ist in Köln geboren und durch ihre türkischstämmigen Eltern zweisprachig aufgewachsen. Türkisch spricht die 19-Jährige ebenso fließend wie Deutsch. Sie ist damit geradezu prädestiniert für den binationalen Studiengang, findet Projektleiter und Juraprofessor Heinz-Peter Mansel:

    "In Köln haben wir sehr viele türkischstämmige Studenten. Und die Idee liegt auf der Hand, dass dieser Personenkreis mit seinen besonderen Sprachkenntnissen und auch seinen Doppelverankerungen in Deutschland und – über Familie – meistens auch noch in der Türkei, Profit aus diesem Studiengang schlägt. Dann liegt es auf der Hand, dass man einen binationalen Studiengang schafft. Auf der anderen Seite gibt es in der Türkei sehr viele deutschsprachige Gymnasien. Und deswegen gibt es da auch ein Potenzial von Interessierten, die Deutsch sprechen."

    Je zwanzig Studienplätze für deutsche wie türkische Studenten haben die Partneruniversitäten eingerichtet. Der Andrang auf deutscher Seite war mit rund neunzig Bewerbungen auf zwanzig Plätze unerwartet hoch. Die Studenten aus der Türkei sind bereits im Dezember angereist, um sich im Vorfeld sprachlich fit zu machen. In der Domstadt finden die Vorlesungen auf Deutsch statt und an der Kemerburgaz Universität auf Türkisch und Englisch. Für Tugae Butay aus Istanbul war die erste Veranstaltung – eine Vorlesung zur deutschen Rechtsgeschichte – eine echte Herausforderung:

    "Das war ein bisschen schwierig zu verstehen, weil ich erst seit Dezember Deutsch lerne. Ich habe am Gymnasium in der Türkei schon ein wenig Deutsch gelernt, aber das war nicht sehr intensiv. Und in Köln habe ich mit Stufe A1 angefangen."

    Die 19-jährige Studentin vom Bosporus wird den Deutschkurs während des Studiums weiter besuchen. Auch die deutschen Studenten werden in Türkischkursen auf die Zeit in Istanbul vorbereitet. Während der ersten vier Semester in Deutschland lernen die Teilnehmerinnen die Grundzüge im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht. Das Studium an der Partneruniversität baut dann auf den in Köln erworbenen Rechtskenntnissen auf. Gelehrt wird dann türkisches Zivil-, Straf- und Öffentliches Recht.

    Darüber hinaus können die Studierenden Kenntnisse im US-Recht erwerben – auf Englisch versteht sich. Denn in der internationalen Unternehmenspraxis werden die meisten Verträge auf Englisch ausgearbeitet. Das Doppelabschlussprogramm bietet den künftigen Absolventen eine Reihe von Möglichkeiten:

    "Mit dem Bachelor-Abschluss haben sie den Abschluss des juristischen Studiums in der Türkei. Das heißt, sie können dort ganz regulär ihre juristische Ausbildung weiter verfolgen: Anwalt werden, Richter werden, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erbringen. Gleichzeitig haben sie 30 Prozent des deutschen Staatsexamens. Und wenn sie den Weg des deutschen Staatsexamens nicht gehen wollen, dann könnten sie zum Beispiel einen Master-Studiengang im deutschen, türkischen und europäischen Wirtschaftsrecht – den wir zusammen mit der Bilgi-Universität anbieten – absolvieren."

    Finanzielle Unterstützung bekommen die Studierenden jeweils in der zweijährigen Auslandsphase durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Darüber hinaus stehen Erasmus-Mittel zur Verfügung. Die sonst üblichen Studiengebühren an der Kemerburgaz-Universität, 700 Dollar pro Jahr, werden für diesen Studiengang nicht erhoben.

    Zulassungsbeschränkungen in Form eines Numerus clausus gibt es derzeit noch nicht – aber die Abiturnote sollte nicht schlechter als 2,6 sein.