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Deutsche Einheit
Der Osten holt auf, doch viele Probleme bleiben

Im Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit steht, dass der Osten wirtschaftlich vorankommt - Politiker von SPD und Linkspartei halten das für schöngefärbt. Denn die Strukturprobleme der neuen Bundesländer bleiben.

    Der Osten macht Fortschritte - doch viele Probleme sind noch ungelöst
    Der Osten macht Fortschritte - doch viele Probleme sind noch ungelöst (dpa / picture-alliance / Jens Wolf)
    Helmut Kohls Zitat ist allgegenwärtig, wenn über die Wiedervereinigung gesprochen wird. "Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt." Im Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit werden fast ein Vierteljahrhundert später tatsächlich bessere Zeiten für Ostdeutschland zumindest angedeutet. Weniger Abwanderung, eine stärkere Wirtschaft - doch es bleiben viele strukturelle Probleme.
    Früher gingen Hunderttausende, 2012 nur 2000
    Erstmals seit der Wiedervereinigung zogen 2012 ungefähr so viele Menschen von West- nach Ostdeutschland wie umgekehrt, heißt es in dem Bericht. Der Verlust von Ost nach West belief sich nur noch auf gut 2000 Menschen. Direkt nach der Wiedervereinigung waren es jährlich Hunderttausende gewesen, zwischen 2000 und 2005 noch im Schnitt 66.000 pro Jahr. Die Einwohnerzahl sank zwischen 1990 und 2012 um 13,5 Prozent. Die verbesserte wirtschaftliche Situation und die bessere Lage auf dem Arbeitsmarkt trugen nun dazu bei, die Abwanderung weitgehend aufzuhalten, heißt es im Bericht.
    Aufatmen kann der Osten nach Einschätzung der Bundesregierung aber nicht, vor allem demografisch wird es Probleme geben. Ostdeutschland habe überdurchschnittlich viel ländliche Regionen. Gerade dort wird die Zahl der Einwohner laut Bericht weiter schrumpfen. Außerdem schreite die Alterung der Gesellschaft in den neuen Ländern schneller voran als in den alten.
    Die Wirtschaft im Osten wächst, die hohe Arbeitslosigkeit bleibt
    Der Osten kämpft zudem weiter mit einer hohen Arbeitslosenquote. Die Arbeitslosigkeit nahm 2012 im Jahresdurchschnitt in Ostdeutschland zwar stärker ab als in Westdeutschland und erreichte dort den niedrigsten Stand seit 1991. Die Quote in den neuen Ländern war im vergangenen Jahr mit 10,7 Prozent trotzdem fast doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte bei der Vorstellung des Berichts, die positiven Entwicklungen an zahlreichen Stellen dürften "nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufholprozess weitergehen muss".
    Die Wirtschaftsentwicklung kommt laut Bericht dagegen voran. Der materielle Wohlstand hat sich im Osten in den vergangenen Jahren demnach deutlich verbessert. Das Bruttoinlandsprodukt der ostdeutschen Länder pro Einwohner ist in den vergangenen Jahren gestiegen, liegt aber noch immer deutlich unter dem Westniveau. Die Löhne und Gehälter im Osten haben sich zuletzt nur leicht erhöht und liegen auf etwa 80 Prozent des westdeutschen Stands. Auch bei der Rente bleiben Unterschiede. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung Christoph Bergner (CDU) sagte, der Angleichungsprozess brauche einfach Zeit. Er hoffe angesichts der Verdienstunterschiede auf "verantwortungsbewusste Verhandlungen" der möglichen Großen Koalition zum Mindestlohn.
    Hans-Peter Friedrich (r.) und Christoph Bergner mit dem Bericht zum Stand der Einheit
    Hans-Peter Friedrich (r.) und Christoph Bergner mit dem Bericht zum Stand der Einheit (dpa / picture-alliance / Kay Nietfeld)
    Tiefensee: "Schönfärberei"
    Kritik kam von Bergners Vorvorgänger als Ost-Beauftragter, Wolfgang Tiefensee (SPD). "Die Lyrik des Berichts entspricht nicht immer den harten Fakten", sagte Tiefensee der "Berliner Zeitung". "Schönfärberei hilft aber niemandem weiter. Würde das Tempo so weitergehen, hätten wir erst im Jahr 2100 eine annähernd gleiche Wirtschaftskraft." Auch der Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn monierte, die Wirklichkeit im Osten sehe anders aus. Die Lohnunterschiede etwa seien ein Skandal.